Golf und Etikette - so mancher Golfer scheint davon immer mehr Abstand zu nehmen. Auf einer Golfreise nach Portugal haben sich mir kürzlich eine Reihe skurriler Erlebnisse geboten: Zu den kleineren Ungereimtheiten zählte, wenn jemand einen provisorischen Ball abschlug, noch bevor alle Spieler des Flights ihren eigenen Ball ins Spiel gebracht hatten. Auch das Jubeln für einen gelochten Putt oder das laute Fluchen bei einem missglückten Schlag schienen meiner Heimat Deutschland gar nicht so fern.
Wir mussten an jedem Loch warten, da der vorausgehende Flight sehr langsam war. Dann zog einer dieser Spieler seinen Trolley kurzerhand über das Grün, um den Weg zum nächsten Abschlag abzukürzen. Meine Verwunderung erklomm den Gipfel, als der Ranger einfach an der Situation vorbeifuhr. Nun denn, schwor ich mir, ich werde mich nicht ärgern und die Konzentration auf mein Spiel halten. Diese war schließlich dahin, als der Flight vor uns begann, Erinnerungsfotos zu knipsen - natürlich auf dem Grün, Fahne mittig, vier Flightpartner, vier Motive. Meine Muskeln waren kalt, mein Spielfluss dahin.
Etikette ist ganz einfach
„Das Verhalten auf dem Golfplatz ist ein Spiegel des täglichen Lebens", erklärt Mathias Probst, Clubmanager beim Golfclub Sagmühle in Bad Griesbach. "So zu spielen, dass Rücksichtnahme und Mitdenken die Runde begleiten, macht die Etikette eigentlich ganz einfach.“ Demnach müsste man sich auf dem Golfplatz eigentlich nur auf den eigenen wie den gesunden Menschenverstand der anderen verlassen und alle würden glücklich.
Leider sind aber Etikettenverstöße, wie zum Beispiel das Slowplay, noch viel zu oft ein Problem, findet auch Mathias Probst, Leiter der Golfschule in Bad Griesbach, und fordert: "Für ein zügiges Spiel ist beispielsweise das Abstellen der Tasche am richtigen Ort wichtig, um schnell voran zu kommen. Jeder Golfer sollte diese zeitsparenden 'Kniffe' kennen“, so Probst.
"Neulinge halten sich am ehesten an die Etikette"
Auch Marc zur Nieden, Spielleiter und ausgebildeter Pro, findet, dass das Tempo des Spiels Priorität hat; das merke er immer wieder, wenn er bei Turnieren auf dem Hamburger Gut Kaden über den Platz fährt: „Das ist weltweit ein großes Problem, dass die Runden zu lange dauern“, erläutert er. „Nach meiner Beobachtung halten sich aber eher die Neulinge an die Etikette“, schätzt Marc zur Nieden.
Golf-Etikette gehört zur Regelkunde
Die Etikette gehört im Grunde fest zur Regelkunde und sollte in allen Golfclubs vermittelt werden, schließlich sind die Golfregeln ein Teil der Platzreifeprüfung. So ist es zumindest in der vom DGV entworfenen DGV-Platzreifeprüfung festgelegt, der sich 650 deutsche Clubs angeschlossen haben. „Die DGV-Platzreife besteht aus einem praktischen, theoretischen und dem Teil Verhalten auf dem Platz“, so Britta Braxmann, zuständig für Regeln und Regularien beim DGV. „Denn Golf ist kein Schaufensterbummel.“
Der Deutsche Golf Verband (DGV) überlegt seit einiger Zeit, ob er sein Modell der Platzreife abschafft, um Platz für die von den Clubs entworfenen Platzreifeprüfungen zu machen. Daraufhin ist mehrfach auch die Frage aufgeworfen worden, ob die Platzreife ganz abgeschafft werden könne - andere Länder wie die USA kämen schließlich auch ohne den "Golf-Führerschein" aus. Der Clubmanager von Sagmühle, Mathias Probst, ist sich jedoch sicher: „In Deutschland kann es ohne Platzreife nicht gehen.“
Regeln, Etikette, Nettikette
Gewusst wie ist immer besser. Der Royal and Ancient Golf Club in St Andrews hat dafür ein ganz simples Rezept: "Spiele den Ball, wie er liegt, spiele den Platz, wie du ihn vorfindest und wenn beides nicht geht, tue, was fair ist. Um zu wissen, was fair ist, musst du jedoch die Golfregeln beherrschen."
Zu den Golfregeln gehört die Etikette unweigerlich dazu, deshalb ist es nur sportlich und fair, sich immer daran zu halten. Von einem reibungslosen Spielverlauf auf dem Golfplatz profitiert letztlich jeder in gleichem Maße - und genau dafür ist sie da.
Ich möchte nicht auf die Etikette verzichten, denn das Gros der Regeln gilt ja zunächst einmal Sicherheit und Fairness. Ganz im Gegenteil: ich würde mir wünschen, dass bei den Platzreifeprüfungen noch viel mehr Betonung darauf läge.
Zudem muss ich sagen, dass einer der Gründe, warum ich das Golfen liebe, darin besteht, dass sich die Menschen auf die man dabei trifft, in der Regel erheblich besser benehmen als die, die man bei anderen Gelegenheiten (und Sportarten) antrifft.