Der Mann weiß gleich in dreifacher Hinsicht, wovon er spricht: Dr. Stephan Redeker ist Sportmediziner, seit über 20 Jahren Golfer und hat selbst zwei künstliche Knie. „Möglicherweise wird man Einschränkungen haben, aber sowohl Knie- als auch Hüftprothesen und sogar die seltene Schulterprothese machen nicht unmöglich, damit Golf zu spielen“, sagt der Hamburger Orthopäde und Rheumatologe.
Wir lernen uns im Golf Club Föhr kennen, wo Mitglied Redeker im Alter von 75 Jahren auf den drei sehens- und vor allem spielenswerten 9-Loch-Schleifen einen munteren Ball schlägt. „Ich habe meine beiden Implantate innerhalb von drei Monaten bekommen und nach intensivem Reha-Training bereits gute sechs Wochen nach dem zweiten Knie das Golfspiel wieder aufgenommen“, verrät er zwischen zwei Abschlägen. Das sollte jedem Mut machen, dessen Spiel von einer Schädigung des „Articulatio genus“ (lateinisch für Kniegelenk) in die Knie gezwungen wird.
Gelenke werden selten durch Golf geschädigt
Das Kniegelenk und ebenso der gesamte Bereich des Schultergürtels sind von hochkomplexer Mechanik, für den Laien noch mal eine andere Größenordnung als die durchaus einfach nachzuvollziehende Funktionsweise des Hüftgelenks. Nicht von ungefähr wird das Knie gern als Gelenk der Superlative bezeichnet. Daher soll nachfolgend nur streiflichternd und verallgemeinernd auf Probleme und mögliche, auch endoprothetische Lösungen eingegangen werden. Sowieso ist bei allen Fragestellungen die Konsultation eines Arztes unverzichtbar.
Generell gilt, dass „Gelenke selten durch den Freizeitsport Golf geschädigt werden“, betont Redeker, der seine Praxis in Hamburg vor einigen Jahren an die Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Christine Wolff und Dr. Nicolaus Siemssen übergeben hat: „Meistens geht es um Vorschädigungen.“ Hier zuvorderst wieder um die Arthrose, den Verschleiß des Gelenkknorpels als Gleitfläche.
Alles kann lange Zeit konservativ behandelt werden
Er nennt ein Beispiel: „Bei beginnender qualitativer Verschlechterung des Knorpels der Kniescheiben-Rückfläche beginnen die Leute zu schonen. Dadurch wird der innere Oberschenkelmuskel atrophisch, er verkümmert. Und wenn sich also dieser ,Musculus vastus medialis‘ als Teil des Quadrizeps oder Unterschenkelstreckers zurückbildet, verliert man Stabilität und fängt irgendwann zu stolpern an.“
Das ist allerdings noch kein Grund, sich unters Messer zu legen. Redeker, der gleichermaßen als Osteologe und Chirotherapeut tätig war und immer noch temporär als Rheumatologe und Kinderorthopäde praktiziert: „Jede Schulter, jedes Knie, jede Hüfte kann eine lange Zeit konservativ behandelt werden.“ Sowieso hilft rechtzeitiges Training – nicht erst, wenn ein Implantat eingesetzt und der Patient wiederhergestellt werden muss.
Aufwärmen und Dehnen sind das A und O
Bewegen, bewegen, bewegen lautet die Devise. Sitzen ist ja bekanntlich das neue Rauchen. Womit wir bei den typischen Schulterproblemen von Schreibtischtätern sind. Nach Stunden vor dem Computer hastet man auf die Driving Range oder auf den Platz, um wenigstens schnell noch ein paar Bälle fliegen zu lassen; vor lauter Eile wärmt man sich nicht richtig auf, dehnt sich nicht ausreichend.
Jetzt kommt der Mediziner zu Wort. „Durch die Sitzposition an der Tastatur ist die Schultermuskulatur verkürzt und dadurch ebenso die obere Brustmuskulatur.“ Das lässt sich beim Schreiben dieser Zeilen gerade mühelos nachvollziehen.
