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Graphitschaft, Stahlschaft, Weltherrschaft? – Das müssen Sie wissen

09. Apr. 2021 von Oliver Felden in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Stahl oder Graphit, hoher oder niedriger Kickpoint, wieviel Flex? Von der Kunst, den richtigen Schaft zu finden. (Foto: Getty)

Stahl oder Graphit, hoher oder niedriger Kickpoint, wieviel Flex? Von der Kunst, den richtigen Schaft zu finden. (Foto: Getty)

Der Schaft eines Golfschlägers, das hört man in diesem Zusammenhang häufig, sei sein Motor. Aber er ist es nicht. Tom Wishon, ein US-amerikanischer Golfschläger-Designer und -forscher, Autor mehrerer Bücher zum Thema Golfschläger, drückt es so aus: Der Motor ist der Golfer alleine. Den Schaft könnte man sich in dieser Metapher als das Getriebe vorstellen. Er kann die Kraft, die der Spieler entwickelt, nicht vergrößern – aber ein falscher Schaft kann die auf den Ball übertragene Kraft reduzieren. Passen Parameter wie Länge, Gewicht oder Flex nicht zu den Eigenschaften des jeweiligen Schwungs, kann sich das signifikant auf die Länge und Präzision der Schläge auswirken.

Tatsächlich ist es so, dass kaum ein Schläger-Hersteller seine eigenen Schäfte herstellt, mit wenigen Ausnahmen. Der Grund dafür ist simpel: Die Herstellung von Schäften bedarf spezieller Werkzeuge und Material, es ist ein hochkomplexer Vorgang, für den ein umfangreiches Fachwissen vonnöten ist. Außerdem ist der Prozess vergleichsweise teuer, auch auf industrieller Basis. Daher überlassen es die meisten Schlägerhersteller den Spezialisten, diese Schlägerkomponenten zu fertigen.

Die Schaft-Industrie tanzt auf zwei Hochzeiten

Schäfte für Golfschläger gibt es heutzutage sowohl aus Stahl als auch aus Graphit. Sogar Mischformen sind mittlerweile erhältlich. Es gibt über 50 verschiedene Schaft-Hersteller, von denen aber nur drei den gesamten Bedarf an Stahlschäften abdecken. Das liegt daran, dass die erforderlichen Maschinen für die Herstellung von Stahlschäften teurer sind als für Graphitschäfte und der Großteil der Stahlschäfte günstiger verkauft werden als ihre Graphit-Pendants – es ist schlicht eine Frage der Wirtschaftlichkeit.

Die Schaftindustrie arbeitet für gewöhnlich dual: Auf der einen Seite produzieren viele Firmen Schäfte unter ihrem eigenen Markennamen, die sie an Shops und Fitter vertreiben, auf der anderen Seite produzieren sie Schäfte für die Schlägerhersteller, die unter dem jeweiligen Herstellernamen laufen – einige betreiben ihr Geschäft auch nur in zweitgenannter Weise, und sparen sich so Kosten bei Entwicklung und Marketing.

Weniger Auswahl für mehr Überblick

Wenn nun die Auswahl an Schäften so hoch ist, warum wird in den meisten Schlägern von der Stange nur eine Möglichkeit angeboten? Die Antwort ist einfach: Ein Golfhändler bietet in der Regel fünf bis 15 verschiedene Marken an Schlägerherstellern zur Wahl an, jeder Schläger ist mindestens in drei verschiedenen Flex-Versionen verfügbar. Erweitert man das Sortiment um weitere Schäfte, alle jeweils wieder in verschiedenen Flex-Ausführungen, wird das Spektrum an Möglichkeiten für den Kunden schnell unübersichtlich.

Um dies zu vermeiden, werden Standardschäfte in die Schläger verbaut, die auf den Durchschnittsgolfer passen – meistens sind sie um die 55 bis 70 Gramm schwer und haben einen Torque von vier bis fünf Grad. In diesem Rahmen gibt es Schäfte für 30 Euro pro Stück, aber es gibt sie auch für 300 oder über 1000 Euro pro Schaft – wie kommt das?

