Es gibt diese Story aus dem Jahr 1992, als eine Handvoll Helden auszog, die Welt zu erobern. Gemeint sind nicht etwa die „Avengers“, sondern Amerikas Basketballer und ihr Ausflug zu Olympia – was den Auftritten des heroischen Haufens aus dem Marvel-Universum freilich schon sehr nahe kam. Erstmals waren die USA nicht durch ein College-Ensemble bei den Spielen vertreten, vielmehr hatte die allererste Garde der Koryphäen unterm Korb beschlossen, ihre Dollarmillionen in Barcelona um symbolschweres Edelmetall zu ergänzen.
Olympia 1992: tagsüber Golf, abends Mission Gold
Also stieg eine Quasi-Weltauswahl vom Olymp der NBA herab in die Niederungen menschlichen Sportbetriebs, vom Fankult überirdisch erhöht und von den Medien zum exklusivsten Ensemble aller Zeiten stilisiert: Earvin „Magic“ Johnson, Charles Barkley, Larry Bird, Scottie Pippen, Patrick Ewing oder Karl Malone, um nur ein paar aus dem „Dream Team“ zu nennen. Und allen voran: Michael „Air“ Jordan. Über 3.000 Journalisten kamen zur Pressekonferenz im Kongresszentrum der katalanischen Metropole, die Fragesteller mussten ausgelost werden und Jordan als Leader of the Gang sich fragen lassen: „Wie fühlt man sich als Gott?“
Die Profis waren mit Kind und Kegel, Sack und Pack angereist, hatten sich außerhalb Barcelonas ein Luxushotel gemietet, frönten tagsüber dem Dolce Vita, chillten am Pool oder spielten Golf. Abends dann düpierte das begnadete Dutzend die Gegner reihenweise, beispielsweise Deutschlands Auswahl mit 111:68. Unter 100 eigenen und mindestens 32 Punkten Differenz (beim finalen 117:85 über Kroatien) machten es „His Airness“ und Co. bei der Mission Gold nicht; sie zelebrierten ihre Künste, wie man es zuvor allenfalls vom Basketball-Zirkus der Harlem Globetrotters kannte. Wahrscheinlich waren die Gegner überdies vom Dauerfeuer des Blitzlichtgewitters in der stets übervollen Basketballhalle geblendet.
Reichster Sportler aller Zeiten
Während der spanischen Sommerspiele trat Michael Jordan erstmals als Golfer öffentlich in Erscheinung. Zur Erinnerung: Das Internet war noch was für Computer-Freaks und die Wirkmacht von Social Media nicht mal in der Science Fiction vorstellbar; der damals 29-Jährige von den Chicago Bulls ein echter Megastar per Leistung und Akklamation.
Seither ranken sich unzählige Geschichten um Jordan, der sechs Mal die NBA Championship gewann, fünf Mal „Most Valuable Player“ (MVP) der Liga war und mit einem geschätzten Gesamtvermögen von aktuell 1,6 Milliarden Dollar als reichster Sportler der Welt gilt – und gleichermaßen um seine Leidenschaft für das große Spiel mit dem kleinen Ball. Der heute 58-Jährige avancierte samt seiner unvermeidlichen dicken Zigarre zur Golfikone.
Er ist permanenter Gast und Motivator des amerikanischen Ryder-Cup-Teams und hat sich mit „Grove XXIII“ in Hobe Sound/Florida von Architekt Bobby Weed einen eigenen Golfplatz bauen lassen, weil ihn woanders trödelige Spieler und Rumgehacke zu sehr nervten. Symbolisch setzt sich im „Hain 23“, beziffert nach seiner Trikotnummer bei den „Bulls“, „Air“ Jordans einstige basketballerische Lufthoheit fort: den Verpflegungsservice auf der Runde lässt er per Dronen absolvieren.
„Grove XXIII“ spiegelt Einstellung zum Sport
Selbst bei der Gestaltung von Driving Range und sonstigen Übungsanlagen spiegeln sich sportliche Einstellung und überlieferte Arbeitsdisziplin des 1,98-Meter-Mannes wider: „Das Training sollte immer härter sein als das Spiel selbst, dann bringen Fehler die Chance auf Verbesserung statt zu scheitern.“ Auf den 6,5 Hektar lässt sich alles simulieren, was es im Turnier an Schlägen braucht; sogar Justin Thomas und Rickie Fowler nutzen das zur Vorbereitung.
