Telefonate fangen meist freundlich an. So auch in diesem Fall. „Können Sie mir eine Verbindung zur Golf-Nationalmannschaft herstellen“, lautet die Frage an den zuständigen Pressestabsoffizier der Bundeswehr. …Schweigen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, plötzlich die Gegenfrage: „Wer behauptet, dass die Bundeswehr eine Golf-Nationalmannschaft hat.“ Es war deutlich zu spüren. Dem Oberstleutnant am anderen Ende der Telefonleitung fällt es scheinbar schwer sich Bundeswehr-Soldaten im Flecktarn auf einer Driving-Range vorzustellen. Und schon gar nicht eine Golf-Nationalmannschaft. „Sie wollen mich auf den Arm nehmen?“ Ganz im Gegensteil! Golf wird immer beliebter in der Marine, bei Luftwaffe und Heer. Doch die Tarnkappe vor den Spielern und Spielerinnen der Golf-Nationalmannschaft scheint dichter gewebt zu sein als bei den geheimnisvollen Kommando-Soldaten der Kampfschwimmer aus Eckernförde oder des KSK-Kommandos aus Calw.
Jung-Profis als Kern der Mannschaft
Zur Bundeswehr-Golf-Nationalmannschaft zählen derzeit 38 Spielerinnen und Spieler, die täglich ihren Dienst in der Bundeswehr erfüllen als Infanteriesoldaten, Panzerkommandanten, Ärzte, Piloten oder Kompanie-Chefs. Gleichzeitig sind die Gefreiten, Unteroffiziere und Offiziere erstklassige Golfer mit Handicaps von mindestens +3. Die Mehrzahl dieser Golfer spiel in ihrer Freizeit in den Top-Ligen des deutschen Golfverbandes. Dazu kommen Sportsoldaten wie Timo Vahlenkamp vom Golfclub Berlin-Stolpe, Nick Bachem (Marienburger Golf-Club) oder Jannik de Bruyn (Golfclub Hösel) die freigestellt sind vom Militärdienst. So können sie sich auf ihren Sport konzentrieren, subventioniert von der Bundeswehr.
Die Jung-Profis bildeten den Kern der Mannschaft, die an der letzten Military-Golf-Weltmeisterschaften des Conseil International du Sport Militaire (CISM) teilgenommen haben. „Und zwar erfolgreich“, wie Oberstabsfeldwebel Michael Grunschel stolz hervorhebt. Das Bundeswehr-Team ist der aktuelle Militär-Golf-Weltmeister. Im Vierjahreszyklus werden im CISM die Militärgolf-Weltmeisterschaften ausgetragen. In den ersten drei Jahren jeweils Militär-Weltmeisterschaften und/oder Kontinentalmeisterschaften. Im vierten Jahr stehen die Military World Games an, bei der sich alle Militärsportler in ihren Sportarten zu einer Art „Olympia der Soldaten“ treffen. Zum ersten Mal wurde 2018 die Golf-Weltmeisterschaft in Deutschland ausgetragen. Über 100 Soldaten aus über 14 Ländern traten im Golf-Club Münster-Tinnen an. Schirmherr: der inzwischen verstorbene Gründungsvater des deutschen militärischen Golfablegers, Generalleutnant Dieter Warnecke.
Seit 2005: Golf bei der Bundeswehr
Die Geschichte der militärischen Golf-Nationalmannschaft ist jung. 2005, so wird erzählt, spielte General Warnecke Golf mit ausländischen Kollegen. Der Heeres-General, ein leidenschaftlicher Golfer, soll bei der Runde erstmals von den Golf-Militär-Meisterschaften erfahren haben. Noch im gleichen Jahr wurde das Golf-Nationalteam gegründet. 2006 dann die erstmalige Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Irland und gleich ein zweiter Platz im Endklassement. Insgesamt standen die Bundeswehr-Golfer bei Welt- und Europameisterschaften inzwischen fünfmal auf dem Podest. Dazu kommen gute Top-Platzierungen in den Einzeln. Stärkster Gegner ist die amerikanische Auswahl, gefolgt von Brasilien und Frankreich. Vahlenkamp: „Alle Teams haben Spitzenleute.“
Teamchef Michael Grunschel steuert von der Bonner Hardthöhe des Verteidigungsministeriums sein Golf-Team, das über die gesamte Bundesrepublik verteilt ist. Beispielsweise einen Oberfeldwebel Nicklas Starcevi. Der Portepee-Unteroffizier ist Ladungsmeister des Transport-Flugzeuges, Typ A 400. In seiner Freizeit trainiert er im Golfclub Hannover und spielt dort in der ersten Bundesliga. Derzeitiges Handicap: -2,6. Weitere Mitglieder des Golfteams spielen in Essen, Köln, Ulm, Berlin, Eckenförde oder Hamburg: alle in ihren Clubs, mit eigenen Trainern und auf eigene Kosten. Ein Meisterschaftsteam besteht aus sechs Männern und drei Frauen, jeweils in getrennten Wertungen. Bei den Spielern werden die vier besten und bei den Damen die zwei besten Ergebnisse für die Mannschaftswertung erfasst sowie für die Einzelwertung.
