Er ist Filmemacher, YouTube-Star und mit den „Adventures in Golf“ eine Art Kultfigur auf dem Golfglobus geworden. Die Fangemeinde stilisiert ihn und seine Vision vom Umgang mit dem Spiel beinahe ins Guruhafte: Ich treffe Erik Anders Lang in Düsseldorf. „Hi, I’m Erik“, sagt er – so, wie jede Folge seiner „Abenteuer“ beginnt. Der Texaner kam nach Deutschland, um dem Phänomen der Platzreife auf den Grund zu gehen, in amerikanischer Lautart klingt’s bei ihm eher wie „Blatzraif“, das Verständnis für eine „License to Play“ fehlt ihm sowieso – „klingt für mich irgendwie bescheuert“.
Bälle schlagen auf der Lausward
Wo fängt eine Golfrunde idealerweise an? Richtig, auf der Driving Range. Also schlagen wir Bälle: beim Golf-Sport-Verein Düsseldorf am Eingang zum Hafen, den meisten schlicht als „Die Lausward“ bekannt, Deutschlands erste öffentliche Golfanlage, eröffnet 1978. Wieder staunt Lang. „Nur zwei Jahre älter als ich“, sagt der 41-Jährige. Er verfügt über einen schwerelosen Schwung, wird irgendwo mit einem 6er-Handicap geführt.
Doch Lang steht wie kein anderer für die Schranken- und Barrierelosigkeit des Spiels. Deswegen hat er den „Random Golf Club“ ins Leben gerufen, eine Community, die binnen nicht mal zweier Jahre weltweit zehntausende Anhänger gefunden hat. „All are welcome“ lautet Langs Credo für den „RGC“. Und: „Die wichtigste Person im Golf ist immer diejenige, die zum ersten Mal auf einen Golfplatz kommt.“
Es ist ungewohnt, Bälle zu kloppen und zwischendurch über „The Blatzraif“ zu diskutieren, die Lang tatsächlich am nächsten Tag per Schnellverfahren im Pott Golf Club in Oberhausen absolvieren wird. Oder über den Spirit of the Game zu philosophieren und dabei von den Kameras des Teams beobachtet zu werden. Sowieso: den Lang’schen Gedankensprüngen zu folgen, Antworten zu formulieren und ihn für die eigenen Fragen wieder einzufangen.
„Mein Job ist, Fragen zu stellen“
Ein Gutteil seiner Ausstrahlung entspringt dem mantrahaft proklamierten Desinteresse an Konventionen. Und der Attitüde, ein wenig über den Dingen zu schweben. Nicht abgehoben, vielmehr phasenweise entrückt. Gern schließt er für Sekunden die Augen, spürt seiner Intuition nach, sucht nach dem nächsten Ansatz. „Mein Job als Dokumentarfilmer ist, Fragen zu stellen“, verdeutlicht Lang. Doch die Fragen, die er bei seinen Golfabenteuern formuliert, sind keine journalistischen.
Er legt vielmehr die naive Neugier eines staunenden Kinds an den Tag, das nach Erklärungen sucht, das nicht objektiv sein muss, sondern einfach der Lust auf Neues und der Laune des Entdeckenwollens nachgeht. Ohne erwägen und abwägen zu wollen. Darin ist Lang fast maßlos und versprüht gleichzeitig eine entwaffnende, scheinbar unschuldige Unbefangenheit: „Meine ,Adventures in Golf’ sind ein Spaziergang durch den Kosmos des Spiels. Schau mal hier, guck mal da.“
Dafür düst er um die Welt, unterstützt von veritablen Sponsoren, vor Corona bisweilen 220 Tage im Jahr. Mit seiner Mission Neugier ist EAL eine Art Handlungsreisender in Sachen Golf. Wagt sich in die Wüste von Utah und fährt bis ins nördlichste Norwegen. Traut sich in den Hochsicherheitstrakt des Staatsgefängnisses von Louisiana und in die Slums von Mumbai. Spielt Nacktgolf in Florida und Blindengolf mit Schlafmaske in Kalifornien. Lernt japanische Höflichkeitsfloskeln für die Audienz bei Katsuhiro Miura, dem Hohepriester des Schlägerschmiedens. „Ich versuche, vorab so wenig wie möglich zu wissen“, betont er. „Wenn du anfängst, irgendwas vorauszusetzen, dann denkst du schnell wie jeder im Golf – und machst, was jeder erwartet.“
„Carl Spacklers kleiner Bruder“ ist ein gewiefter Medienprofi
Dabei weiß Lang sehr genau, was er tut. Beil all seiner hemdsärmeligen Haltung, saloppen Klamotte und sorgsam gepflegten Unchoreografiertheit ist der Typ, der manchmal daher kommt wie „Caddieshack“-Carl-Spacklers kleiner Bruder, ein gewiefter Medienprofi und Entertainer. Mit dem Erfolgsrezept, am liebsten kein Rezept zu haben: „Arbeite hart, bleib am Ball, sei so direkt wie möglich und versuch’ nie nie, perfekt zu sein.“ Genau das hat er zur Perfektion erhoben.
