Der prominenteste Zocker im Golf ist zweifelsohne Phil Mickelson. „Lefty“ hätte, so wurde unlängst publik, beinahe Haus und Hof verspielt, hat rund 100 Millionen Dollar durch seine Wettsucht verjuxt. Binnen dreier Jahrzehnte, so beschreibt es der professionelle Glücksspieler Billy Walters in seinem Buch „Gambler, Secrets from a Life at Risk“, soll der fünffache Majorsieger insgesamt Sportwette in Höhe von insgesamt einer Milliarde Dollar platziert haben.
Mickelson als „Spitze des Eisbergs“
Mickelson, der anschließend öffentlich Reue und Therapie verkündete, ist freilich nur der prominenteste „Repräsentant“ eines Themas, das sich latent durch die gesamte Sportlandschaft zieht und vor Golf natürlich nicht haltmacht, das mit wirtschaftlichen Interessen verknüpft ist, Ambivalenzen offenbart, Integritäten in Zweifel zieht, Manipulationen Tür und Tor öffnet. Ein jeder, der sich halbwegs mit Sport beschäftigt, kennt die Schlagzeilen über gekaufte Spiele und Spieler, bestochene Schiedsrichter und so weiter und so fort. Im Golf ist es naturgemäß schwieriger, den Ausgang einer Runde oder eines Turniers zu beeinflussen. Aber entsprechende Versuche sind evident – Versuche von außen wohlgemerkt, von Fans. Peanuts letztlich, bei denen es allenfalls um eine Handvoll Dollars geht, oft bloß beim privaten Zocken im Kumpelkreis.
Wetten auf Golf sind so alt wie das Spiel selbst
Das Thema Wetten im Golf ist vielschichtig, überdies ohnehin so alt wie das Spiel selbst, dessen Professionalisierung im 19. Jahrhundert letztlich vor allem auf die Wettleidenschaft gelangweilter Gentlemen zurückzuführen ist – und mittlerweile ein Minenfeld, in dem die Konturen zwischen der Spielleidenschaft des Homo Ludens und den merkantilen Ambitionen derer verschwimmen, die den Sport auf möglichst breiter Ebene und gewinnbringend zu vermarkten suchen. Buddys zocken um einen Zehner pro Loch oder um die Clubhaus-Rechnung danach, und von Phil Mickelson wiederum ist der Satz überliefert: „Unter 5.000 Dollar pro Loch stehe ich morgens gar nicht erst auf.“ Auf der anderen Seite verdienen sich Buchmacher und Wettanbieter weltweit dumm und dämlich mit der Lust des Menschen am (überschaubaren) Risiko, das zur Sucht ausarten kann.
Spieltrieb und Glücksgefühl per Tippschein
Psychologen sprechen dabei von einer Fortsetzung kind- und jugendlichen Kräftemessens auf physischer Basis oder des sportlichen Wettbewerbs mit anderen Mitteln – und wenn nur als Erweiterung. Sprich: Im Erwachsenen-Alltag, geprägt von Anforderungen der Arbeitswelt und familiären Aufgaben, bleibt wenig Zeit und Raum fürs Ausleben solchen Spieltriebs. Die Teilhabe an Wettangeboten ersetzt das freundschaftliche Gerangel auf dem Schulhof und die per Ehrenurkunde bei Bundesjugendspielen und Co. belohnten Rivalität auf der Rennbahn; der Tippschein wird zur Substitution fürs atavistische Glücksgefühl des Siegers.
Die Wettbude von DraftKings im TPC Scottsdale
Zurück zum Golf: Vor nicht allzu langer Zeit ist im TPC Scottsdale, dem Schauplatz des Halligalli-Turniers WM Phoenix Open, die weltweit erste Wettbude auf einem Turniergelände eröffnet worden. Die PGA Tour hat sich dabei mit dem Wettunternehmen DraftKings verbandelt, um sich ein Stück vom XXL-Kuchen der Wettumsätze abzuschneiden. Wobei: Bude trifft es nicht ganz. Auf 1.200 Quadratmetern Grundfläche wurden 40 Wettschalter, ein Restaurant und eine Bar installiert; der geneigte Fan kann sein Geld fortan ganz unmittelbar aufs Geschehen am benachbarten Party-Loch setzen.
Woods freut sich: TGL-Publikum kann „auf absolut alles wetten“
Und in dieser Woche hat Tiger Woods bei der Vorstellung seines Teams Jupiter Links Golf Club fürs Stadionspektakel Tomorrow Golf League noch ausdrücklich hervorgehoben: „Es ist total klasse, dass all diese Jungs [die Spieler] für zwei Stunden zusammenkommen, Bälle schlagen und Trash Talk abhalten, während das Publikum auf absolut alles wetten kann, was in der Arena passiert. Jeder Schlag wird buchstäblich eine Wette sein.“
Andererseits hat die PGA Tour neulich zwei Spieler auf der Korn Ferry Tour für drei beziehungsweise sechs Monate gesperrt, weil sie Wetten auf den Ausgang von Turnieren platziert haben. Obwohl sie selbst an den betreffenden Wettbewerben nicht teilgenommen hatten, haben Jake Staiano und Vince India damit gegen das Integrity Program der Tour verstoßen. Sie sind ad definitionem halt „Insider“. Wie Caddies, Agenten, Familienmitglieder oder Coaches.