Sport-Förderung für junge Golfer
Die Mannschaft ist ein Mix aus sehr guten Amateuren und jungen Profi-Golfern wie Timo Vahlenkamp. Der 23-Jährige ist seit sieben Jahren Sport-Soldat. Weil der Stabsunteroffizier der Luftwaffe in diesem Jahr die volle Spielberechtigung für die European Challenge Tour hat, will er sich künftig auf seine Profi-Karriere konzentrieren. „Ende des Jahres werde ich vermutlich ausscheiden.“ Er folgt damit Nick Bachem (Challenge Tour) und Jannik De Bruyn (Pro Golf Tour). Alle drei gehören auch zur Nationalmannschaft des deutschen Golfverbandes. Oberstabsfeldwebel Grunschel schränkt ein: „Nur circa zehn Prozent unseres Gesamtkaders sind Profis.“ Derzeit gibt es vier Plätze für ambitionierte junge Golfer in der Sport-Fördergruppe. Voraussetzung: Top-Leistungen in den DGV-Bundesligen und auf internationalen Turnieren.
Vahlenkamp ist derzeit in der Sportkompanie der Bundeswehr in Warendorf stationiert. Hier spielt er auf den umliegenden Golfplätzen und in seinem Heimatclub Stolper Heide in Berlin. Dort trainiert er auch mit dem Co-Bundestrainer Gregor Tilch, der die Golfplätze in der Sportkompanie lobt, „vor allem für Spieler, die nicht auf ein amerikanisches College wechseln wollen oder können. Nicht jeder passt auf ein College.“ Der Sportsoldat hat die Entscheidung zur Bundeswehr „nie bereut“, sagt er und lobt die große Unterstützung, die er erhält, um sich ausschließlich auf Golf konzentrieren zu können. „Mir fehlt es an nichts.“ Ähnlich äußerte sich Nick Bachem in einem Zeitschriften-Interview. Er freue sich, so Bachem, Mitglied in der Sportförderkompanie der Bundeswehr zu sein, „weil es mich … optimal finanziell absichert, solange ich mehr Kosten produziere als Einnahmen.“ Ähnlich sieht es Vahlenkamp, der die Preisgelder behalten darf, aber dafür die Kosten für die Teilnahme an Profi-Turnieren selbst zahlen muss. So bietet ihm sein Gehalt als Stabsunteroffizier eine solide Grundlage für das Leben außerhalb des Golfplatzes.
"Der Einsatz geht vor"
Morgens schießen, nachmittags putten? “Nichts davon trifft zu,“ sagt Vahlenkamp und lacht über diese Vorstellung. Höchstens zweimal im Jahr müssen die Mitglieder der Sportkompanie auf die Schießbahn oder alternativ über den Hindernissparcour. Ansonsten ist er sich selbst überlassen. Er muss nicht einmal in der Kaserne wohnen.
Zwei, dreimal im Jahr oder vor wichtigen Turnieren zieht Teamchef Grunschel die Spieler in Trainingslagern oder Lehrgängen zusammen. Alle kommen nie. „Der Einsatz geht vor.“ Heißt: Ist ein Soldat in Mali oder früher in Afghanistan im Einsatz, dann bleibt er dort, ganz gleich welcher Golf-Wettbewerb ansteht. Das ist in anderen Armeen anders. Grunschel: „Wir nehmen Privatwagen, Zug und nur wenn es sein muss, fliegen wir.“ Geschlafen wird grundsätzlich in Kasernen.
Die Zeiten, als Golf spielen in der Bundeswehr noch karriereschädigend sein konnte, sind vorbei. Grunschel: „Wir werden höchstens noch belächelt.“ Inzwischen hat jede Teilstreitkraft jährlich mindestens ein eigenes Turnier. Die Marine (Navy-Cup) in Wilhelmshaven, der Pokal des stellvertretenden Generalinspekteurs in Berlin-Gatow, der Cup der Pioniere, die Medical Command Trophy des Sanitätsdienstes und die Helix-Trophäe der Heeresflieger in Bückeburg sind nur einige Beispiele für die steigende Beliebtheit von Golf in der Bundeswehr. Wie sehr der Golfsport bei den Angehörigen der Bundeswehr beliebt ist, zeigt außerdem die Website www.golf-bundeswehr.de. Auf dieser Seite sind unter anderem alle Bundeswehr-Turniere aufgeführt sind. Davon viele auch frei für Zivilisten.