Die Sache mit dem Impingement
„Wegen dieser Verkürzungen“, so Redeker weiter, „wird der Oberarmkopf, das obere Ende des Oberarmknochens, nach vorn und nach oben gezogen. Die Lücke zwischen dem knöchernen Schulterdach und dem Oberarmkopf wird zu eng. Wenn man das nicht mit ausgiebiger Dehnung immer wieder auflöst, entsteht durch das Schwingen des Schlägers oder erst recht, wenn man hackt, ein unglaublicher Stress zumindest auf Teile der Rotatorenmanschette.“
Das kann bis zum Impingement führen, zu einer schmerzhaft eingeklemmten Sehne; darüber hinaus zurBewegungseinschränkung der Schulter und zur Bildung eines Schleimbeutels. Soweit freilich muss es nicht kommen. „Man kann alles auf eine Notwendigkeit runterbrechen“, sagt Redeker: „Du musst dich dehnen!“
Muskuläre Führung des Knies extrem wichtig
Konservative Behandlungsmethoden für die ge- oder überreizte Sehne sind lokale Injektionen (auch einmalig mit Kortison), um den Reiz zu minimieren und die Gleitfähigkeit zu verbessern; intensive Physiotherapie, um den Schultergürtel und die Brustmuskulatur so zu mobilisieren, dass besagter Oberarmkopf sich wieder absenkt und die Lücke zum Schulterdach wieder frei wird; schließlich eine Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT/als „IGeL“ von den Krankenkassen nicht leistungspflichtig), bei der Kalkablagerungen am Ansatz der Sehne mittels hochenergetischem Ultraschall beseitigt werden können. Fragen Sie den Arzt Ihres Vertrauens.
Der primär konservative Ansatz gilt auch fürs Knie. Extrem wichtig ist die muskuläre Führung, um das Gelenk zu entlasten.
Schlittenprothese auf geschädigte Knochenoberfläche
Während eine Endoprothese des Schultergelenks schon eine Riesensache ist, gehören die künstlichen Kniegelenke längst zum Einmaleins der orthopädischen Chirurgie. Sofern die Seiten- und Kreuzbänder intakt sind, kommt für das Roll-Gleit-Gelenk ein Implantat mit dem Ersatz des Oberflächenknorpels (Schlittenprothese) infrage. Die Elemente der Prothese werden auf die geschädigte Knochenoberfläche von Oberschenkelknochen (Femur) und Schienbein (Tibia) sowie auf das Kniescheibenlager platziert.
Nach acht bis zwölf Wochen wieder fit für Golf
In der Regel dürfte das neue Knie nach acht bis zwölf Wochen fürs Golfspiel wieder einsatzbereit sein, entsprechend engagierte Reha vorausgesetzt.Um als Rechtshänder den Rotationsstress insbesondere auf das linke Knie zu mindern, ist beim Schwung anzuraten, den linken Fuß um 20 Grad nach außen zu positionieren.
Die Totalendoprothese des Knies, die bei Verlust der Kreuz- und Seitenbänder oder bei massiver Achsabweichung beim X- oder O-Bein in Frage kommt, besteht aus einem Implantat für den Oberschenkelknochen sowie einer Prothesenkomponente für den Unterschenkel – und erlaubt wenig Rotation, dies sei der Vollständigkeit halber angemerkt.
Eine solche Prothese ist laut Redeker für Golfer „sehr problematisch, da sich der Prothesenhals im Knochenmarksraum durch die wiederkehrende Rotation des Unterschenkels gegen den Oberschenkel lockern kann“. Hier sind wirklich der gute Pro und die Abstimmung mit dem Orthopäden gefordert, um risikominimiertes Golfen zu ermöglichen; ein um 45 Grad geöffneter Stand des vorderen Fußes ist auf jeden Fall unabdingbar.
Leichtes Spiel dank schmerzfreier Bewegung
Vor geraumer Zeit hat sich übrigens eine britische Studie mit der Wechselwirkung von Golf und künstlichen Kniegelenken beschäftigt, es wurden 209 Patienten mit insgesamt 299 Prothesen interviewt. Mehr als 190 Befragte (92,8 Prozent) berichteten, dass ihnen ihr Spiel signifikant leichter fällt und deutlich mehr Genuss bereitet – allein, weil sie wieder schmerzfrei laufen können. Wie gesagt, durch Knieprobleme muss sich ein Golfer beileibe nicht in die Knie zwingen lassen …