Golf ist ein Sport, wer weiß das nicht, der zuvorderst im Oberstübchen und dann erst auf dem Platz gespielt wird. Oder wie es Ben Crenshaw mal formuliert hat: „Ich war nur ein paar Zentimeter davon entfernt, ein herausragender Golfer zu werden, nämlich um die Distanz zwischen meinem linken und meinem rechten Ohr.“ Ziemlich folgerichtig füllen Abhandlungen, Tipps und Coachings zur mentalen Herangehens- und Wirkweise ganze Bibliotheken, und die Eingabe „golf mental“ bei Google fördert mehr als 131 Millionen Suchergebnisse zutage. Was freilich ein wenig zu kurz gerät: Die Psyche beeinflusst nicht nur das Spiel und die Ergebnisse, umgekehrt wirkt Golf auch Wunder für die mentale Gesundheit!
Gesunder Geist in gesundem Körper
Dr. Andrew Murray, Leiter des „Golf & Health Project“ der Universität von Edinburgh, hat festgestellt – wie zahlreiche andere Untersuchungen auch –, dass Golf nicht nur die Lebenserwartung steigere und Vorsorge wie Behandlung von mehr als 40 wichtigen chronischen Erkrankungen unterstütze, sondern überdies bei psychiatrischen Befunden wie Depressionen und Demenz helfe und schlichtweg das Wohlbefinden und damit die Gesundheit erhöhe. Die mentale Komponente wirkt auf die Konstitution. Und umgekehrt. Mens sana in corpore sano, ein gesunder Geist in einem gesunden Körper: Das bedingt sich wechselseitig.
Die Ursachen sind ebenso naheliegend wie einleuchtend. „Golf ist ein Denksport bei moderater und damit gesunder körperlicher Bewegung an der frischen Luft und im Grünen – und das über mehrere Stunden. Besser geht‘s nicht,“ weiß Andrea S. Klahre (Hamburg), die sich als Gesundheitstherapeutin und Präventionscoach mit dem Zusammenspiel von Körper und Kopf befasst.
Pures Zen
Für die Therapeutin ist das Spiel jenseits seiner „schwungtechnischen, anatomischen, physiologischen und auch präventiven Aspekte“ pures Zen, ein Zustand meditativer Versenkung. Klahre: „Golf, allein gespielt, ist eine Art Bewegungsmeditation und verändert wie Sitzmeditation die Hirnströme in Zentren, die für die Aufmerksamkeitsleistungen und die Fähigkeit zur Stressbewältigung zuständig sind. Daneben wird das vegetative Nervensystem reguliert, im Sinne einer Entspannungsreaktion.“
Genau dieses Zusammenspiel von Beweglichkeit, Ausdauer und Aufmerksamkeit macht Golf zur idealen Trainings- und Betätigungsform: als Stressregulierung, bei Erschöpfungssyndromen, begleitend bei leichten bis mittelgradigen Depressionen, in den Wechseljahren und und und… Oder schlicht als Schule zur Konzentration, „sofern parallel das ganzheitliche Gesundheitsbewusstsein gefördert werden kann,“ sagt Klahre. Selbst die Schlafqualität wird positiv beeinflusst, wie der österreichische Kardiologe, Sportmediziner und Hobby-Golfer Prof. Dr. Peter Lechleitner in einer offenen Studie ermittelt hat.
Emotionale Stabilität
„Es zeigt sich einfach, dass golfspielen, zumal in einer natürlichen Umgebung, das kognitive, emotionale, spirituelle und subjektive Wohlbefinden verbessert“, unterstreicht auch Dr. Mark Campbell, Sportpsychologe an der Universität von Limerick in Irland. „Als anspruchsvoller Sport verlangt Golf permanent Planung, Entscheidungen und die präzise Ausführung komplexer Bewegungen. Dafür muss man ein effektives Selbstmanagement entwickeln, das wiederum größerer emotionaler Stabilität und mentaler Reife förderlich ist.“
Es ist das Spielerische am Golf, das wie Balsam wirkt. „Wer spielt, entzieht sich der Vernunft, versenkt sich in den Augenblick, ist vollkommen konzentriert und klärt auf diese Weise den Kopf vom Wildwuchs der Gedanken und Gefühle“, verdeutlicht Präventologin Klahre. „Die Gedanken können ,ankern‘, die Atmung wird tiefer.“
Perfekter Sport für Hirn, Herz und Seele
Vorausgesetzt, der Ausübende ist ein „Homo Ludens“, ein spielender Mensch, und unterliegt weder der grassierenden Handicap-Hybris und stresst sich und sein Umfeld bei jedem nicht ganz wunschgemäßen Schlag mit wüster Flucherei, noch müht er sich brachial zu einem Schwung, der vielleicht ein paar Meter, aber vor allem Rücken- und Schulterprobleme bringt, weil er nicht zur Physis und Körpergeometrie passt – Tiger Woods mit seiner Leidensgeschichte lässt grüßen. „Gesundes Golfen hat nichts mit der Jagd nach einem besseren Handicap zu tun, sondern ist das Streben nach einem individuellen, aber auch gesunden Golfschwung,“ hat Prof. Dr. Eduard David, Physiologe an der Privatuniversität Witten-Herdecke schon vor Jahren gesagt.
Mehr als jede andere Sportart eignet sich Golf bei angemessener Ausübung für Jedermann, ob jung oder alt. Und bei einem optimalen Zusammenspiel ist das Spiel der perfekte Sport für Hirn, Herz, Seele und alle anderen Systeme. Golf sollte es auf Rezept geben!