Jeder Golf-Club hat seinen Heinz. Stundenlang peitscht er mit dem Driver die Bälle über die Range, verändert die Stellung seiner Füße und Hände, drückt den Pin mal nach vorne, mal zur Mitte und verlagert das Gewicht bis er kaum noch aufrecht stehen kann. Und trotzdem: Weiter als 140, 150 Meter kommt sein Ball nicht. Er stürzt vom Himmel, rollt aus und Heinz schaut kritisch auf seinen Schläger. Er ist sicher, mit dem Driver der neuesten Generation, gestylt von Raumfahrt-Ingenieuren, überprüft in Windkanälen und aus hochwertigstem Material zusammengesetzt, würde er locker die 200-Meter-Marke überbieten.
Längendebatte: Was sagen die Statistiken?
Wenn es so einfach wäre, müssten sich Vorstände von Golfclubs wirklich Sorgen machen und die Fairways verlängern. Tatsächlich schlagen Durchschnittsspieler wie Heinz nicht wirklich weiter als vor zehn Jahren: egal wie modern oder alt das Equipment ist. Dies bestätigen die Statistiker der Firma Arccos. Sie trugen die Daten von mehr als 3,8 Millionen mit den Arccos-Sensoren gespielten Runden von Golfern mit Handicap zwischen 0 und 25 zusammen. Das überraschende Ergebnis: In allen Handicap-Klassen waren die Drives kürzer als in den Jahren zuvor. Ein eindeutiger Beweis, dass die hitzige Debatte über außer Kontrolle geratene Longhitter ein reines Profigolf-Problem ist.
Was sich mit den Beobachtungen von Gregor Tilch deckt, der in seiner Golfschule auf dem Gelände des Berliner Golfclub Stolper Heide diese Erfahrungen sammelte. „Amateure machen keine großen Sprünge.“ Will heißen: Sie schlagen nicht von heute auf morgen plötzlich 30, 40 Meter weiter. Anders sieht es Tilch bei Top-Spielern: Lange Drives sind eine wichtige Fähigkeit im modernen Golf.“ Der Co-Bundestrainer bei den Herren ergänzt: „Es ist Aufgabe der Trainer die Jugendkader entsprechend auszubilden.“
Junge Generation mag die langen Drives
Ähnlich äußert sich Sebastian Holzapfel vom Bundesliga-Golfclub St. Leon-Rot bei Mannheim. Der Head-Coach für die Altersklassen 12 und 14 beobachtet bei den Jugendlichen einen „enormen Spaß“, wenn ihr Ball weit fliegt. „Mehr noch als wenn sie mit dem zweiten Schlag auf dem Grün landen.“ Und 12-jährige Schüler die derzeit schon regelmäßig über 150 Meter weit schlagen, sind für Holzapfel „längst keine Seltenheit mehr.“
Ganz im Norden, im Förde-Golfclub Glücksburg unterrichtet Andrew Cowan, Vater und Haustrainer der Proette Oliva Cowan. Er sieht keinen Boom von kleinen Bryson DeChambeau auf sich zukommen. Vor allem, weil mehr Länge, so Cowan, nur durch mehr athletisches Training und eine höhere Schlägerkopf-Geschwindigkeit erreicht werden kann. „Da trennt sich schnell die Spreu vom Weizen.“
Trainer wie Tilch und Holzapfel, plädieren für den Ausbau von Fairways, wenn möglich mit einer Gesamtlänge von 6800 bis 7000 Metern. „Diese Länge brauchen wir, um Toptalente ausbilden zu können.“ Beiden ist jedoch klar, dass nur die wenigsten Clubs diese Vorgabe erfüllen können. Tilch: „Das gilt vor allem für Clubs die hochkarätige Golf-Turniere ausrichten wollen.“
Die Debatte existiert schon immer
Der Zusammenhang zwischen Länge und Spitzengolf ist schon lange belegt. Tiger Woods dominierte zu Beginn seiner Karriere das Feld mit seinen unglaublichen Drives. Bei seinem Mastersieg 1997 flogen seine Bälle im Durchschnitt 30 Meter weiter als die Bälle seiner Konkurrenten. Heute liegt Woods mit seinen Schlägen nur noch im vorderen Mittelfeld. Doch bereits vor Woods hatte in den Verbänden die Diskussion über die Schlaglängen der Pros begonnen, allerdings bis heute ohne Ergebnis.
Was tun? Die Kritiker fordern für Pros unterschiedliche Equipment-Regeln als für Amateure, wie zum Beispiel schwerere Golfbälle oder veränderte Schläger. Begründung: der Ausbau der Fairways würde Millionen Kosten und die Zahl der Spieler die sich auf diesen Monster-Bahnen mit 6.000 Meter Länge und mehr tummeln werden liegt im Bereich von unter 0,5 Prozent. In diese Kerbe schlägt Christoph Städler, einer der profiliertesten Golf-Designer Deutschlands. Aus seiner Sicht darf die Schere zwischen sehr guten und schwächeren Spielern nicht noch größer werden. Fakt ist, nicht nur für Städtler, dass das Handicap von Durchschnittsgolfern in den letzten Jahren nicht gesunken ist. Für Amateure sei der Sport so schwierig wie schon immer.
Städtler, auch Präsident des EIGCA (European Institut of Golf Course Architects), fordert schwerere Bälle für die Pros und wird dabei vom europäischen Verband unterstützt. „Sie reduzieren die Weiten um 10 bis 15 Prozent.“ Dadurch werde der Platzverbrauch gemindert was auch im Sinne von Golf und Natur sei. Unterstützung erhält Städtler von Rainer Gehring, Geschäftsführer des baden-württembergischen Golfverbandes. Für ihn kommen Verlängerungen von Fairways nicht in Frage. „Sie bringen den Amateur-Golfern nichts.“ Aus diesem Grund sollen künftig die O,5 Prozent Profigolfer mit schwereren Bällen spielen.“
Doch es sind die „entscheidenden O,5 Prozent“, kontert Gregor Tilch, die „große Turniere gewinnen oder Olympia- Medaillen holen und dazu beitragen, den Sport Golf bekannt zu machen.“ Von Sonder-Equipments für Pros hält er gar nichts. „Usain Bolt war der schnellste Sprinter und niemand kam auf die Idee ihm deswegen Bleiplatten an die Füße zu hängen.“ Tilch nennt ein Beispiel: Eine Par-4-Bahn mit 400 Metern bringt Spielern des Nationalkaders nicht viel, weil sie im Regelfall mit zwei Schlägen auf dem Grün seien. Eine taktische Auseinandersetzung mit dem Platz fände nicht statt, betont der Co-Nationaltrainer. „Die gleiche Bahn mit 450 Metern und schon sieht es ganz anders aus.“
Die derzeitige Diskussion zeigt eines. Der Trend „höher, schneller, weiter“ hat den Golfsport längst erreicht. Die Golf-Athleten werden immer kräftiger, fitter, haben bessere Trainingsbedingungen und besseres Material. Was sich auch in vielen anderen Sportarten zeigt, von Biathlon über Basketball bis Fußball, wo inzwischen 16-Jährige in der Bundesliga spielen.