Die 2020er-Jahre, sie haben als Jahrzehnt der Krisen begonnen: Erst Corona, das in vielen Teilen der Welt immer noch Gesellschaften und Industrien lähmt, während hierzulande Masken fallen und Krankenstände steigen. Dann Russlands Überfall auf die Ukraine, der ein Krieg ohne Ende zu sein scheint und im Kometenschweif von Tod und Vernichtung die Energiemärkte verrückt spielen sowie die Inflation galoppieren lässt. Damit des Üblen nicht genug, hängt über allem das Damoklesschwert des Klimawandels, der nicht erst im laufenden Jahrzehnt zum apokalyptischen Reiter avancierte, aber den Globus noch in diesem an den Kipp-Punkt treiben könnte.
Keine Insel der Seligen
Das ist eine bittere Bestandsaufnahme, deren Konsequenzen jeder spürt: im Geldbeutel, bei der Verfügbarkeit von Waren und Dienstleistungen, im gesellschaftlichen Miteinander. Wohl dem, der sich vor dieser Schieflage des einst so Selbstverständlichen gelegentlich in eine wie auch immer geartete Nische flüchten kann. Beispielsweise auf den Golfplatz, dessen Grün in all der Düsternis ein bisschen Heil und Hoffnung vorgaukelt. Doch selbst die Wiesen dieser Welt sind natürlich keine Inseln der Seligen, das ist eine Binse, die gleichwohl betont gehört.
„Schwieriges Jahr für die Freizeitindustrie“
„Erstmals in den vergangenen Jahrzehnten wird die weitere Entwicklung des Golfsports in Deutschland durch gesamtwirtschaftliche Entwicklungen gefährdet“, konstatierte das Fachmagazin „Golfmanager“ bereits im Oktober 2022. Doch diese Gefährdungslage betrifft nicht die hiesige Szene allein, was gleichfalls wenig überraschend ist. „2023 wird ein schwieriges Jahr für die Freizeitindustrie“: Dieses wenig mutmachende Neujahrsgrußwort kommt aus England, Jack Slade vom Harleyford Golf Club sagt direkt, warum: „Weil Clubs, Anlagen und Golfer mit einer anhaltenden Inflation konfrontiert werden.“
Schon 2022 im Schnitt 19 Prozent mehr Kosten
Das umfasst die Energiekrise und die allgemeinen Preissteigerungen ebenso wie Produktions- und Verfügbarkeitsengpässe, Personalproblematik und lädierte Lieferketten. Das ist kohärent, überlappt, bedingt oder ergänzt sich und bildet eine toxische Melange, bei der einem ganz schwindelig werden kann. Der Deutsche Golf Verband hat schon im Rahmen seiner turnusmäßigen Erhebung im Herbst vergangenen Jahres (DGV-Herbsttour 2022) bei den auskunftwilligen Anlagen eine durchschnittliche Steigerung der Gesamtkosten von 19 Prozent ermittelt. „Preistreiber“ Nummer eins war übrigens das Greenkeeping mit 25 Prozent Anstieg. Was nachvollziehbar ist, weil bei der Platzpflege der Löwenanteil von Personal-, Betriebsmittel- und Materialkosten anfällt. Einige treibt das an den Rand der Existenzfähigkeit, andere haben dank eines klugen Managements weitsichtig vorgesorgt, wenige sind ohnehin gut aufgestellt.
Warmes Wasser abgedreht
Kaum etwas deutet derzeit daraufhin, dass es in den kommenden Monaten besser wird – trotz sinkender Preise auf dem Gasmarkt, Gaspreisdeckel oder dem Rückgang der Inflation von der Zweistelligkeit auf 8,6 Prozent (Stand Dezember 2022). Der Blick auf das kommende Jahr sei „geprägt von Ungewissheit“, sagte denn auch Stefan Kirstein, Präsident des Golf Management Verband Deutschland (GMVD) und Geschäftsführer des Mainzer Golfclub, in einem Rück- und Ausblick-Video des GMVD: „Keiner weiß, wie sich das Thema Energiekosten entwickelt.“
Ergo: Dem weitgehend wohlstandsgewohnten (Golf-)Bürger droht 2023 gleichermaßen die eine oder andere kalte Dusche. Sogar im Wortsinn. Vor einigen Wochen hat der Kollege Peter Marx an dieser Stelle einen vielbeachteten Beitrag über die Kostenbelastung der südbadischen Golfclubs verfasst. Darin ist unter anderem von einer nur auf den ersten Blick spektakulären Sparmaßnahme im Golfclub Gröbernhof die Rede: Der Präsident ließ wegen der verdreifachten Energiepreise das warme Wasser in den Umkleiden abdrehen.
Serie über Situation der Branche
Das deckt sich mit Erkenntnisse aus anderen Regionen der Republik, wo Golf Post für die hiermit eröffnete Serie „Golf und Inflation“ stichprobenartig nachgefragt und die Situation beleuchtet hat: Manches Mitglied, das gewohnt war, die Körperpflege in den Sanitärbereich des Clubhauses zu outsourcen, steht derzeit vor verschlossenen Türen oder friert unterm Brausekopf. Der eine oder die andere hat darob sogar mit Austritt gedroht. Ob ein „Sportkamerad“ (m/w/d) von derartiger Egozentrik wirklich ein Verlust wäre, sei dahingestellt.
Schäubles rustikaler Ratschlag
Anderswo folgt man in den Verwaltungsbüros der Empfehlung des Politfossils Wolfgang Schäuble, „zieht halt einen Pullover an“ und drosselt im Gegenzug die Heizung auf 19 Grad. Oder dämpft das Licht. Oder macht beides. Zudem: Viele Gastronomien sind eh geschlossen, jetzt aus Ersparnis erst recht.
Schäubles rustikaler Ratschlag taugt als Sinnbild dessen, was den Golfern 2023 bevorsteht, so sich die Weltlage nicht signifikant ändert: Zieht Euch warm an! Und um bei den Wortspielen zu bleiben: Es wird Aktive geben, denen das eigene Hemd näher ist als der wirtschaftliche Rock ihres Golfclubs, wenn sie ob des erlebten Kaufkraftverlusts den Rotstift an die Ausgaben setzen – das Budget für Spaß und Freizeit ist dann zuerst fällig.
Kostendruck regt ökologisches Bewusstsein an
Zur Wahrheit gehört freilich, dass der Kostendruck andererseits das ökologische Bewusstsein anregt. Während jetzt ein grüner Wirtschafts- und Klimaschutzminister nach jahrzehntelangem Regierungsversagen notgedrungen vermehrt fossile Energieträger „verfeuern“ lassen muss, haushalten Golfanlagen auf einmal noch ganz anders mit der kostbaren Ressource Wasser oder wenden sich biologischen Düngemethoden zu, weil China für die Chemieindustrie zum unsicheren Kantonisten geworden ist. So wird aus der Not vielfach eine Tugend. Tja, Max Frisch hatte recht: „Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“