Irrtum: Nick Faldo lag ein bisschen daneben, als er Hideki Matsuyama gestern in der „CBS“-Kommentatoren-Kabine zu Japans möglichem ersten Majorsieger ernannte – sofern man das generische Maskulinum zum Maßstab nimmt, dass ja in der aktuellen Debatte um Genderbezeichnungen und Sternchen ohnehin obsolet zu werden droht. Jedenfalls musste „Chefstimme“ Jim Nantz den englischen Sir und dreifachen Green-Jacket-Träger daran erinnern, dass immerhin die japanischen Proetten Hisako Higuchi 1977 die LPGA Championship und Hinako Shibuno 2019 die Women’s British Open gewonnen haben. So oder so indes könnte diese 85. Masters-Periode gleichermaßen zur japanischen Woche werden, nachdem Matsuyamas Landsfrau Tsubasa Kajitani vergangenen Sonntag beim Augusta National Women’s Amateur triumphiert hatte.
Die Chancen stehen nicht schlecht für den einst weltbesten Amateur, der 2011 auch „Leading Amateur“ im Augusta National Golf Club war, als Charl Schwartzel gewann. Vier Schläge Vorsprung als Resultat einer Bogey freien Minus-7-Runde sind ein ordentliches Pfund für den 29-Jährigen, der in Sachen Ball-Striking und vom Tee bis aufs Grün eh zur Extraklasse auf der Tour gehört und gestern mit sechs Schlaggewinnen vor allem nach der Regenpause groß aufdrehte, die er im Auto und auf seinem Handy daddelnd verbracht hatte. Wenn da nicht sein notorisch schwaches Putten wäre, dass bislang den endgültigen Durchbruch des aktuellen Weltranglisten-25. verhindert hätte. Gestern allerdings passte sich Matsuyama der neuen Bodenbeschaffenheit auf den Grüns schneller an als viele Mitbewerber, die serienweise zu kurz blieben. Zudem schaukelten sich er und Flightpartner Xander Schauffele regelrecht an der Leistung des jeweils anderen hoch, beispielsweise beim zweifachen Eagle auf der 15.
US Masters 2021: Wird Hideki Matsuyama der erste japanische Majorsieger?
Sollte Matsuyama seinen gern widerborstigen Putter heute im Griff haben, dann stehen die Chancen auf den ersten Tour-Sieg seit 2017 ziemlich gut. Es wäre in vielerlei Hinsicht ein besonderer Erfolg für den Mann, der vor vier Jahren als weltbester Golfer ohne Major mal die globale Nummer zwei war.
Augustas gigantische Anzeigetafeln
Bandbreite: Zur Eröffnung brutal hart, am Freitag moderat, gestern nach der Regenpause ziemlich weich und nachgiebig – Augusta National zeigt sich bei diesem Masters von vielerlei Seiten. Insgesamt wurden beim Moving Day fünf Eagles, 189 Birdies, 577 Pars, 183 Bogeys sowie 18 Doppel-Bogeys und schlechter notiert. Am Vortag mit einem vollen Feld lag die Aufteilung bei 9, 325, 904, 293, 35. Zum Auftakt lieferte das komplette Feld 9 Eagles, 233 Birdies, 917 Pars, 360 Bogeys und 47 Doppel-Bogeys+ ab.
Und wie das hinter den gigantischen manuell bedienten Anzeigetafeln so zu- und abgeht, wenn es auf dem Leaderboard munter hin und her geht, zeigt dieser Clip im Schnelldurchgang:
Spieth verlor auf den Grüns fast 2,5 Schläge zum Feld
Falsche Richtung: Für Jordan Spieth herrschte am Moving Day mit der Even-Par-Runde eher Stillstand, und der ist bekanntlich gleich Rückschritt. Der 27-jährige Texaner „scheiterte“ gestern vor allem an seinem eiskalten Putter – da hatte Augusta National schon ganz andere Vorstellungen des dreifachen Majorsiegers mit dem „Short Stick“ erlebt. Experten schreiben von der schwächsten Putting-Performance, die Spieth je beim Masters gezeigt habe, weil er auf den weichen Grüns gegenüber dem Durchschnitt des Felds fast 2,5 Schläge verlor. Gut bloß, dass bis auf Hideki Matsuyama (-7), Xander Schauffele und Corey Conners (beide -4) niemand signifikant von den moderaten Kursbedingungen zu profitieren vermochte.
Horschel auf dem Hosenboden
Rutschpartie: Billy Horschel hatte am Moving Day anfangs wenig zu lachen. Zum mangelnden sportlichen Glück auf der Front Nine kam für den 34-Jährigen auch noch Pech dazu, als er nach einem Rettungsschlag aus Rae‘s Creek an der 13, für den er sich Schuhe und Strümpfe ausgezogen hatte, prompt auf der steilen Böschung ausrutschte und auf dem Hosenboden landete. Und das mit einer weißen Buxe! Immerhin konnte Horschel, der dank dreier Birdies, davon zweien auf Bahn 15 und 16, mit +1 noch glimpflich über die Runde kam, über sich selbst lachen, als er die Golfwelt anschließend via Twitter von seinem Missgeschick in Kenntnis setzte:
I’m fine! ?? @TheMasters pic.twitter.com/ruZR0tpEJA
— Billy Horschel (@BillyHo_Golf) April 10, 2021
Zalatoris und der „Happy-Gilmore“-Vergleich
Sinn für Humor: Will Zalatoris ist derzeit in aller Munde, seit der 24-jährige Masters-Debütant, der erst sein dritten Major bestreitet, so munter vorn mitspielt. Ganz überraschend kommt das nicht, belegte „Will Z“ doch 2020 bei der US Open in Winged Foot bereits den beachtlichen sechsten Platz.
