Die amerikanischen Medien lieben Alliterationen, jene sprachliche Stilfigur, bei der benachbarte Wörter den gleichen Anfangslaut haben. Und so wandert dieser 42. Ryder Cup als „The Pummeling in Paris“, die „Prügel von Paris“, in die Bücher. Zuvor gab‘s schon Europas „Miracle of Medinah“ 2012, Teamchef Paul McGinleys „Genius of Gleneagles“ 2014 oder den „Mulligan in Minnesota“ für US-Kapitän Davis Love III beim Duell vor zwei Jahren. Das Team USA hat wieder auswärts verloren, kann auf fremden Boden seit 1993 nicht mehr gewinnen. Die „Blauen“ hingegen dominierten auch diesen Wettbewerb, den zwölften der letzten 17 Ryder Cup Matches seit 1985. „Against all Odds“, wie es so schön heißt, als klare Außenseiter und trotz eines mehr als wackligen Vierball-Auftakts am Freitag Morgen.
„Golf wird nicht auf der Papierform gespielt“
Zur Erinnerung: Die Amerikaner in Paris, das war geballte Weltranglisten- und Major-Power. Elf Mann unter den globalen Top-20 und 31 Majortitel im Gepäck gegenüber jeweils bloß sechs in Thomas Björn Dutzend. Und dann doch ein 10,5 zu 17,5! Wie konnte das passieren?
Bernhard Langer soll mal gesagt haben, dass Golf glücklicherweise nicht auf der Papierform absolviert werde. Die US-Riege wurde in Le Golf National schlichtweg ausgespielt.
„Wildcard“-Akteure holten 9,5 Punkte
Wenn ein dreifacher Majorsieger wie Jordan Spieth gegen den vergleichsweisen „Nobody“ Thorbjörn Olesen nicht gewinnen kann; wenn der Weltranglistenerste Dustin Johnson dem Spirit von „Eurofighter“ Ian Poulter golferisch nichts brillantes entgegen zu setzen hat; wenn sich Patrick „Captain America“ Reed zu einem 2&1 über den braven Tyrrell Hatton mühen muss; wenn Jon Rahm ausgerechnet gegen das Idol Tiger Woods seinen ersten Ryder-Cup-Punkt macht, während die Euphorie über die Teilnahme des Superstars der Erkenntnis weicht, dass der neue Tiger noch immer kein Führungsspieler ist; wenn schließlich Thomas Björns „Picks“ 9,5 Punkte holen, die amerikanischen hingegen deren lediglich zwei und beide durch Tony Finau: Tja, dann verliert man halt.
Zudem ließ Jim Furyks Riege eben jenen Korpsgeist nach europäischem Vorbild vermissen, den ihre „Task Force“ als unabdingbar für den Ryder Cup ausgemacht und den sie sich so sehr vorgenommen hatte. Europa hingegen, mit seinen fünf Rookies und den eigentlich außer Form gewähnten Schlachtrössern wie Sergio Garcia, Poulter oder Henrik Stenson war genau das: ein Team! In dem einzelne über sich hinauswuchsen, in dem das Duo „Moliwood“ alle mitriss. Und das nicht zuletzt mit dem Albatros-Kurs einen 13. Mann hatte. Die Amerikaner fanden darauf zu keiner Zeit eine Antwort.
The morning after the week before #TeamEurope #Moliwood pic.twitter.com/J5JunSS5Ee
— Ryder Cup Europe (@RyderCupEurope) 1. Oktober 2018
Beinahe Eklat bei Pressekonferenz der Amerikaner
Das ist die Kurzfassung. Dahinter stapeln sich richtig smarte Schachzüge von Europas Skipper Thomas Björn und einige eher rätselhafte Reaktionen seines Widerparts Jim Furyk. Zuvorderst natürlich die Trennung des „Duo Infernale“ Jordan Spieth/Patrick Reed – in Hazeltine noch der Nukleus des US-Triumphs –, um aus einem herausragenden Paar zwei sehr gute zu machen. Was nur halb gelang und den teilweise schwach agierenden und seltsam emotionslosen Reed weitgehend schachmatt setzte.
Bei der Abschluss-Pressekonferenz wäre es folglich beinahe zu einem Eklat wie in Gleneagles gekommen, als Phil Mickelson seinen Kapitän Tom Watson öffentlich in der Luft zerriss. Reed hatte auf die Frage nach dem Partner-Splitting schon tief Luft geholt, aber Jordan Spieth („Wir waren in alle Entscheidungen involviert“) und Furyk („Das war ganz alleine meine Entscheidung“) bügelten ihn nieder.
