Phil Mickelsons verbliebene Fans und Freunde dürfen sich die Hände reiben. Es scheint, als sei „Leftys“ Kalkül aufgegangen, durch die Kollaboration mit Saudi-Arabien und Greg Normans LIV Golf einen Hebel gegen das Monopol der PGA Tour zu finden. Auch wenn er diesen Altruismus vor den Karren seines Eigennutzes gespannt hat. Was Commissioner Jay Monahan da am Mittwoch bei seiner Pressekonferenz vor der Tour-Championship in Atlanta verkündet hat, ist ein Paradigmenwechsel: die offizielle Anerkennung von Elitespielern, ermittelt durch das Player Impact Program, ein Kastensystem für Turniere und die Akzeptanz der Entertainment-Moderne in Form der TGL.
Norman spottet, Westwood ätzt
Kein Wunder, dass Norman sich über unzureichend getarnte Kopier-Versuche lustig macht („Einen Dollar zu wenig und einen Tag zu spät“) – wobei er allerdings vergisst, das er sein Format selbst bei der Premier Golf League geklaut hat –, und Lee Westwood, einer der ersten Überläufer, zurück ätzt: „Selber Heuchler“.
Sei’s drum. Ob diese Veränderungen, diese Neuerungen zum Teil auch Mickelsons Verdienst seien, wurde Rory McIlroy gefragt. Seine Antwort: „Sicherlich, in gewisser Weise. Er ist es bloß nicht auf dem richtigen Weg angegangen.“ Eben. Konkurrenz belebt das Geschäft, das hat noch nie jemand bestritten. Nur wo das Geld herkommt, aus einer Mördermonarchie nämlich, gefällt halt McIlroy und vielen anderen nicht.
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Major-Meriten und sonstige Traditionen reichen nicht
Dennoch: Die Geister, die Norman beschworen hat, wird der Golfsport fürs Erste nicht mehr los. Seit Jahrzehnten hat der Australier das Messer auf die Tour geschliffen, weil sie seine Idee von einer Welttour abgekupfert und mit den World Golf Championships selbst umgesetzt hat; mit den Saudis und ihren schier unerschöpflichen Geldspeichern hat er endlich den passenden Finanzier gefunden. Und irgendwie muss die Tour halt kontern: Major-Meriten und sonstige Traditionen zu beschwören und sich hinter der Vergabe von Weltranglisten-Punkten zu verstecken, reicht nun mal im Krieg der Touren nicht.
Jetzt bewegt sich Ponte Vedra Beach mit völlig unüblicher Schnelligkeit und öffnet erneut die Schatulle, um erneut eine Schippe drauf zu legen. Auf das – nicht zu vergessen –, was vor kurzem erst im Hinblick auf die Saison 2023 an finanzieller Ausstattung bereits angekündigt worden war. Im Vergleich zu den Anfängen des Wettrüstens mit LIV Golf wird mittlerweile auch im Establishment aberwitziges Geld unters Golfvolk geworfen.
Doch noch etliche Millionen gefunden
Das freilich wirft neue Fragen auf. Hatte der „Commish“ nicht neulich erklärt, die Tour könne einen Waffengang kaum gewinnen, wenn der nur auf der Basis von Geld und noch mehr Geld geführt werde? Jetzt haben sie aber offenbar noch ein paar Millionen gefunden. Wo kommt das Geld her, wenn – wie neulich behauptet – ohnehin schon 98 Prozent aller Einnahmen an die Spieler und in den Sportbetrieb zurückfließen? Wird in Ponte Vedra Beach doch Zaster gebunkert? Oder ist es eine Hypothek auf die Zukunft, die ja dank des milliardenschweren TV-Vertrags keineswegs düster erscheint.
Was wird aus der DP World Tour
Außerdem: Was wird angesichts von Preisgeld-Explosionen in Übersee und dem Ausverkauf eigener, eh in die Jahre gekommener Stars wie Westwood, Sergio Garcia, Ian Poulter oder Henrik Stenson aus der DP World Tour? Attraktive Spieler wie Fleetwood, Hovland oder die Højgaard-Brüder werden künftig noch seltener in der sportlichen Heimat an den Start gehen, allenfalls bei von der PGA Tour gepimpten Events wie aktuell die Scottish Open. Droht dem europäischen Circuit nicht tatsächlich das Schicksal einer Feeder Tour, die allenfalls frisches Spieler-„Blut“ für den großen Bruder generiert?