Auch hier gilt: Teurer ist nicht immer besser

Ausschlaggebend für den Preis sind die genannten Parameter Torque und Gewicht: Fällt das Gewicht unter 60 Gramm und der Torque unter 3,5 Grad, verdoppelt sich der Preis schnell. Um diese Werte zu erreichen, braucht es spezielles Graphit, das teurer ist, und mehr Arbeitszeit pro Schaft, da mehr Lagen des Materials gewickelt werden müssen.

Teurer heißt aber nicht immer besser, denn ob ein Schaft optimal zum Schläger und zum Spieler passt, hängt nicht nur vom Gewicht, dem Torque, der Gewichtsverteilung und dem Flex ab, sondern zuallererst von der Schwungcharakteristik des Golfers - für den größten Teil aller Amateurspieler kann der passende Schaft aus dem Sektor um die 40 Euro gestaltet werden.

Ohne Norm hat der Fitter das Sagen

Wie der passende Schaft auszusehen hat, kann nur ein Fachmann herausfinden. Im Vergleich mit einem Schläger-Fitting ist ein Schaft-Fitting eine weitaus kompliziertere Angelegenheit. Das liegt vor allem daran, dass es für die Messung der Parameter von beispielsweise Schlägerköpfen genormte Standards gibt, auf die sich die Branche verständigt hat. Für Schäfte gibt es die nicht, weshalb die Schaftentwickler keine einheitliche Methode haben, etwa die Steifigkeit eines Schaftes zu messen und zu definieren: Ein Regular (R) Flex des einen Herstellers kann die gleichen Eigenschaften haben wie ein Stiff (S) Flex eines anderen, bei einem dritten Hersteller kann es nochmal anders sein.

Der Schaft im Golf - die Terminologie

Das Gewicht

Das Gewicht des Schaftes hat logischerweise direkten Einfluss auf das Gesamtgewicht des Schlägers, was in letzter Instanz Einfluss auf die Schwunggeschwindigkeit des Spielers hat. Ein leichter Schaft verkleinert das Gesamtgewicht des Schlägers, vergrößert die Schwunggeschwindigkeit und am Ende die Schlagweite. Die Rechnung geht allerdings nur auf, wenn der Schaft zum Golfer passt. Passt der leichte Schaft nicht zu den Eigenheiten des jeweiligen Schwungs, werden unpräzisere Treffmomente und daraus resultierender Längenverlust die Folge sein.

Die Länge

Die Länge eines Schaftes ist der einzige Wert, der von der Regel gebenden Instanz im Golf, der R&A, limitiert ist. Die Maximale Länge ist auf 48 Inch (121,9 Zentimeter) festgelegt. Je länger, umso weiter, würde man durch das Gesetz des größeren Hebels und der daraus resultierend größeren Schlägerkopf- und Ballgeschwindigkeit vermuten. Allerdings geht ein längerer Schaft meist einher mit Einbußen bei der Präzision, und wenn der Ball nicht mehr in der Mitte des Schlägerblattes getroffen wird, wirkt sich das direkt auf die Schlagweite und -streuung aus. Meistens macht also ein kürzerer Schläger, der zu konstanteren Treffmomenten führt, mehr Sinn.

Der Flex

Der Flex eines Schaftes bezeichnet dessen Steifigkeit. In der Regel wird die Steifigkeit mit unterschiedlichen Abkürzungen markiert: A-Flex ist demnach für Senioren geeignet, L-Flex (Ladies) für Damen, R-Flex (Regular) die Standardvariante und S-Flex (Stiff) für gute Spieler. Für Spieler mit extrem hohen Schlägerkopfgeschwindigkeiten gibt es darüber hinaus noch steifere Versionen: XS-Flex bis hin zu XXXS-Flex. Einige Schaft-Hersteller differenzieren innerhalb dieser Kategorien weiter, so gibt es zum Beispiel eine weichere, mittlere und härtere Version eines R-Flex Schaftes. Daraus die richtige Auswahl zu treffen ist die Aufgabe des Fitters.

