Brendan Lawlor wischt mit dem Eisen ärgerlich durchs Gras. Ganz in Schwarz gekleidet, steht der Ire im hohen Gras und kämpft auf der schier unendlich lang wirkenden Bahn 16 des Porsche Nord Course ums Par. Auf der andere Seite des Fairways suchen Flightpartner Kipp Popert und sein Caddie den beim zweiten Schlag des Engländers nach rechts weggerutschten Ball – Montag morgen auf den Green Eagle Golf Courses. Die Porsche European Open hat noch gar nicht richtig begonnen, das Spielerfeld trudelt erst allmählich in Winsen (Luhe) ein, doch schon jetzt ringen einige Akteure mit dem „Grünen Monster“ um einen vernünftigen Score: Europas beste Golfer mit Behinderung sind voll „in action“.
Porsche European Open: Verstärktes Engagement für Inklusion
„G4D @ Porsche European Open“ steht auf dem Programm, es ist das zweite Programm einer neu arrangierten Turnierserie, die jetzt „Golf for the Disabled“ heißt, beim British Masters Anfang Mai Saison-Premiere feierte und mindestens sieben Termine umfasst, samt Auftritt bei der BMW PGA Championship und Finale im Rahmen der DP World Tour Championship in Dubai. Die DP World Tour, so ist zu lesen, „verstärkt damit ihr Engagement für Inklusion im Golf“. European-Tour-Group-Boss Keith Pelley liefert das Warum: „Golfer mit Behinderung verdienen die gleiche Aufmerksamkeit und Bewunderung wie unsere Tour-Spieler. Sie sind unglaublich talentierte Golfer und großartige Botschafter unseres Sports.“
Top-Ten des Behindertengolf im Tour-Geschehen
Seit zwei Jahren unterstützt die DP World Tour daher den europäischen Behindertengolf-Verband EDGA (European Disabled Golf Association) mit finanziellen Mitteln aus der „Golf for Good“-Initiative. „Golfer mit einer Behinderung auf allen Ebenen werden von dieser Unterstützung profitieren“, freut sich EGDA-Präsident Tony Bennett, der sich auf die Fahne geschrieben hat, „Menschen mit Behinderungen auf der ganzen Welt zu inspirieren, Golf zum ersten Mal auszuprobieren oder ihre Teilhabe am Spiel fortsetzen“.
An der Spitze dieser gemeinsamen Anstrengungen steht die G4D Tour, die ihre Wettspiele während einer Turnierwoche der DP World Tour auf demselben Platz austrägt, der dann natürlich bereits im Tour-Trimm ist. Teilnahmeberechtigt sind die Top-Ten der Behindertengolf-Weltrangliste WR4GD bzw. die jeweils Nächstbesten als Nachrücker, European Tour Group und DP World Tour unterstützen die Aktiven in Sachen Reise und Unterkunft sowie in ihren Kommunikations- und Social-Media-Kanälen.
„Großer Schub für die Golfer mit Behinderung“
„Was wir mit der G4D Tour machen, ist ein ganz große Sache für uns“, sagt der aktuelle Weltranglistenerste Brendan Lawlor im Gespräch mit Golf Post. „Es bringt Aufmerksamkeit und richtet den Fokus auf unseren Bereich des Golfsports. Das ist wahrlich ein ordentlicher Schub für die Gemeinschaft der Golfer mit Behinderung.“ Und, fügt er an: „Wir sind wirklich glücklich, bei solchen Events, dabei sein zu können, die echt noch mal eine ganz andere Herausforderung sind, und fühlen uns in der Gesellschaft der Tour-Spieler auch sehr wohl. Die wiederum sind super nett und bestärken uns in unserem Engagement und sportlichem Bemühen.“
Lawlor und G4D-Auftaktsieger Kipp Popert sind die Stars der Szene. Während der kleinwüchsige Branchen-Primus Lawlor 2020 als erster behinderter Golfer überhaupt auf höchster europäischer Ebene mitspielte und bei der UK Championship 2020 in The Belfry den 130. Platz belegte, wird Popert, dessen Geh-Motorik von einer zerebralen Bewegungsstörung beeinträchtigt ist, sowohl im WR4GD (Platz 2 hinter Lawlor) als gleichermaßen in der Amateur-Golfweltrangliste (Rang 4.403) geführt – dank seiner jüngsten Starts bei der englischen und bei der irischen Amateur-Meisterschaft beispielsweise.
„Pur, mächtig lang und in fabelhaftem Zustand“
Trotz seiner großen Erfahrungen auch auf den Top-Golfbühnen ist Lawlor vom Porsche Nord Course, einem der längsten Parcours des europäischen Circuits, ziemlich angetan. „Es ist ein Bonus, so einen unglaublichen Platz spielen zu können: Sehr pur, mächtig lang und in fabelhaftem Zustand. Aber er kann dich auch ganz schnell ganz fies beißen, wenn du die Fairways nicht triffst und aus dem Rough nur seitlich herausschlagen kannst“, urteilte der 25-Jährige, der mit einem Schlag Vorsprung auf Popert und den durch eine Fehlbildung im rechten Bein behinderten Spanier Juan Postigo-Arce als Führender in den zweiten Tag gestartet war.
Am Ende lag Lawlor mit Popert gleichauf (beide bei -1) und verlor das Play-off gegen den Herausforderer schließlich auf dem dritten Extraloch – auch wegen eines zweiten Schlags, der im seitlichen Wasser der 18 landete.
„Ich liebe den Druck“, strahlte Popert bei der Ehrung für seinen zweiten Sieg in Folge, der nicht nur im Stechen mit präzisen Schlägen brilliert hatte. „Es war toll, hier dabei sein zu dürfen. Die Anlage, das Personal, der Turnierdirektor – wir wurden wie Tour-Profis behandelt, einfach unglaublich,“ fand der 24-jährige Engländer hernach ebenso treffliche Komplimente.
Pelleys besonderes Ziel
„Wenn Sie diesen Golfern beim Spielen zuschauen, sprechen Sie sofort von ihren Fähigkeiten und nicht von ihrer Behinderung“, hat Keith Pelley bei der Verkündung der G4D Tour geschwärmt. Ihm ist uneingeschränkt recht zu geben. Lawlor, Popert und Co. zeigten auf den Green Eagle Golf Courses famoses Golf und lieferten wie schon in The Belfry dem British Masters nun für die Porsche European Open ebenfalls einen beeindruckenden Auftakt.
Kein Wunder also, dass der kanadische CEO der European Tour Group für die Golfer mit Behinderung ein besonderes Ziel im Auge hat: „Aus diesem Grund drängen wir darauf“, so Pelley, „dass Golf ins Programm der Paralympics aufgenommen wird.“