Es gib diese alten Redewendungen, die im modernen Sprachgebrauch aus der Zeit gefallen scheinen, aber ab und an fröhliche Urständ feiern. „Sich um Kopf und Kragen reden“ beispielsweise, womit im Wortsinn die besonders gefährdete und früher für drakonische Bestrafungen gern adressierte Schnittstelle zwischen Haupt und Hals gemeint ist.
Mickelson, Garcia, Norman
Erst redete sich Phil Mickelson um Kopf und Kragen, als er im Telefonat mit dem Journalisten Alan Shipnuck über seine Beweggründe zur Kollaboration mit einem von den Saudis finanzierten „Hebel gegen die PGA Tour“ plapperte, obwohl das „scary motherfuckers“ seien. Dann ereilte dieses Schicksal den Spanier Sergio Garcia, der während seines jüngsten Wutanfalls den baldigen Abgang ankündigte und seither von Medien wie Fans mit heftiger Häme verfolgt wird. Am Mittwoch schließlich sorgte Greg Norman für den vorläufigen Tiefpunkt des taktlosen Treibens.
Media Day zur Saudi-Liga-Premiere
Bei einem Media Day für die anstehende Premiere seiner Saudi-Liga im Centurion Golf Club nahe London (9. bis 11. Juni) wurde Greg Norman natürlich auf das Regime in Riad und besonders auf die bestialische Exekution des kritischen „Washington Post“-Journalisten und Dissidenten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 in Saudi Arabiens Istanbuler Botschaft angesprochen. Laut westlicher Nachrichtendienste soll das Killerkommando auf direkten Befehl des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman gehandelt haben.
Erbärmlicher Euphemismus
Greg Normans lapidare Antwort: „Nachdem, was ich gelesen und was Ihr berichtet habt, ist ja alles auf dem Tisch. Jeder macht mal Fehler. Und man will aus diesen Fehlern lernen, um sie in Zukunft zu korrigieren.“ So jedenfalls zitiert ihn die Londoner Zeitung „The Times“. Was auch immer man da herauslesen will, ungeheuerliche Einfältigkeit oder gekaufte Gleichgültigkeit: Den Augen- und Ohrenzeugen im Saal entgleisten ob dieses erbärmlichen Euphemismus die Gesichtszüge.
„Es ist so verletzend, wenn Jamals brutale Ermordung als ,Fehler’ abgetan wird, und wir einfach weitermachen sollen. Würden er das auch sagen, wenn es sein geliebter Mensch wäre? Wie können wir weitermachen, wenn diejenigen, die den Mord angeordnet haben, immer noch ungestraft sind und weiterhin versuchen, sich ihre Legitimität zurückzukaufen?“
Hatice Cengiz, Verlobte von Jamal Khashoggi
Bei „Sky Sports“ legte Greg Norman später nach: „Es ist verwerflich, was mit Khashoggi passiert ist. Man sollte dazu stehen, darüber sprechen“, sagte er im Interview. „Aber ich weiß nicht, was die saudische Regierung tut, und will mich da nicht einmischen. Jedes Land hat ein Kreuz zu tragen.“ Einige Medien bezeichneten ihn darob als „mad of hell“, als total verrückt; anderen nannten ihn einen „kompletten Idioten“.
Größten Bärendienst selbst erwiesen
Vor wenigen Tagen hatte „The Great White Shark“ noch darüber lamentiert, wie sehr Mickelsons „Memorandum“ die Entwicklung seines Konkurrenz-Circuits zurück geworfen habe. Jetzt hat er seinen Ambitionen selbst den größten Bärendienst erwiesen. Der Schaden wiegt schwer. So schwer, dass die Firma LIV Golf Investments ein Statement zur Ehrenrettung ihres CEO herausgeben musste. „Die Tötung von Jamal Khashoggi war verwerflich. Alle sind sich darüber einig, auch Greg, der dies bereits bei vielen Gelegenheiten gesagt hat“, heißt es darin. „Greg weiß auch, dass der Golfsport eine Kraft für das Gute in der Welt ist und dazu beitragen kann, einen positiven Wandel herbeizuführen. Deshalb ist er so begeistert von LIV, und das war der Punkt, den er angesprochen hat.“
„Das Gute, das in diesem Land getan wird“
Dabei sind die jüngsten Äußerungen nur der vorläufige Gipfel an Ignoranz gegenüber der Herkunft und den Hintermännern des Geldes, mit dem Norman seinen Feldzug gegen das Golf-Establishment finanziert. Er leugnet jede direkte Verbindung zu Saudi Arabien, das „nicht mein Boss“ ist. Er will den Kronprinzen „noch nie getroffen“ haben, der unter anderem dem PIF vorsteht und im Übrigen jede Verbindung mit dem Khashoggi-Mord abstreitet. Er verharmlost die Menschenrechtsverletzungen und Missstände in der Monarchie am Persischen Golf und lobhudelt „das Gute, das in diesem Land zur Veränderung der Kultur getan wird“: „Sie können dort sicher nicht stolz auf ihre Vergangenheit sein. Ich schaue allerdings nicht zurück, nur nach vorn. Es muss weitergehen!“