Neben einem kaltschnäuzigen und messerscharfen Golfspiel zeigt der Korn-Ferry- und angehende PGA-Tour-Akteur im Augusta National Golf Club gleichermaßen, dass er Spaß versteht. Dieser Tage kursieren nämlich in den sozialen Netzwerken Foto-Montagen, die ein jüngeres „Ich“ von Zalatoris im Kultstreifen „Happy Gilmore“ von 1996 ausgemacht haben wollen – gestern auch an dieser Stelle. In der Tat ist die Ähnlichkeit verblüffend, und die Anspielungen sind für Zalatoris, über dessen Statur Trainer-Legende Butch Harmon sagt: „Er sieht aus wie ein Eisen 1, nur ohne Griff“, offensichtlich nichts Neues. Er hat sie sich sogar aufs Wedge stanzen lassen:
Patrons wie Promis mit wenig Abstand und schiefen Masken
AHA-Regeln? Bei diesem Masters stehen einmal mehr die Stars nicht nur auf dem Platz, sondern gleichermaßen bevölkern traditionell Größen aus Sport, Showbiz und Politik die Abschläge, Fairway-Ränder und Grüns. Unter den täglich zugelassenen 12.000 Patrons wurden unter anderem die American-Football Stars Patrick Mahomes, Travis Kelce und Matt Fitzpatrick, Ex-Basketballstar Dwayne Wade, Rapper Macklemore oder Floridas Gouverneur Ron De Santis gesichtet. Es ist allerdings auch ein ernstes Wort angebracht: Trotz aller Corona-Konzepte nehmen es zahlreiche Promis und Patrons mit dem korrekten Tragen der Masken und mit dem gebotenen Abstand nicht sonderlich ernst, wie die TV-Bilder immer wieder zeigen – was dann eher keine Sternstunde für Augusta National und die Organisatoren ist.
Wo all die Green Jackets hängen …
Spind-„Kontrolle“: Es ist Finaltag beim 85. Masters und irgendjemandem hilft Dustin Johnson vermutlich heute Abend ins Green Jacket. Das ist der passende Zeitpunkt, um mal zu schauen, wo die begehrten Sakkos verstaut sind, weil der jeweilige Champion seinen Zwirn ja nur bis zum nächsten Masters behalten und mit sich führen darf: nämlich im Umkleideraum der Champions im zweiten Stock des berühmten Clubhauses, wo die Masters-Sieger sich die insgesamt lediglich 28 Schränke aber mittlerweile teilen müssen.
Die Garderobe für die Mitglieder und deren Gäste ist übrigens in einem der weitläufigen Anbauten untergebracht, die im Lauf der Jahre hinzugefügt wurden, aber weitgehend mit Vegetation kaschiert sind, um die solitäre Stellung des Clubhauses aufrecht zu erhalten.
Augusta National im Garten
Kult: Wenn man es als Average Joe schon niemals zu einer Tee Time beim Masters schaffen wird – dann kann man sich Augusta National wenigstens als Putting-Kurs in den Garten holen. Das dachten sich jedenfalls diese Häusle-Besitzer in Scottsdale/Arizona und ließen sich von einer Fachfirma für künstliche Grüns den Hinterhof entsprechend umgestalten. Samt Amen Corner. Fehlt irgendwas?
Als das Masters mit einer Parade promotet wurde …
Wussten Sie: …dass von 1957 bis 1964 am Masters-Dienstag sogar eine Parade in Augusta stattfand, um das Masters zu promoten. Zur Organisation der Feierlichkeiten, für die man sogar eine Fliegerstaffel aus dem Navy-Stützpunkt in Brunswick und eine Pferde-Show vorführen wollte, gründeten lokale Geschäftsleute eigens die „Masters Week of Augusta Inc“. Rund 25.000 Zuschauer säumten alljährlich die Broad Street und sahen prächtig geschmückte Wagen, Blaskapellen, Schönheitsköniginnen sowie zahllose Luftballons und jubelten Ikone Bobby Jones, Ben Hogan und anderen Turnierteilnehmern zu, die in Cabriolets Hof hielten. Einmal nahm das Ganze fast Rosenmontags-Dimensionen an, als ein Wagen den Teufel zeigte, der sich an einem Befreiungsschlag aus einem Bunker versuchte.
Ein ganz eigene Form von Parade – auch das soll nicht unerwähnte bleiben – pflegte Arnold Palmer. Der „King“ und vierfache Champion fuhr stets, wie man so sagt, „in style“ am Clubhaus vor.
Diese 18 Löcher müssen die Teilnehmer des US Masters bezwingen!