Die alten Kelten sprachen von „uisge beatha“, dem Wasser des Lebens. Gemeint ist – natürlich – Whisky, Schottlands zweitem Geschenk an die Welt. Nach Golf. Und ein Golftrip nach Schottland ohne Besuch einer Whisky-Destillerie und dem einen oder anderen Schluck – das Standardmaß „Dram“ entspricht 25 bis 35 Millilitern – abends an der Bar ist eigentlich undenkbar. Doch es geht noch besser: Nämlich, wenn man bei der Runde auf einem der großartigsten neuen Linkskurse der Welt einen erwiesenen Whisky-Fachmann und leidenschaftlichen Destillateur an der Tasche hat.
Rund zehn Kilometer vom Old Course entfernt
Womit Doug Clement die Szene betritt. Wir stehen am ersten Abschlag der Kingsbarns Golf Links, rund zehn Kilometer vom Home of Golf St. Andrews und dem Old Course entfernt. Hinter dem Clubhaus fließen die makellos manikürten Bahnen an der Nordsee entlang, vor dem Starterhaus begrüßt uns Clement mit kräftigem Handschlag: Er wird an diesem herrlichen Herbsttag, der eher wie Spätsommer daher kommt, unser Caddie sein. Eine Statur von 1,90 Meter, Pudelmütze, stahlblaue Augen, Drei-Tage-Bart, offenes Lächeln.
Nach den ersten Schwüngen, den ersten Ah’s und Oh’s angesichts dessen, was da an Golfplatz vor uns liegt, nachdem sich die erste Aufregung gelegt hat, kommt man zwischen den Schlägen ins Gespräch: Über Land und Leute, die Geschichte von Kingsbarns. Und doch eher per Zufall über Whisky. Aber der Zufall beschert nicht selten die besten Geschichten.
Produktion in Scheune aus dem 18. Jahrhundert
Denn Doug Clement ist nicht „einfach nur“ ein Caddie, sondern auch der Begründer der Kingsbarns Distillery. 2008 hängte er für ein paar Jahre seinen Caddie-Job und die Bags seiner Kunden an den sprichwörtlichen Nagel, widmete sich dem Handwerk der Single-Malt-Herstellung und hauchte einer alten Scheune aus dem 18. Jahrhundert als Produktionsstätte neues Leben ein. Das Gebäude-Ensemble ist sogar vom 14. Grün der Kingsbarns Links aus zu sehen.
Und warum das Ganze? Unser Caddie grinst: „Ich war es leid, auf die Frage meiner Golfer nach der nächstgelegenen Destillerie keine Antwort zu haben.“ Also kratzte er seine Ersparnisse zusammen und gründete seine eigene Brennerei. Freilich, es braucht einen langen Atem, bis das erste Dram aus dem Fass läuft, dessen Provenienz entscheidend für Aroma und Qualität des Whisky ist.
Fässer aus Kentucky-Eichenholz
„Rund 60 Prozent des Geschmacks liefern das Holz und die vorherige Verwendung des Fasses“, verdeutlicht Clement, der unmittelbar nach seinem College-Abschluss 2002 ins Lager der Looper wechselte. Das können ehemalige Portwein- oder Sherry-Fässern sein, in Kingsbarns wird Eichenholz aus Kentucky bevorzugt. Mindestens drei Jahre und einen Tag Fassreife sind gesetzlich vorgeschrieben; viele Destillerien widmen sich daher parallel der Gin-Produktion, um Einkünfte zu generieren.
Doug Clement, dem Autodidakten in Sachen Alkohol, wiederum gelang es, die ortsansässige Adelsfamilie Wemyss für sein Projekt zu gewinnen. So bekam er die finanzielle Unterstützung, „um meinen Traum zu realisieren.“ Rund 4,7 Millionen Euro investierte Familienoberhaupt William Wemyss in das Projekt und arrangierte zudem einen Pachtvertrag über 179 Jahre für das Grundstück mit der Scheune auf dem Gelände der East Newhall Farm; durch staatlicher Fördermittel kam eine knappe Million hinzu.
Schotten oder Iren: Wer hat’s erfunden?
Dabei ist keineswegs sicher, dass die Schotten tatsächlich die Erfinder des Whisky sind. Einerseits spricht die Legende von christlichen Mönchen in Irland, der Nationalheilige St. Patrick beispielsweise; andererseits finden sich Hinweise auf ein gebranntes Alkoholdestillat in schottischen Steuerunterlagen aus dem Jahr 1494, denen zufolge der Benediktiner-Mönch Jon Cor in der Grafschaft Fife – wo auch Kingsbarns liegt – rund 500 Kilogramm Malz zur Herstellung von „aquavite“ (Lebenswasser) gekauft hat.
Tatsächlich bezeichnete Whisky, oder Whiskey in Irland, damals jede Form von Bränden, die als klare Flüssigkeit gewonnen werden und erst durch die Lagerung im Fass ihre Farbe und ihr Aroma gewinnen.
Für Clement, der seinen Namen von einem an der schottischen Küste gestrandeten französischen Seefahrer hat, war es im Dezember 2014 soweit: Das exquisiten Ergebnis seiner Mühen lief aus den Eichenholz-Fässern. Im Jahr drauf produzierte er bereits weit über 100.000 Liter Whisky made in Kingsbarns, aus Clements ehrgeizigem Traum wurde ein profitables Unternehmen.
Neue Leidenschaft für anderes Destillat
Und selbstverständlich stehen die Flaschen mit dem Aufdruck der Kingsbarns Distillery auch auf dem Clubhaus-Tresen der Kingsbarns Golf Links. Clement allerdings hat seinen Anteil am Erfolg vor einigen Jahren an einen begeisterten Golfgast aus den USA verkauft: Er widmet sich seither einem anderen Destillat – Rum.