Das Protokoll ist erfüllt: Brian Harman, der Titelverteidiger, hat die Claret Jug ungern, aber artig bei Noch-R&A-Chef Martin Slumbers abgeliefert. „Es ist mir schon schwergefallen, die Kanne wieder aus der Hand zu geben“, sagt Harman dieser Tage in Troon. „Ich habe mich ziemlich an sie gewöhnt und sie zu Hause immer im Blick gehabt.“
Die Kanne auf der Küchenablage
Daheim, das ist auf St. Simmons Island in Georgia: Harman, den sie alle Brian the Butcher nennen, weil er nicht nur leidenschaftlicher Jäger ist, sondern das erlegte Wild auch selbst zerlegt, hat bei Ehefrau Kelly sogar durchgesetzt, dass der Silberkrug einen Platz auf der Küchenarbeitsplatte bekommt. „Meine Frau hat mich mehrmals gebeten, die Claret Jug wegzuräumen und ins Trophäenregal zu stellen, doch ich bin hart geblieben und habe gesagt: Nein, hier steht sie genau richtig.“
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Claret Jug wird durch kleinere Replika ersetzt
Der 37-jährige Champion Golfer of the Year von Royal Liverpool hat sich nach eigenem Bekunden mehrfach dabei ertappt, „wie ich daran vorbeigelaufen bin und dachte: Verdammt, Mann, ich kann immer noch nicht glauben, dass das passiert ist“. Nun ist die originalgetreue Trophäe weg und wird durch eine kleinere Replika ersetzt. Was bleibt, ist Harmans Erkenntnis: „Das sportliche Dasein als Major-Champion ist ein deutlich besseres.“
Das Mantra vom Erfolgspotenzial
Wer wüsste das nicht besser als Tiger Woods. Der Superstar hat die Erfahrung gleich 15 Mal gemacht. Und 2019 in Augusta mit dem fünften Masters-Gewinn bewiesen, dass späte Majors nicht nur für Jack Nicklaus oder Phil Mickelson möglich sind. Seit dem fatalen Auto-Unfall vom Februar 2022 humpelt Woods allerdings dem nächsten Exempel hinterher und erzählt mantrahaft vor jedem der wenigen Turniere, die er noch absolviert, das 16. Major absolut drauf zu haben. Wahlweise den 83. Sieg auf der PGA Tour, der ihn zum alleinigen Rekordgewinner vor Sam Snead machen würde.
Woods und die Wettbewerbsfähigkeit?
Mit ebenso unschöner Regelmäßigkeit bleibt er freilich den Beweis schuldig – weil sein Spiel zwar gut genug ist, der ramponierte Körper indes nicht mitspielt. Seit 2019 war er nicht mehr unter den Top-20, bei fünf der letzten sieben Majors verpasste er den Cut oder gab zwischendrin auf. Doch Woods will den offenkundigen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit nicht wahrhaben und handelt frei nach Goethe und dem Urteil der Engel über Faust: Wer immer strebend sich bemüht, den werden wir erlösen.
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Monty plustert sich mächtig auf
Bislang hingegen darf der 48-Jährige hernach lediglich Nekrologe auf seine Karriere lesen und sich Rücktrittsforderungen anhören. So jüngst von Colin Montgomerie. „Tiger hat bei der US Open in Pinehurst nicht befreit aufgespielt und wird es auch hier nicht tun. Was zum Teufel macht er bloß?“, plusterte sich der in Glasgow geborene Schotte, der als eine Art Botschafter dieser Open in South Ayrshire an der Westküste von Schottland fungiert, in der „London Times“ auf.
„Tiger barbecued Montgomery“
Bei seiner Pressekonferenz erwies sich Woods dann so schlagfertig wie auf dem Platz. „Durch meine vergangenen Erfolge bin ich bis zum 60. Lebensjahr teilnahmeberechtigt. Colin ist es nicht. Er kann also nicht beurteilen, so eine Entscheidung treffen zu dürfen.“ Bäääm, was für eine Watsche. „Tiger barbecues Montgomery“ titelte „Golfweek“ zu diesem Hieb in die nach wie vor offene Wunde beim majorlosen Monty.
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Verlust der Fähigkeit, Majors zu gewinnen?
Apropos majorlos. Dritter im Bund der Schicksalsgenossen ist Rory McIlroy. Dem Nordiren scheint gleichermaßen die Fähigkeit abhandengekommen zu sein, ein weiteres Major zu gewinnen, sein fünftes. Er war ein paar Mal sehr nah dran, wurde entweder noch abgefangen oder gab den Sieg selbst aus der Hand, siehe Pinehurst. Die diversen Dramen seit der 150. Open vor zwei Jahren werden mittlerweile schon mit den Kollapsen eines Greg Norman verglichen. Ausgerechnet. Der Impresario des Konkurrenzcircuits LIV dürfte einer der letzten sein, mit dem McIlroy in einem Atemzug genannt werden will.
McIlroy: Glaube schon, mir was verdient zu haben
Ohnehin glaubt „Rors“, dass er nun genug gelitten hat. „Ich habe stets gesagt, der Golfsport ist mir nichts schuldig ist. Nach St. Andrews 2022, der US Open im Los Angeles Country Club und jetzt Pinehurst glaube ich dennoch, dass ich mir Erlösung verdient habe. Das heißt nicht, dass ich sie auch bekomme. Wenn man sowas sagt, riecht das ja immer irgendwie nach Anspruch“, erklärte der 35-Jährige im Gespräch mit dem „Guardian“. Redemption als Rendite sozusagen, sorry für das Wortspiel.
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Tigers Aufmunterung mit Verzögerung
Aufgemuntert wurde er nach der jüngsten Schlappe gegen Bryson DeChambeau sogar von Tiger Woods höchstselbst. Die Nachricht seines Freunds und Geschäftspartners kam gleichwohl mit Verzögerung an: McIlroy hatte vor seiner Auszeit bis zur Scottish Open die Mobilnummer gewechselt, um der Flut an Beileidsbekundungen und Kopf-hoch-Nachrichten zu entgehen.
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