Die Antwort auf obige Frage lautet schlichtweg: Ja!
Im April vergangenen Jahres beklagte sich Martin Kaymer in einem Interview mit dem Magazin Der Spiegel über das veraltete Image des Golfsports in Deutschland, der sich einem breiteren Publikum öffnen müsse. In England habe er mit Freunden privat gespielt: „In kurzen Hosen und Sandalen, zwischendurch ein Bier. Hat total Spaß gemacht!“ Aber „viele deutsche Plätze darf man leider nicht in Jeans betreten – Schwachsinn!”.
Ein bisschen an die eigene Nase fassen
Vielleicht war‘s ein „Public Course“, England ist halt nicht Deutschland. Vielleicht hat auch der Majorsieger-Name etwas geholfen. Man weiß es nicht. Und im Prinzip hat Kaymer ja recht. Vor allem in Sachen „veraltetes Image“ und „sich einem breiteren Publikum öffnen“. Aber, Hand aufs Herz, müssen sich unsere Golf-Asse nicht auch ein bisschen an die eigene Nase fassen? Wer, wenn nicht sie, könnte dem wunderbaren und für den Außenstehenden so schwierig nachzuvollziehenden Spiel einen Guss aus dem Jungbrunnen verschaffen!
Nutzung von Popularität
Zugangsbeschränkungen und überkomplizierte Regeln hin, verkrustete Strukturen und Wandel der Freizeitkultur her: Woanders schaffen sie‘s doch auch! Nick Faldo – mit Gruß an Bernhard Langer– oder Darren Clarke haben in Großbritannien ihre Nachwuchs-Akademien und -Serien, Miguel Ángel Jiménez und José María Olazábal in Spanien. Lee Westwood hat seinen Hauptwohnsitz in den USA und schaut trotzdem gelegentlich, aber publikumswirksam in seiner Talentschmiede vorbei.
Andere wie Graeme McDowell gründen Stiftungen zur Jugendförderung, etablieren Golf-Internate oder reanimieren das Caddie-Prinzip, eine Win-Win-Situation für Sport und Gemeinwesen, die schon in der Vergangenheit soziale und sportliche Früchte getragen, außerdem große Golfer hervorgebracht hat. Und der Fußballfan Sergio Garcia ist Präsident des CF Borriol. Was jetzt nichts direkt mit Golf zu tun hat,aber den Kern des Anliegens sehr konkret erfasst: Nutzung von Popularität, Schaffung von Wechselwirkungen.
Golf in den Alltag der Gesellschaft tragen
Das Spiel muss seine soziale Enklave verlassen. Es geht darum, etwas zu initiieren, sich zu engagieren, Golf wahrnehmbarer zu machen.
Niemand verlangt von Kaymer & Co., dass sie dafür den öffentlichen Grüßaugust machen oder zum Selbstdarsteller mutieren. Jeder nach seiner Façon, selbstverständlich. Aber derzeit passiert gar nichts, wenn nicht ein Sponsor mit den PR-Klauseln im Vertrag oder mit der Schatulle winkt! Für berichtende Medien ist es äußerst schwierig, einen Kontakt herzustellen, Interviews oder nur Zitate zu bekommen. Dabei geht es doch um ihre Sportart und die Bekanntheitswerte, vor allem bei Kaymer, sind mehr als ordentlich. Der Name zieht doch!
Um allen Entgegnungen zuvor zu kommen: Ohne die, ja vielleicht, Kernsanierung der Rahmenbedingungen zugunsten einer Entwicklung als Breitensport wird das ein frommer Wunsch bleiben. Die Stichworte sind bekannt: Einstiegsmöglichkeiten, Platzreife, Zeitaufwand, Handicap-System, Hologramm-Kastenordnung, Image, öffentliche Akzeptanz und und und …
Für eine deutsche Vision Golf
Aber wer für die olympische Vision Gold gemeinsame Sache macht, Verband und Athleten nämlich, der findet vielleicht auch Zeit für einen Dialog in Sachen deutsche Vision Golf. Um das Spiel als selbstverständliches Kulturgut in den Alltag der Gesellschaft zu tragen. Hier sind alle gefordert: Dach- und Landesverbände, Clubs und Betreiber, die Golfer selbst – und auch die Athleten.
An der grundsätzlichen Bereitschaft wird‘s vermutlich nicht liegen. Eher an der bisherigen Distanz von Funktionärsbetrieb und sportlicher Ich-AG. Oder doch am Willen? Dann darf man aber auch nicht meckern!