Lang lebt von der Improvisation, von Intuition und spontaner Reflexion. Seine Kreativität diktiert Zeitpläne, Absprachen und Ablaufplanungen, um’s höflich auszudrücken. Das konzeptionelle Korsett kommt später, wenn er sich die Rosinen aus dem gefilmten Material pickt. Dann fallen dem Schnitt auch schon mal Fakten und Aussagen zum Opfer, die dem großen Meister nicht in den unterhaltsamen Kram passen.
Apropos Bruder: Selbst Langs Eintritt in die Golfer-Gilde wirkt wie ein sorgsam kuratiertes Erweckungserlebnis. Tiger Woods kommt darin vor, zuvorderst jedoch Bruder Christopher: College-Absolvent, konservativ, auf Sicherheit und Seriosität bedacht – „genau das Gegenteil von mir. Allein, weil er Golf spielt und mich immer dazu überreden wollte, habe ich es gehasst“, erinnert sich Lang.
Als Woods 2010 öffentlich seine außerehelichen Abschläge beichtete, horchte er auf – „Da widerlegte einer alle Klischees, die man gemeinhin mit Golf verbindet. Das fand ich interessant“ –, nahm das Angebot des Bruders endlich an und war binnen weniger Stunden vom Spiel förmlich besessen. Selbstredend änderte sich gleichsam die Beziehung zu Christopher: „Ich lernte meinen Bruder neu kennen und wir wurden Freunde – nach 30 Jahren.“
Die Fragen von damals sind bis heute nicht ausgegangen
Lang erinnert sich: „Damals hatte ich eine Unmenge an Fragen an und über Golf: Warum ist dies und das so, warum ist jenes anders?“ Der Stoff für die Sinnsuche ist ihm bis heute nicht ausgegangen, trotz bzw. erst recht wegen seiner zahllosen Abenteuer. Es sind der Geist und das Wesen des Spiels in ihren Myriaden von Facetten, die Lang faszinieren: „An dieser Faszination richte ich mein Leben aus.“
Sein neues. Im ersten Leben gehörte Erik Anders Lang zum Showbiz von Hollywood, realisierte Dokumentation und anderen Content für Weltfirmen wie Louis Vuitton, MTV oder Honda, verantwortete Musikvideos für Künstler wie Moby und die Band Escondido, war von 2014 bis 2016 mit der Popsängerin Sia verheiratet, dann stieg er aus. Aus der Ehe, aus der Traumfabrik. 2020 zog er von Los Angeles nach Austin, machte mobil und realisierte seine eigenen Träume von einem, der Golf liebt, der den besonderen Blick auf und in dieses Spiel sucht.
„Du glaubst nicht, wer gerade hier ist!“
Aktuell freilich schaut er seinem Ball hinterher, der aus der Tee-Box auf der Lausward Richtung Rhein fliegt, nickt sich selbst anerkennend zu und macht die Matte frei. Doch Gespräch und Schwünge werden immer wieder unterbrochen, weil der Gast aus den USA natürlich die Aufmerksamkeit der trainierenden Golfer auf sich zieht. „Du glaubst nicht, wer gerade hier ist!“, murmelt einer in sein Telefon.
Lang quatscht sie alle an, fokussiert sie auf sich; seine Präsenz und Intensität lassen Kameraobjektiv und Mikrofongalgen nahezu unsichtbar werden. Bei über 60 Millionen Golfern auf der Welt gebe es vermutlich ebensoviele Gründe, dieses Spiel zu spielen – und er vermittelt den Eindruck, mit „Adventures in Golf“ jedem einzelnen nachspüren zu wollen. Hauptsache, kein Mainstream.
Indes, ganz offensichtlich hat Lang momentan keine sonderliche Lust, den Stil der Serie und die Motivation ihrer Macher in einen knackigen Satz zu fassen. Die Bitte reicht er generös an Chef-Kameramann Simon Krenk weiter („Warum machen wir das, Simon?“) und lehnt sich zurück. „Wir wollen verstehen und herausarbeiten, wie das ist, wenn ganz unterschiedliche Menschen auf ganz unterschiedliche Weise ein und dasselbe Spiel spielen“, konstatiert der. „Verdammt gut“, lacht sein Chef. „Wieso braucht ihr mich eigentlich noch?“
Charisma zur Kunstform erhoben
Weil Erik Anders Lang sein Charisma zur Kunstform erhoben hat und es so unverdächtig sympathisch zu inszenieren versteht wie wenige. Wegen der unüblichen Herangehensweise an das Sujet Golf. Weil er akzeptiert hat, „dass man von diesem Spiel nie genug kriegen kann“ und sich deswegen „immer neue Ziele setzt, um das Warum zu ergründen“. Wegen seiner rhetorischen Brillanz, die in eingängiger Stimmlage aus markanten Metaphern und einem philosophischen Fundus von Weisheiten großer Denker schöpft. Kurz: Weil er’s kann.
Übrigens: Angesichts der Verweildauer auf der Lausward-Range und wegen des Platzreife-Programms tagsdrauf in Oberhausen war dann für die avisierte Runde doch keine Zeit mehr. Aber wie EAL sehr richtig anmerkt: „Es ist ohnehin am besten und macht den meisten Spaß, wenn man Golf spielt, ohne über Golf zu reden.“ Stimmt, alles andere ist bloß Business.