Phil Mickelson schwört drauf, wenn er nicht gerade während der Runde seinen Kaffee trinkt; Bubba Watson „schläft nach einem langen Tag auf dem Platz besser“; für Pat Perez ist es ein „Game Changer“; die blonde Botschafterin Paige Spiranac preist es in höchsten Tönen: Cannabidiol, kurz CBD, ist der Stoff, an dem die Golfer hängen. Seit sich „Lefty“ Mickelson beim Masters 2019 vor laufenden Kameras ein ominöses Elixier per Pipette auf die Zunge träufelte, ist der natürliche Extrakt aus den Blüten und Blättern der Hanfpflanze in aller Munde – die Zweideutigkeit ist bewusst gewählt.
Wissenschaftliche Beweise stehen aus
CBD gilt als wahres Wundermittel, wenngleich die wissenschaftlichen Beweise noch ausstehen. Es soll lindernd bei Schlaflosigkeit und Schmerzwahrnehmung wirken, prophylaktisch bei Entzündungen, mildernd bei Muskelkater, beruhigend bei Stress sowie generell entspannend, regenerativ und konzentrationsfördernd; ist dabei nicht psychoaktiv, berauschend oder Sucht erzeugend.
Jedenfalls die hochwertigen Produkte nicht, die in Form von Öl, Salbe, Creme, Bonbons oder etwa Gummibärchen angeboten werden. CBD-Öl beispielsweise oder entsprechende Kosmetika sind in Deutschland und in der EU frei ohne Rezept erhältlich, die Zulassung für Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel steht hierzulande noch aus.
Einfluss auf verschiedene Körperfunktionen
Scott McCarron (55) war einer der ersten Golfprofessionals, der CBD vor einigen Jahren für sich entdeckte und zum Erhalt seiner Wettbewerbsfähigkeit im fortschreitenden Golfer-Alter nutzte. Der US-Senior überwachte seine Nachtruhe per „Whoop“-Tracker und schlief nach eigener Aussage mit CBD-Öl endlich wieder wie ein Murmeltier.
Cannabidiol ist einer von rund 70 Wirkstoffen, den sogenannten Cannabinoiden, die in Pflanzen ebenso vorkommen wie im menschlichen Organismus. Als nicht körpereigenes Cannabinoid unterstützt und verstärkt CBD verschiedene Köperfunktionen. Es legt schlichtweg im Gehirn ein paar Schalter um – mit den oben beschriebenen angeblichen Effekten.
WADA-Bann 2018 aufgehoben, von Tour freigegeben
Der Markt für CBD ist gleichwohl ungeregelt, zahllose Hersteller wetteifern um ein Stück vom Kuchen. Und nicht alle der angebotenen Präparate sind „sauber“, sondern können zu hohe Anteile des „high“ machenden, psychoaktiven Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten, das ebenfalls aus dem seit tausenden Jahren als Heil- und Nutzpflanze bekannten Cannabisgewächs gewonnen wird. Bei Kontrollen wurden laut des Portals „Verbraucherzentrale.de“ in über 50 Prozent aller untersuchten Proben teils stark erhöhte THC-Werte ermittelt.
Also, Augen auf beim CBD-Kauf. Andererseits hat die WADA, die Welt-Doping-Agentur, Cannabidiol 2018 von der Liste verbotener Substanzen genommen und die PGA Tour das Mittel anschließend ausdrücklich zur Verwendung freigegeben.
Doping-Charta, Dustin Johnson, Deer-Antler-Affäre
Freilich, der Umgang des Circuits mit Doping und Drogen erscheint ohnehin seit Jahren fragwürdig. In guter Erinnerung sind die zögerliche Zustimmung zur Doping-Charta des IOC vor dem olympischen Golf-Comeback 2016, Dustin Johnsons angeblich selbst auferlegte Auszeit oder die Affäre um Vijay Singh und das Regenerationsmittel „Deer Antler Spray“.
Der heutige Weltranglistenerste war 2014/2015 für acht Monate „aus persönlichen Gründen und zur Regelung privater Angelegenheiten“ von der sportlichen Bühne verschwunden; bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, die PGA Tour habe dem leichtlebigen Feierbiest nach positivem Kokain-Test eine golferische Pause empfohlen, um die Schlagzeilen einer offiziellen Sperre zu vermeiden. Zu viele Partys, zu viel Wodka, ja, aber keine Drogen, hat „D.J.“ selbst im Nachhinein darüber gesagt. Und Probleme mit dem Stress: „Ich habe nicht sehr oft getrunken, jedoch immer ein bisschen zu viel.“
Vijay Singhs Klage gegen die PGA Tour
Singh hingegen hatte 2013 in einem Interview ausgeplaudert, besagtes Hirschhorn-Spray zu benutzen, und war daraufhin suspendiert worden, weil das „Deer Antler“ eine Version des verbotenen Wachstumshormons IGF-1 enthält. Die WADA indes stufte das Präparat nicht als grundsätzlich leistungssteigernd ein und Singhs Suspendierung wurde aufgehoben. Schließlich verklagte der Pro von den Fidschi-Inseln die PGA Tour wegen Rufschädigung und erzielte eine außergerichtliche Schadenersatz-Einigung.
„Big John“ Daly hat im zeitlichen Kontext der Johnson-Auszeit mal erzählt, die Drogentests der Tour seien keineswegs zufällig, und sprach davon, dass teilweise mit Ansage getestet werde. Er nannte das ganze Verfahren einen Witz. Die noch von Commissioner Tim Finchem geführte PGA Tour konterte seinerzeit mit dem beharrlichen Hinweis auf „zufällige und ebenso zudem punktuelle“ Überprüfungen.
Scheinbar werden nur Nobodies erwischt
Bis heute liegt der Verdacht nahe, dass es zumeist Nobodies sind, die öffentlich für Drogen- oder Dopingvergehen angeprangert werden, wenn mal jemand erwischt wird. Wobei: „Die zweifelhaften Kandidaten testen sie grundsätzlich sehr selten“, sagte schon damals ein mehrfacher Tour-Sieger, der ungenannt bleiben wollte.
Zurück zum Cannabidiol, das bei Amateuren offenbar ebenfalls zum begehrten Behelf avanciert. Dabei geht‘s doch auch ohne zusätzliche Stimulanzien: Statt sich Erwartungshaltung und Handicap-Hybris zu unterwerfen, einfach das Golfglück zulassen und genießen. Dann schüttet das Gehirn von selbst Nervenbotenstoffe, umgangssprachlich Endorphine, in die Blutbahnen aus. Serotonin und Dopamin wiederum erzeugen Glücksgefühle, Ambitionen und Leistungsbereitschaft – kurz: körpereigenes Doping.