Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die deutschen Fußballer vor vier Wochen in ihrem EM-Trainingslager besucht hat, da muss einer der DFB-Kicker den Termin mit dem Staatsoberhaupt einfach geschwänzt haben. „Der ist lieber Golf spielen gegangen“, hat Daniel Stenzel, General Manager des Spa & GolfResort Weimarer Land, neulich im Frühstücksfernsehen von SAT. 1 verraten.
Wer immer das war, es sei ihm verziehen. Die 45 Loch des Resorts liegen halt allzu einladend in der thüringischen Idylle südlich der Kulturstadt Weimar, die durch das Bauhaus und Deutschlands bedeutendsten Dichter berühmt geworden und auch sonst voller Sehenswürdigkeiten ist. Stichwort Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek. Der Geheime Rat Johann Wolfgang von Goethe hat sich seinerzeit hier ergangen, heute sind allerlei Wander- und Erlebniswege nach ihm benannt. Und einer der Golfplätze im Weimarer Land.
Goethe-Course: Perfekt gepflegt – und fast verlassen
Der Goethe-Course übt dieser Tage einen besonderen Reiz aus. Die 18 von ausgedehnten Waldgebieten gerahmten Löcher liegen sattgrün, perfekt gepflegt und fast verlassen in der Landschaft. Sie sind Sperrgebiet, weil zwischen den Bahnen sechs und sieben die Fußballanlage mit anderthalb Plätzen nach Standard des Weltverbands FIFA liegt, auf der Englands Three Lions mit wenigen Ausnahmen sehr geheim und abgeschottet für die Mission Europameisterschaft trainieren. Bloß morgens brummen die Pflegemaschinen der Crew von Headgreenkeeper Andreas Bussmann über die Wiese. Und nachmittags mal Carts. Wenn im Basecamp des englischen Fußballverbands The FA Zeit zur freien Gestaltung ist, und die Golfnerds um Harry Kane des Teams ihre Höhle der Löwen verlassen, um – flankiert von Buggies mit Security-Leuten – den Schläger zu schwingen.
„Wohltemperierter“ Drive, wenig Raum für Fehler beim Approach
Das Fußballfachmagazin „Kicker“ hat sich in seiner Vorberichterstattung sogar dem Signature Hole des Goethe-Course gewidmet, der Zwölf, einem 335 Meter langen Par-4. Der Abschlag ins Tag müsse wohltemperiert erfolgen, heißt es in der Einleitung des Artikels über den Rückzugsort der Kickerklientel: „Von dort gilt es, die Kugel mit einem Wedge oder Eisen 9 möglichst nah an die Fahne auf einem Inselgrün zu dirigieren. Birdie, Par oder doch ein Schlag ins Wasser?“ Tatsächlich ist es eine Halbinsel mit etwas Toleranz für zu kurze Approaches vor dem Grün, aber in der Tat wenig Spielraum für Fehler seitlich und hinten.
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Gutes halbes Dutzend Golfer im englischen Team
Die Engländer, die nach dem mageren Auftakt-1:0 über Serbien heute in Frankfurt gegen Dänemark ihr zweites Gruppenspiel bei dieser EM bestreiten, haben quasi naturgemäß mehr Golfer im Aufgebot als die DFB-Auswahl. „Jordan Pickford, James Maddison und Kyle Walker sind sämtlichst gute Spieler“, hat Kapitän Kane für „Golf Monthly“ mal aufgezählt, der Torjäger und Topgolfer mit Handicap 3. „Wir haben eine ziemlich große Golfgruppe.“ Declan Rice, Aaron Ramsdale und John Stone gehören ebenfalls dazu. Das einzige Problem: „Wir haben unsere eigenen Schläger nicht mit, wenn wir für England unterwegs sind. Also spielen wir immer mit Leihschlägern. Es ist nie das Gleiche!“, sagt Kane.
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„Abschalten und den Kopf frei kriegen“
Ok, dann sind die Drives entschuldigt, die Declan Rice und Co. bei ihrer ersten Runde auf der Zwölf abgefeuert haben. Immerhin: Lang waren sie. Und um Scores und Handicaps geht es bei diesen Ausflügen eh nicht, aller Fokus gilt dem EM-Finale. Dennoch: „Der Golfplatz ist großartig, eine tolle Driving Range haben wir ebenfalls“, lobt Declan Rice. „Einige der anderen Jungs sind auch bereits mit dem Golfbazillus infiziert. Ich liebe das Spiel, weil man dabei abschalten und alles andere ausblenden kann, ja sogar muss, und so den Kopf frei kriegt“, erzählt der defensive Mittelfeldspieler auf der Ledercouch des „Tagebuch“-Formats, das die Social-Media-Leute der Lions jeden Tag für die Fangemeinde draußen in der Welt aufzeichnen und ausstrahlen.
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Dementsprechend locker sind die Spieler, wenn sie mit ihren Carts den Rad- und Spazierweg kreuzen, der an zwei Stellen durch den Goethe-Course schneidet. Dann gibt es freundliche Gesichter und Autogramme für die Fans aus den umliegenden Ortschaften – und auch mal ein Selfie. „Fußballer lieben es, Menschen zu begegnen. Und sie lieben die Fans“, sagt Resortinhaber Matthias Grafe dazu. „Die wollen sich vielleicht gar nicht so sehr abschotten.“
Normaler Spielbetrieb auf 27 Löchern
Vielleicht wurde auch deshalb einige englische Spieler sogar auf dem zweiten Platz und auf dem Kurzkurs des Resorts gesichtet, obwohl der wasserreiche Feininger-Course und der Königin Luise 9-Loch Course nicht mehr englisches „Hoheitsgebiet“ sind. Samt ausgelagerter Golfrezeption mit kleinem Pro-Shop und Gastronomie in der Resort-eigenen Reitanlage Gut Krakau sind die 27 Löcher vielmehr für die Öffentlichkeit frei zugänglich; dort läuft der Spielbetrieb uneingeschränkt. Lediglich die „Feininger“-Bahnenfolge wurde verändert, um Auftakt- und Schlussloch entsprechend anzubinden.
„Slow Play“ am Hotel wird nicht geduldet: Bitte durchspielen!
Kiebitze, Sensationsmedien und Paparazzi auf der Suche nach dem besonderen Bild haben trotzdem keine Chance. Zwar waren ein paar Journalisten und auch etliche Fans schon so clever, sich einfach eine Teetime für „Feininger“ zu buchen, um auf manchen Abschlägen und Grüns dem Hochsicherheitsbereich des Hotels besonders nahe zu sein und vielleicht ein paar Einblicke oder einen Schnappschuss zu ergattern. Doch da ist die Security auf der Hut und dringt unnachgiebig aufs Durchspielen. Oder anders: Slow Play wird nicht geduldet.