Ein Birdie fehlte: Noch mal so eins wie der 13-Meter-Putt auf der 17, und Tiger Woods hätte ein Playoff um die Valspar Championship erzwungen. Doch es reichte nur zum Tap-in fürs Par und der 70er Runde, Paul Casey blieb das Stechen vor der Kulisse von Tausenden erwartungsvoll euphorisierter Fans erspart.
Samt moralischer Bredouille, hätte der Engländer es doch allein dem 14-fachen Majorsieger gegönnt, „falls ich nicht selbst gewinne“. An eine Konstellation, wie sie sich gestern anbahnte, dürfte er dabei nicht gedacht haben. Was wäre das für eine Schlagzeile gewesen, beim ersten Profi-Auftritt von „Big Cat“ überhaupt im Innisbrook Resort von Palm Harbour: „Tiger Woods kam, sah und siegte!“
Nach fünf Jahren wieder vier Runden unter Par für Tiger Woods
Freilich, auch dieser geteilte Platz zwei, das erste Top-Fünf-Ergebnis seit 1.659 Tagen, lässt alle Golfwelt sich überschlagen. Nach vier Rückenoperationen, nach Depressionen, Medikamenten-Missbrauch, Verhaftung und Polizei-Fotos, nach Reha-Schinderei und Therapien spielt ein Mann, den viele schon abgeschrieben hatten, beim vierten regulären Turnier seines Comebacks auf der PGA Tour alle vier Runden unter Par. Zuletzt gelang Woods das bei der Northern Trust Open 2013 im Riviera Country Club.
Vor sechs Monaten hatte er noch offenbart, dass es Tage gab, an denen er ohne fremde Hilfe nicht aus dem Bett kam, keinen Schritt ohne Schmerzen tun konnte, dass der Gedanke an Profigolf so weit weg war wie Alfs Planet Melmac, pure Fiktion mithin. Dank der „Valspar“ katapultiert Woods sich in der Weltrangliste von Platz 388 auf Rang 149. Wer hätte das gedacht, er war mal jenseits von Gut und Böse… Ganz nebenbei schraubte das Idol die Einschaltquoten des übertragenden Senders „NBC“ um bis zu 175 Prozent plus nach oben, der Tiger-Effekt halt.
Nicklaus: „Du schaffst es, mein Freund!“
Emiliano Grillo brachte es via Twitter auf den Punkt: „He is so back“, twitterte der Profi aus Argentinien ebenso knapp wie prägnant. „Ich kann bestätigen, dass er zurück ist. Er spielt großartig“, pflichtete Brandt Snedeker bei, der den Hype zwei Runden lang im Flight mit Heros Woods erlebte. Michelle Wie gar, die mal zu Tigers weiblichem Pendant als golferische Galionsfigur stilisiert worden war, postete ein Foto, dass sie beim Genuss von Woods‘ Finalrunde per Handy zeigt.
I can’t right now with the suspense pic.twitter.com/474o9HUNJA
— Michelle Wie (@themichellewie) 11. März 2018
Der Adressat all dieser Hymnen selbst hielt den Ball eher flach. „Ich denke, dass ich ein wenig besser bin als noch bei der Honda Classic. Und ich versuche weiterhin, Schritt für Schritt besser zu werden.“ Die Sonntagsrunde sei nicht „so scharf“ gewesen, resümierte Woods: „Aber ich hatte dem Sieg in Reichweite, und mit ein paar besseren Putts hier und da wäre es vielleicht eine andere Geschichte geworden“.
Besonderen Respekt zollte Jack Nicklaus: „40 ist das neue Zwanzig-Irgendwas?!“, erinnerte der „Goldene Bär“ an den Triumph des 47-jährigen Phil Mickelson unlängst bei der WGC – Mexico Championship und klopfte dem fünf Jahre jüngeren Tiger via Twitter aufmunternd auf die Schulter: „Du schaffst es auch, mein Freund. Ich bin sicher, dass es nicht mehr lange dauert.“ Nicklaus weiß, was möglich ist. Auch ihn, den „Jahrhundert-Golfer“, hatte man als „verbraucht, fertig und ausgelaugt“ schon in Rente geschickt, dann gewann er beim Masters 1986 mit 46 Jahren das sechste „Green Jacket“ und das bis heute unerreichte 18. Major seiner einzigartigen Karriere.
Phänomenale Parallele zu Mickelson möglich
Für die Buchmacher ist Woods nach diesem Wochenende ohnehin Mitfavorit für Augusta National. Die Quoten für den fünften Masters-Triumph liegen aktuell bei 10:1, lediglich Dustin Johnson und Justin Thomas rangieren mit je 8:1 besser. Indes wurden während der „Valspar“-Tage auf keinen anderen Spieler mehr Wetten platzier als auf den Rückkehrer.
Zuerst allerdings wartet das Arnold Palmer Invitational. Acht Mal hat der Tiger das Turnier des 2016 verstorbenen „King“ bereits gewonnen, und seine Fans erwarten nun endgültig nichts anderes als den 80. Titel auf der PGA Tour. Vermutlich würde das eine Massenhysterie und aberwitzige Comeback-Superlative auslösen. Er selbst bleibt freundlich, zugewandt und bescheiden: „Es wird schön, wieder dort zu sein. Ich bin ganz aufgeregt.“
Der „Golf Channel“ hat übrigens eine phänomenale Zahl ermittelt. Sollte Tiger in Bay Hill tatsächlich obsiegen, dann wäre seit dem WGC – Bridgestone Invitational 2013 als letztem Erfolg exakt genau so viel Zeit vergangen wie für Phil Mickelson zwischen Muirfield vor fünf Jahren und Mexiko – 1.687 Tage nämlich.