Seit Jahren kämpft Thomas Björn mit Depressionen. Selbst in seiner Zeit als Kapitän des siegreichen europäischen Ryder-Cup-Teams von Paris war er vor mentalen Problemen nicht gefeit. In dem Buch "Mind Game", das er gemeinsam mit Michael Calvin schrieb, erkundet Björn die mentalen Seiten des Golfspiels, auch die dunklen, basierend auf seinen eigenen Erfahrungen und dem seines Ryder-Cup-Teams. Im Interview mit der britischen Zeitung The Guardian sprach er über seine ganz persönlichen mentalen Kämpfe.
Thomas Björn: "Ich wollte morgens eigentlich gar nicht aufstehen"
"Ich war nahe dran, den Sport aufzugeben. Als es am schlimmsten war wollte ich morgens eigentlich gar nicht aufstehen", erzählte der Däne von seinen Depressionen. "Das passiert, weil die Probleme, die man in seinem Kopf sieht so viel größer scheinen, als sie in Wirklichkeit sind. Sie übernehmen deinen Geist." Besonders als junger Mann schiebe man seine Gefühle häufig so lange beiseite, bis es nicht mehr geht. "Irgendwann habe ich realisiert, dass ich alles raus lassen musste."
"Du musst Verantwortung für das übernehmen, was du denkst. Es ist, wie wenn man das Rauchen aufgeben will. Wenn man das nicht möchte, kann man noch so viel Hilfe haben, es bringt nichts. Man muss es wollen. Mein Werkzeug war, Gespräche mit mir selbst im Spiegel zu führen." Offen und ehrlich habe er dabei mit sich sein müssen und sich konkreten Fragen stellen müssen: "Warum weinst du? Warum setzt du dich diesen Schmerzen aus? Warum spielst du dieses Spiel? Willst du wirklich weiter machen?"
"Ich hätte mich am liebsten vor der Welt versteckt."
"Ich hatte eine Saison, in der ich nicht einmal das Bett verlassen wollte. Ich hatte Kinder, also musste ich. Aber ich hätte mich am liebsten vor der Welt versteckt - und vor meinem Leben. Das war ungefähr 2004. Dann kam eine bessere Zeit, aber es kam um 2010 wieder. Das erste Mal dauerte es lange, weil man der Wahrheit aus dem Weg geht und versucht Abkürzungen zu nehmen." Es sei einfacher gewesen, das zweite Mal damit umzugehen, weil er empfänglicher dafür war, wie er sich selbst wieder aufbauen musste, so Björn.
"Wenn man wieder anfängt abzurutschen ist es wichtig, sich daran zu erinnern, wie man das letzte Mal da raus gekommen ist. Es wird einfacher, wenn man älter wird. Deshalb müssen wir viel mehr über die mentale Gesundheit junger Menschen reden", fordert der 48-Jährige. "Wenn man älter ist und bereits zwei, drei Mal mit dieser Situation umgehen musste, ist es einfacher, die Warnhinweise zu erkennen."
Die dunkle Seite des Sports
Doch gerade Golf sei ein Sport, der es einem besonders schwer mache, mit diesen mentalen Problemen umzugehen. "Der Gang bis zum nächsten Schlag verschafft einem so viel Zeit. Man denkt zu viel über die Konsequenzen nach." Das habe er auch in seiner Zeit als Ryder-Cup-Kapitän gespürt. "Ich den ersten sechs Monaten hatte ich alles unter Kontrolle. Aber dann hatte ich zu viel Zeit, an mir selbst zu zweifeln. Über-Analysieren kann, im Sport wie auch im Leben, zu negativen Gedanken führen. Ein überaktives Gehirn ist nicht gut für Sport. Man gerät leicht in eine Abwärtsspirale." Im Golfsport ist Björn nicht der einzige, der mit Depressionen zu kämpfen hat. Auch Henrik Stenson litt beispielsweise lange unter ähnlichen Probleme.
"Das zeigt, wie sehr unser Geist unser Leben formt. Sportler haben das Privileg eines guten Lebens. Aber das bedeutet nicht, dass ihre mentale Gesundheit nicht darunter leiden kann", weiß Björn. "Sie werden wieder und wieder in Drucksituationen gebracht - das kann soweit gehen, bis sie damit nicht mehr umgehen können. Das ist die dunkle Seite des Sports."
Im Hinblick auf Krisensituationen und mentale Gesundheit sei Tiger Woods' Sieg beim Masters 2019 besonders wichtig gewesen. "Die größte Ikone, die dieser Sport je hatte, ist aus dem dunkelsten Ort wieder auferstanden. Dabei ging es nicht um Golf. Es ging um ein menschliches Wesen, dass sich aus dem tiefsten Tiefpunkt befreit hat. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie schwer einige dieser Momente für Tiger waren."
Noch hat Björn selbst keine Pläne, den Golfsport aufzugeben. "Früher habe ich Golf die Schuld dafür gegeben, wie ich mich fühle. Man fängt an Golf zu hassen, weil es einfach ist, jemand anderem die Schuld zu geben. Aber es ist dein Leben und du kannst es ändern. Es ist nicht die Schuld des Sports. Ich bin glücklich, dass ich einen Weg gefunden habe, das Spiel und das Leben wieder zu lieben."