„Greg Normans Äußerungen [hinsichtlich des Mords an Jamal Khashoggi] sind falsch und ernsthaft fehlgeleitet. Die saudischen Behörden haben versucht, ihre Verbrechen unter den Teppich zu kehren und sich der Justiz und der Verantwortung zu entziehen. Die Menschenrechtsbilanz des Regimes ist abscheulich – von der Ermordung Khashoggis über die jüngsten Massenhinrichtungen bis hin zur nach wie vor katastrophalen Situation von LGBTI+-Personen. Die LIV Golf Invitational Series ist eine weitere Veranstaltung in einer Reihe von Sportswashing-Versuchen, die die saudischen Behörden nutzen, um ihr blutgetränktes Image zu reinigen.“
Felix Jakens, Amnesty International UK
Aber was treibt den 67-Jährigen an? Norman hat in seinem sportlichen und beruflichen Leben alles erreicht – außer dem Masters-Sieg vielleicht, an dem kaum einer dramatischer gescheitert ist als er bei seinem Finalrunden-Kollaps 1996. Er war zwei Mal Champion Golfer of the Year, gewann die Open 1986 in Turnberry und 1993 in Royal St. George’s; war 331 Wochen lang Weltranglistenerster und ist als Multiunternehmer zum geschätzt 400-fachen Millionär geworden.
Greg Norman: Dickschädel mit Alleingültigkeitsanspruch
Andererseits ist Norman ein Narziss, ein Egomane, ein Dickschädel mit Alleingültigkeitsanspruch, einer der stets glaubt, es besser machen zu können. Und ein ungeliebter Einzelgänger, was angesichts seiner Attitüde kaum verwundert. Schon in den 1990er-Jahren hatte er eine Kampfansage an die PGA Tour formuliert und wollte eine Welttour mit acht Events organisieren – unterstützt übrigens von Severiano Ballesteros und Medien-Tycoon Rupert Murdoch mit dessen Sender Fox Sports –, weil er sich in ein Korsett von Statuten gezwängt und gegängelt fühlte.
„Die Last der Verantwortung tragen“
Seine Begründung damals wie heute: „Ich dachte immer, wenn ich etwas für meine Mitspieler tun könnte und die Last der Verantwortung tragen könnte …“ Da ist sie wieder, die vom Ego diktierte Berufung: „Ich glaube einfach, es gibt einen besseren Weg, weshalb ich damals an diese World Golf Tour dachte. Das ist unkonventionelles Denken. Das ist das Denken eines unabhängigen Unternehmers: Du musst den Markt verstehen.“
Playbook der PGL geklaut
Die PGA Tour verstand ziemlich gut. Während die Spieler, die Norman bei ihrer Eigenverantwortung gern angeleitet hätte, ihm einen Korb gaben und sich lieber an Arnold Palmer orientierten („Wenn es für Arnie nicht gut ist, dann ist es auch für uns nicht gut“), übernahm Commissioner Tim Finchem die Idee und kreierte daraus 1994 die World Golf Championships. Das hat Norman bis heute nicht verwunden. Jetzt hat er dank der Saudis die Möglichkeit, endlich sein Mütchen an Ponte Vedra Beach zu kühlen – wenngleich die „Washington Post“ mantrahaft daran erinnert, dass es mit „blutigem Geld“ geschieht. Doch in seiner revanchistischen Ranküne ist Norman jeder Weg recht; sein Zweck heiligt die Mittel. Dafür tut er sogar selbst, was er Finchem einst vorgeworfen hat: klaut der Premier Golf League das Playbook und widmet es fürs eigene Serien-Format um.
50 Millionen Dollar Honorar für Norman?
Altruistisch ist das Ganze sowieso nicht, trotz all des Gefasels von „Growing the Game of Golf globally“. Gerüchteweise soll sich Norman für seinen Job als LIV-Golf-CEO und als Commissioner der LIV Golf Invitational Series 50 Millionen Dollar genehmigen. Jährlich. Davon will er natürlich nichts wissen und kontert: „Es ist zwar die Rede davon, dass ich selbst auch eine Vermögen einsacke. Aber definiere Vermögen! Immerhin habe ich dafür auch den Platz an der Spitze meiner eigenen Firmengruppe aufgeben.“ Und sowieso gilt ja sein Credo: „Du musst denken wie ein Unternehmer.“