Die vermutlich frühesten Aufzeichnungen über ein Handicap-System hielt Thomas Kincaid fest. Er notierte im späten 17. Jahrhundert in seinem Tagebuch wie das Golfspiel mit anderen vergleichbar gemacht werden könnte. Dabei nutzte er den Begriff „Handicap“ allerdings noch nicht. Kincaid studierte Medizin in Schottland. Dort war das Golfspiel unter den Chirurgen von Edinburgh traditionell weit verbreitet.
Der Begriff „Handicap“ fand erst zwei Jahrhunderte später Einzug in das Vokabular der Golfer des 19. Jahrhunderts. Damals wurden die Anzahl der Schläge pro Loch noch unter den Konkurrenten ausgehandelt. Das „The Golfer's Manual“, des Schriftstellers Henry Brougham Farnie von 1857 enthält erste Beispiele dafür wie die vereinbarten Bedingungen genannt wurden: "third one" (ein Schlag alle drei Löcher), "half one" (ein Schlag alle zwei Löcher), "one more" (ein Schlag pro Loch) und "two more" (zwei Schläge pro Loch).
Ende des 19. Jahrhunderts ermittelte man in England und Schottland die Differenz zwischen dem Durchschnitt der drei besten Scores des Jahres und Par. Dies entwickelte sich zur am weitesten verbreiteten Methode der Handicap-Berechnung.
Doch mit der Zeit wuchs die Unzufriedenheit mit dem System, da der Durchschnitt nur aus den besten drei Scores eines Jahres das individuelle Spiel unverhältnismäßig gut darstellte und einen Vergleich erschwerte. Zudem wurden die unterschiedlichen Schwierigkeiten der verschiedenen Golfplätze nur mangelhaft berücksichtigt, was der Vergleichbarkeit des Handicaps weiter abträglich war.
Beginne beim Damen-Golf
Ein Vorreiter war diesbezüglich die „Ladies Golf Union“ (LGU), die seit ihrer Gründung 1893 an einer Standardisierung und Vergleichbarkeit des Spiels arbeitete und schließlich etablierte. Um ein gerechtes Handicap-System zu gewährleisten, nahm die LGU selbst Platzbewertungen vor, anstatt die Selbstbewertung durch den Club zu übernehmen. Das System der Damen galt mit Änderungen noch bis 2004.
Bei den Herren in Großbritannien und Irland dauerte es 30 Jahre länger als bei den Damen bis dem Spiel zentral koordinierte Platzbewertungen zugrunde lagen. Dazu einigten sich die bestehenden Golfverbände (English Golf Union, Golfing Union of Ireland, Scottish Golf Union, Welsh Golfing Union) und „The Royal and Ancient Golf Club of St Andrews“ (R&A) 1924 darauf ein einheitliches Handicap-System zu entwickeln und übertrugen diese Aufgabe einem gemeinsamen Organ, dem „The British Golf Unions Joint Advisory Committee“. Das „Commitee“ entwickelte das „Standard Scratch Score and Handicapping Scheme“, das ab 1926 zur Anwendung kam. Erst 1960 wurde das „Commitee“ umbenannt, hieß nunmehr „Council of National Golf Unions“ (CONGU) und war bis 2020 für das Handicap-System in Großbritannien und Irland zuständig.
In den USA kümmerte sich indes nur ein Verband um die Belange des Golfsports. So war die Entwicklung eines einheitlichen einheitlichen Handicap-Systems dort einfacher und wurde bereits 1911, basierend auf dem britischen Mittelwert aus drei Scores, eingeführt. Und es war die USGA (United Staates Golf Association), die mit dem "Par-Rating"-System eine der wichtigsten Neuerungen entwickelte. „Par“ bezeichnete eine durchschnittlich gute Punktzahl eines Scratch-Golfers auf dem Platz. Dies machte Scores vergleichbarer.
Nachdem die USGA es den Golfclubs zunächst erlaubt hatte, ihre eigenen Par-Ratings zu bestimmen, änderte sie schnell ihre Meinung und begann, Ratings zu vergeben. Nach und nach verabschiedete sich das Handicap-System der USGA von den britischen Vorgaben. Sie erhöhte die Anzahl der für die Handicap-Berechnungen verwendeten Scores. Zuletzt wurde das Handicap aus den besten zehn Scores berechnet. Am bedeutendsten war jedoch, dass 1979 das Slope Rating Systems etabliert wurde, das die Unterscheidung im Schwierigkeitsgrad zwischen Scratch- und Bogey-Golfern ermöglicht. Die USGA Course- und Slope-Ratings bildeten in der Folge die Grundlage vieler anderer Handicap-Systeme.
Nachdem der Golfsport weltweit immer populärer wurde, schufen die nationalen Verbände jeweils eigene Handicap-Regeln. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gab es weltweit sechs große anerkannte Handicap-Systeme: USGA Handicap System, EGA Handicap System, CONGU Unified Handicap System, Golf Australia Handicap System, South African Handicap System und Argentinian Handicap System. Diese Systeme weisen in ihren Grundstrukturen viele Gemeinsamkeiten auf. So verwenden die meisten ein gemeinsames Platzbewertungssystem. Einfach übertragbar sind die Handicaps jedoch nicht.
Das Handicap in Deutschland
Bis zum Ende des Jahres 2020 ist Deutschland Teil des von der European Golf Association (EGA) überwachten Handicap-Systems. Bis dahin bestehen noch weltweit sechs verschiedene Handicap-Systeme, ehe eine gewaltige Reform bevorsteht. Zuletzt gab es hierzulande eine solche in diesem Umfang 2001. Damals stellte der DGV auf das von der EGA entwickelte System um, das bis heute die Handicaps der Golferinnen und Golfer in Deutschland bestimmt. Der Gemeinschaft der nationalen Golfverbände Europas gehört der DGV bereits seit 1950 an. Vor 2001 orientierten sich die nationalen Regelhüter an den Vorgaben des Council of National Golf Unions.
Die deutschen Golferinnen und Golfer mögen bereits seit vielen Jahren dasselbe Handicap-System nutzen wie die europäischen Nachbarn, dennoch hat die Spielvorgabe nach Einschätzung des derzeitigen DGV-Präsidenten Claus Kobold einen ganz besonderen Stellenwert: Wir leben, glaube ich, zu sehr in dem Gedanken, dass das Handicap ein Statussymbol ist und davon müssen wir ganz schnell wegkommen. In keinem anderen Land wird das Handicap so gehypt wie in Deutschland", sagte der in Dresden praktizierende Anwalt Anfang 2020 im Interview mit Golf Post.
Nun steht ein weiterer Umbruch bevor, der sich vielleicht auch auf das Statusdenken auswirken wird. In einer globalisierten Golfwelt haben sich USGA und R&A daran gemacht ein weltweit einheitliches Handicap-System zu entwickeln. In Zusammenarbeit mit den verschiedenen bestehenden Handicap-Behörden wurde ein neues World Handicap System entwickelt, das 2021 auch in Deutschland eingeführt wird. Dann soll die Spielvorgabe das aktuelle Spielvermögen besser abbilden.