Gemeinsame Vergangenheit mit Justin Thomas
Aber die beiden Tour-Stars gehören ohnehin zu den handverlesenen „Grove-XXIII“-Mitgliedern. Dabei haben Thomas und Jordan sogar eine gemeinsame Vergangenheit. In seinen Teenager-Jahren jobbte der PGA Champion von 2017 als Caddie in Harmony Landing nahe Louisville/Kentucky, wo Vater Mike der Head-Pro war und „MJ“ mit seiner Entourage alljährlich im Vorfeld des Galopp-Klassikers Kentucky Derby zur Golfrunde einfiel.
2006 war Justin Thomas dem Star als Looper zugeteilt, doch Jordan erkor den vielversprechenden 16-jährigen Clubgolfer kurzerhand zum Spielpartner. „ Er sagte zu seinen Freunden: ,Hey, ich spiele mit dem Burschen hier und nehme jede Wette auf uns an“, erinnert sich Thomas. „Dabei hat er mir nicht verraten, um wie viel es ging; ich sollte bloß einfach mein Spiel spielen, ohne mir Gedanken zu machen.“
Sieg für ein ungleiches Duo
Gesagt, getan: Der Youngster schoss vier Birdies auf den letzten sieben Löchern – „wir haben es ihnen richtig gezeigt“. Das ungleiche Duo gewann, und Jordan sammelte anschließend seine Gewinne und gehöriges Trinkgeld für Partner Thomas ein. „Ich hatte zu der Zeit schon einige große Turniere bestritten, doch das war echt ein großes Ding“, sagt der Weltranglisten-Zweite im Rückblick: „Über diesen coolen Tag reden wir heute noch.“
Wettlust: 1,25 Millionen in zehn Tagen verzockt
Ganze Archive sind mit solchen Anekdoten gefüllt, fast jeder US- oder Sport-Promi hatte sein ureigenes Erlebnis mit Jordan; allein dessen Lust aufs Zocken würde Bände füllen. 100.000 Dollar auf einen Putt sind keine Seltenheit; Fragen nach der Höhe des Wetteinsatzes beantwortet er gern mit „Jede Summe, die Dir richtig die Knie schlottern lässt, mein Freund“, wie Englands Fußball-Idol Gary Lineker zu berichten weiß.
Und 1991 hat der fünffache Vater, der trotz aller Extrovertiertheit in seinem Privatleben keine Kameras zulässt, binnen zehn Golftagen mal 1,25 Millionen Dollar an den Unternehmer und Kumpel Richard Esquinas verloren. So erzählt es dieser jedenfalls in einem Buch mit dem bezeichnenden Titel „Michael & Me: Our Gambling Addiction ... My Cry For Help!“
Von Davis Love III zum Golf gebracht
Spielschulden sind halt Ehrenschulden, das musste 2011 auch ein Zuschauer beim Promi-Turnier am Lake Tahoe in Kalifornien erfahren, mit dem Jordan unter den Augen von Tiger Woods am Abschlag um 500 Dollar wettete, er werde das Grün treffen. Gesagt, getan: getroffen und kassiert.
Zum Golf kam Jordan übrigens als Junior an der Universität von North Carolina, wo der angehende Basketball-Überflieger 1984 einen Golfstudenten kennenlernte, der ihn einfach mit auf den Platz schleppte. Dessen Name: Davis Love III. „Nach anfänglichem Zögern fand er Gefallen an der Sache“, erinnert sich der zweifache amerikanische Ryder-Cup-Kapitän: „Ich habe ihm dann mit einen paar alten Schlägern und einem Haufen ausrangierter Bälle ein Bag zusammen gestellt und ließ ihn drauf los hacken.“
18 Löcher, bloß ein Par – und seither angefixt
Auf seiner ersten Runde spielt Jordan 17 mal Bogeys oder Schlechteres, aber ein Par war dabei. „Seitdem bin ich komplett angefixt“, sagt der größte Basketballer aller Zeiten und Multiunternehmer, dessen sportlicher Laufbahn 2020 mit der dokumentarischen Mini-Serie „The Last Dance“ ein filmisches Denkmal gesetzt wurde. Wetten, dass noch ein paar Storys hinzukommen?