Patrick Reed beklagt „System der Kumpanei“
Im Gespräch mit der New York Times nahm der Masters-Champion später kein Blatt vor den Mund, sprach darüber, dass perfekte Chemie zwischen Spielkameraden nicht notwendig sei, solange die Ergebnisse stimmten, und bezeichnete die Entscheidungsfindungen im US-Team als „System der Kumpanei“, in dem einige wenige das Sagen hätten: „Ganz offensichtlich wollte Jordan nicht mit mir spielen. Mir persönlich ist egal, mit wem ich antrete, solange es funktioniert und erfolgreich ist. Und wir beide machen uns nun mal gegenseitig besser und wissen, wie man den Job da draußen erledigt.“ Im Übrigen sei es wenig clever von Furyk gewesen, „jemanden wie mich, der im Ryder Cup bislang so erfolgreich war, zwei Mal aussetzen zu lassen“.
Justin Thomas und Webb Simpson als Lichtblicke
Es ist ziemlich nachvollziehbar, dass Jordan Spieth lieber mit seinem Kinderfreund Justin Thomas losziehen wollte, als mit dem anstrengend intensiven Reed. Furyk hätte seine verlässlichen Punktelieferanten allerdings auch vereint lassen und Justin Thomas an die Seite von Rickie Fowler stellen können, die beiden haben beim jüngsten Presidents Cup immerhin 2,5 Punkten geholt. Genau hier liegt eins der großen, ewigen amerikanischen Probleme. Im US-Lager macht man sich mehr Gedanken über bevorzugte Spielpartner und die Wahl des passenden Balls für die Vierer als übers große Ganze und die Kraft des Notwendigen. Paris war ein Rückfall in alte Egomanie-Muster.
So blieb Thomas trotz der Herzbuben-Konstellation mit Spieth der einsame Lichtblick unter den Losern. Er, der sich als einziger US-Kombattant bei der diesjährigen Open de France auf den Platz eingeschossen hatte, schleppte seinen texanischen Buddy durch die Vierer und legte mit dem Einzelsieg über Rory McIlroy am Sonntag die Erfolgsspur, der seine Kollegen freilich nicht folgen konnten. Mit Abstrichen ist überdies Webb Simpson zu erwähnen, der im Foursome das wilde Spiel von Bubba Watson auffangen musste – auch so ein Kopfschüttel-Pärchen – statt als exzellenter Vierball-Spieler seine eigene Kugel striken zu können.
Vorteil für Europas Weltklasse Ballstriker
Apropos wildes Spiel: Das Set-up des Platzes hatte entscheidenden Anteil am Erfolg der Europäer. Mit den eng gemähte Fairways und dem tückisch dichten wie hohen Rough beraubte Thomas Björn die Gegner, Dustin Johnson, Brooks Koepka, Bubba Watson oder Justin Thomas, ihres generellen Längenvorteils und gab seinen Weltklasse-Ballstrikern wie etwa Francesco Molinari, Justin Rose, Henrik Stenson, Ian Poulter und Tommy Fleetwood die Chance, sich erfolgreich in Szene zu setzen. Der Däne ließ das Geläuf quasi in US-Open-Manier präparieren, denn er wusste um die Achillesferse des Gegners: die mangelnde Präzision vom Tee.
Stenson beispielsweise ist laut einer Darstellung des Portals „GolfWRX“ mit 74,79 Prozent getroffener Fairways aktuell die Nummer eins der PGA Tour. Amerikas bester „Abschläger“ hingegen hatte keinen Schläger, sondern den Regiestab in der Hand: Kapitän Jim Furyk, der mit 69,8 Prozent auf Position zehn liegt. Abgesehen von Rickie Fowler (64,5 Prozent/52.) rangiert das US-Team auf dieser Liste samt und sonders jenseits des 90. Platzes; bei Europa sind es nur fünf der zwölf Akteure. „Wir haben diesen Kurs sehr bewusst so schwierig gemacht,“ sagte Rory McIlroy dem „Golf Channel“, „um die amerikanischen Bomber zu neutralisieren.“
„Beim Ryder Cup sind wir eins!“
Ja, die Europäer waren präziser und mehr an die Grüns gewohnt, kamen besser mit dem Rough und mit den unangenehm stark mitspielenden Wasserhindernissen zurecht. Letztlich indes reduziert sich das Resümee des 42. Ryder Cup auf diese Aussage von McIlroy: „Wir haben einen Zusammenhalt, den es auf der anderen Seite vielleicht nicht gab. Jeder von uns hat sein eigenes Leben. Aber wenn wir für den Ryder Cup zusammenkommen, dann sind wir eins!“