Der Torque

Der Torque (dt.: Torsion), die Verwringung des Schaftes um seine Längsachse, hat Einfluss auf die Präzision im Treffmoment. Durch den Schlägerkopf am Ende des Schaftes ist viel Gewicht außerhalb des Zentrums platziert. Je schneller die Schlagfläche Richtung Treffmoment von der offenen in die gerade (square) Position gebracht wird, umso mehr verdreht sich der Schaft auf seiner Längsachse – physikalisch basiert dieser Effekt auf dem Gesetz der Trägheit der Masse. Hinzu kommt die Verdrehung im Treffmoment, beispielsweise dadurch, dass der Ball weit an der Spitze getroffen wird. Wer seine Bälle immer im Sweet-Spot trifft, hat damit nichts am Hut. Insgesamt werden viele Schäfte mittlerweile mit Torque-Werten von um die vier bis fünf Grad produziert, was in den meisten Fällen ausreicht. Sehr gute Spieler mit einer extrem schnellen Rotation können sich weitergehende Gedanken um diesen Wert machen.

Der Kickpoint

Der Kickpoint eines Schaftes bezeichnet die Stelle im Material, an der sich der Schaft am meisten biegt. Er wird als hoch, mittel oder tief beschrieben, wobei ein hoher Kickpoint meint, die Stelle der größten Biegung ist näher am Griff, ein tiefer Kickpoint dementsprechend näher am Schlägerkopf. Ein hoher Kickpoint wird sich auf einen flacheren Abflugwinkel auswirken, wobei ein tiefer Kickpoint eine höhere Flugkurve zur Folge hat.

Die regelmäßigen Unregelmäßigkeiten im Schaft

In der Realität ist es so, dass kein Schaft wie der andere ist – jeder ist einzigartig, was durch den aufwändigen Herstellungsprozess nicht zu verhindern ist. Die Unterschiede sind beispielsweise, dass nicht jede Stelle des Schaftes exakt gleich dick ist, dass die Schäfte nicht zu 100 Prozent gerade und überall gleich rund sind oder jede Seite ein und des gleichen Schaftes den gleichen Flex hat.

Stellen Sie es sich so vor: Sie legen einen Schaft mit dem oberen und unteren Ende auf zwei Holzblöcke, und hängen an die Mitte des Schaftes ein Gewicht. Der Schaft wird sich, während er sich durchbiegt, um seine Längsachse rotieren: Die härtere Seite wird anschließend nach oben zeigen, die weichere zum Gewicht.

Feintuning - letzter Schliff oder unnötig?

Seit einigen Jahren entwickeln Experten Methoden, diese Ungleichheiten präzise zu erfassen und zu messen, um Schäfte gleicher Qualität garantieren zu können und die Schäfte so in den Schläger einzubauen, dass seine Eigenschaften optimal zu seinen Aufgaben passen. Dieses "Feintuning" spielt sich allerdings in den absoluten Grenzbereichen ab und ist, was seine Wirksamkeit angeht, umstritten. Da hierbei an kleinsten Details gearbeitet wird, ist es fraglich, ob der normale Golfer einen Mehrwert von den teilweise teuren Verfahren hat. Die einen schwören darauf, die anderen halten es für Humbug. Fakt ist: Wenn überhaupt lohnen sich die Verfahren für sehr gute Spieler. Nicht einmal auf Tour-Niveau gehören sie zum üblichen Standard.

Als Beispiele seien hier das "Shaft Puring" und "Spinning" angemerkt. Beide untersuchen den Schaft hin auf seine Eigenschaften und versuchen, die optimale Ausrichtung des Materials zu finden, bevor er in dieser Position in den Schlägerkopf montiert wird. Das "Frequency Matching" analysiert die Schwung-Frequenz der Schäfte: Ein Schaft wird an einer Seite fixiert, die andere Seite in Schwingung versetzt. Nach dem Frequency Matching haben die Frequenz-Stufen von den langen Schlägern bis zu den kurzen (kurze Schläger haben logischerweise eine höhere Frequenz) alle den gleichen Abstand.

Ein Fitting bei XY - Das bieten die Hersteller

Da die verschiedenen Hersteller mittlerweile ebenso begriffen haben, wie wichtig der richtige Schaft für den Golfer ist, bieten nahezu alle Namen der Golf-Industrie spezielle Möglichkeiten an, die Schläger individuell anpassen zu lassen. Einige haben wir gefragt, was einen Golfer bei einem Fitting bei ihnen erwartet.

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