Die Symbolfiguren Woods und McIlroy
Aber das nur am Rande. Monahan und die Tour tun jedenfalls auf Druck der Spieler um Tiger Woods und Rory McIlroy genau das, was sie LIV Golf stets angekreidet haben: Sie pampern ohnehin saturierte Spieler noch weiter und etablieren eine Top-Tour, die den Sportbetrieb auf der PGA Tour ganz eindeutig zur Zwei-Klassen-Gesellschaft macht.
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Eines freilich ist signifikant anders. LIV Golf hat bloß Geld, die PGA Tour überdies Symbolik. Zudem Symbolfiguren. Woods und McIlroy machen den Unterschied im Preispoker. Lichtgestalt der eine, Tour-Truchsess als Players Direktor im Vorstand der andere, haben sie das Heft des Handelns in die Hand genommen und die Wucht ihrer Reputation im Kollegenkreis in die Waagschale geworfen. Neulich hatte ihnen der Franzose Mike Lorenz-Vera noch vorgeworfen, zu wenig zu tun, jetzt verglich der geschätzte Eamon Lynch Woods’ und McIlroys Einsatz mit der „Rückkehr der Jedi-Ritter“ im „Krieg der Sterne“-Epos.
„Letztlich helfen wir uns gegenseitig“
Deshalb ist das neue Tour-Zeitalter ebenso wenig Mickelsons wie Monahans Verdienst. Sondern ausschließlich das von Woods und McIlroy, die erkannt haben, was die Tour braucht und was sie von allein nicht generieren kann: Die Solidarität eines Haufens dem eigenen Business verschriebener Individualisten, die zwar in ihrer Aversion gegen LIV Golf wie gegen die Struktur und Selbstgefälligkeit der PGA Tour vereint waren, aber bislang keinen Grund sahen, sich deswegen mit der Konkurrenz im eigenen Kreis gemein zu machen.
„Wir sind alle irgendwie unsere eigenen kleinen unabhängigen Unternehmen und treten gegeneinander an“, beschrieb es McIlroy: „Aber dies ist das erste Mal seit langer Zeit, dass wir uns alle hingesetzt haben, um Geschäftspartner zu sein, an einem Strang zu ziehen, um damit der Tour und letztlich uns gegenseitig zu helfen.“
„Wenn ich Formel 1 schaue, will ich Hamilton sehen“
Wer, wenn nicht eben die 23, die da in Wilmington im Vorfeld der BMW Championship ihr konspiratives Treffen abgehalten haben, könnte die Tour zu der mitgliederbasierten und -geführten Organisation machen, die sie stets zu sein reklamiert? Und, bei allem Respekt vor denen im Mittelfeld der Tour-Mitgliedschaft und dahinter: Der Sport lebt von Stars, jedes Geschäftsmodell ist darauf aufgebaut, Fans, Sponsoren und Medien erwarten, dass die Besten sich zeigen. Oder wie McIlroy es nannte, der längst eine höhere Präsenzdichte von Top-Spielern bei jedem Turnier gefordert hat: „Wenn ich zu den Tampa Bay Buccaneers gehe, will ich Tom Brady werfen sehen. Und wenn ich zur Formel 1 gehe, dann will ich Lewis Hamilton fahren sehen.“
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Stadionspektakel für die Spaßgesellschaft
Letztlich ist die Tomorrow Golf League (TGL) als montägliche Ergänzung des Tour-Betriebs in den eher mauen Monaten Januar bis August nichts anderes. Woods und McIlroy haben die Zeichen der Zeit erkannt. Die Spaßgesellschaft ist in der Breite nicht mit ermüdenden Zählspiel-Formaten über vier Tage abzuholen, sofern denen nicht der Nimbus der Besonderheit eines Majors oder andere Bedeutsamkeit anhaftet. Schon bei der PGA Championship funktioniert das nicht sonderlich gut.
Der Mensch der modernen Freizeitgesellschaft flattert von Erlebnisblüte zu Erlebnisblüte: Hier ein wenig Thrill, da etwas Amüsement, dort ein bisschen Action. Es braucht Schweiß, Tränen, Mühsal, Duelle Aug um Aug, Krawumm, viel Rauch und Donnerhall – selbst um nichts. Kurz: Spektakulum. TGL, diese Mischung aus Top Golf, Simulator-Action auf der Großleinwand und Arena-Atmosphäre, ist da nur folgerichtig. Callaway hat so was schon während der Baseball-Off-Season im Stadion der San Diego Padres abgehalten und „Links At PetCo Park“ genannt. Oder man denke an das Partyloch des TPC Scottsdale bei der Phoenix Open. Putting-Kurse baut Tiger mit PopStroke ja eh schon, jetzt heben er und „Rors“ das Spiel auf den Level modernen Entertainments. Golf goes Südkurve. Das passt zum Zeitgeist.