Eine Wette bezeichnet einen Vertrag, durch den zur Bekräftigung bestimmter, einander widersprechender Behauptungen ein Gewinn oder Sieg für denjenigen vereinbart wird, dessen Behauptung sich als richtig erweist.
Häufig betrifft die Wette eine Behauptung über das künftige Eintreffen eines in bestimmter Weise definierten Ereignisses. Die Wettpartner sind dabei bemüht, unter Berücksichtigung objektiv oder subjektiv zugänglicher Informationen den wahrscheinlichsten Fall des Ausganges „vorherzusehen“, meist ohne den tatsächlichen Ausgang des Ereignisses zu kennen.
„Wette“, Wikipedia
So klar die Sachlage letztlich ist, so sehr offenbart sich das Dilemma. Es gibt gutes Zocken und böses Zocken. Für manche ist das Heuchelei. Seit unlängst das Glücksspiel in mehreren US-Bundesstaaten legalisiert worden ist, hat die PGA Tour Vereinbarungen mit Partnern wie bet365, BetMGM, betParx, Fanduel, PointsBet oder eben DraftKings geschlossen und lädt die Fans förmlich dazu ein, ihre Dollars an den Wettschaltern zu deponieren.
Man hat das Wetten salonfähig gemacht und damit auch eine Büchse der Pandora geöffnet, denn so was fördert gleichermaßen den Missbrauch. Der solcherart ermunterte, ja stimulierte Fan schlägt nämlich über die Stränge, das liegt wohl in der menschlichen Natur, und versucht, den eigenen Wetterfolg durch Störmanöver zu begünstigen. Die Fälle häufen sich, das Wettwesen wird zum Unwesen.
Zwischenrufe beim Putten
Beispiele gefällig: Bei der BMW Championship gab es im beim Flight von Max Homa und Chris Kirk Zwischenrufe aus der Galerie, um die Putts von Kirk zu beeinflussen. „Da schrie einer ständig: Pull it“, erinnert sich Homa, während dessen Caddie Joe Greiner mitbekommen hatte, dass besagter Schreihals drei Dollar auf seinen Boss gesetzt hatte. „Das passiert viel öfter, als ihr es von draußen wahrnehmt“, verdeutlichte Jon Rahm in der Woche darauf bei seiner Pressekonferenz vor der Tour Championship: „Gefühlt haben wir solche Zwischenfälle auf jeder Runde. Im Golf sind die Zuschauer nun mal sehr nah am Geschehen und man hört andauernd Sätze wie: Ich wette 10 Dollar, dass der Ball das Loch verfehlt. Oder: 20 Dollar darauf, dass er hier ein Birdie macht. Und so weiter.“
MacIntyre von Zocker sogar angesprochen
Jüngstes Opfer war Robert MacIntyre. Der Schotte wurde bei der BMW PGA Championship in Wentworth am zweiten Tag auf der 17 sogar von einem zockenden Fan angesprochen. „Dieser Kerl offenbarte mir tatsächlich den Betrag, den er gegen mich gesetzt hatte. Als wir zum 18. Abschlag gingen, habe ich daher zu meinem Caddie gesagt: Pass gut auf, der Typ könnte es auf uns abgesehen haben“, erzählte „Bob Mac“ nach der Runde: „Es gibt ganz offensichtlich neuerdings eine Menge Glücksspiel im Zusammenhang mit Golf. Und es ist eine Menge Geld im Spiel.“
Rory McIlroy hatte bereits zuvor angekündigt, das „heikle Thema“ im Vorstand der PGA Tour zur Sprache bringen zu wollen. „Wir sind alle dafür, dass die Leute eine gute Zeit auf dem Platz haben, und sie sollen ja auch was auf das das Ergebnis setzen können“, sagte „Rors“. „Allerdings darf niemand das Gefühl haben, auf ein Turnier kommen und das Ergebnis beeinflussen zu können.“
Rahm: Auswüchse könnten zum Problem werden
Natürlich sei es extrem schwierig, 50.000 Menschen auf einem Golfplatz zu kontrollieren, räumte Jon Rahm in diesem Zusammenhang ein. Aber, so der Spanier: „Es ist halt sehr einfach, wenn man im Golf jemanden beeinflussen will. Man muss nur mal im falschen Moment schreien. Also sollte die Tour sich das ansehen und sich irgendwie um solche Auswüchse kümmern, bevor das Problem außer Kontrolle gerät.“ Es ist wie in Goethes Ballade „Der Zauberlehrling“: Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister. Werd ich nun nicht los.“