Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Sagt man doch so. Also: Nach der Porsche European Open ist vor der European Open. Doch diesmal steckt mehr drin, als bloß die Binse, dass quasi mit dem letzten Putt auf dem 18. Grün des Porsche Nord Course bereits die Vorbereitungen für den ersten Abschlag im kommenden Jahr beginnen. Weil der Vertrag von Titel- und Hauptsponsor Porsche ausgelaufen ist. Und alle sich fragen: Wie geht es weiter mit dem Traditionsturnier? Steigt nächstes Jahr wieder eine European Open auf den Green Eagle Golf Courses vor den Toren von Hamburg?
„Nicht angetreten, um hier bloß drei Jahre Golf zu machen“
Für Dirk Glittenberg steht die Antwort fest: „Wir sind nicht angetreten, um hier bloß drei Jahre Golf zu machen“, betont der Turnierdirektor, der mit seiner Agentur U.COM die organisatorischen Geschicke des Gastspiels der DP World Tour in Winsen (Luhe) leitet. Da kommt es sehr zupass, dass die 40. Auflage, die mit dem Sieg des nordirischen Novizen Tom McKibbin zu Ende gegangen ist, gleichermaßen die beste „ever“ war.
„Ich habe noch nie eine solch überragende Stimmung bei einem deutschen Turnier erlebt – und ich habe sie alle gespielt seit 1999. Das ist mit Abstand das schönste Turnier gewesen von der Atmosphäre. Der Golfplatz ist einfach mega. So viele Kids draußen. Ich glaube, das war ein richtig wichtiges Turnier für die Zukunft und für unsere jüngeren Golfer.“
Marcel Siem
Nicht allein wegen des Rekords von 23.500 Zuschauern oder weil Gastgeber Michael Blesch seinem Parcours ein qualitatives Set-up verpasst hat, das den biberfleißigen Baumeister vier Tage lang mit glänzenden Augen herumlaufen ließ: mit Grüns wie Samt und Fairways wie anderswo Grüns. Nicht nur, weil das Public Village das bislang größte seiner Art und voller zufriedener Besucher und Aussteller war oder das Wetter endlich mal vom ersten bis zum letzten Tag mitgespielt hat. Es war die gesamte Atmosphäre; die spezielle Stimmung, die allerorten spürbar war: Diese Porsche European Open 2023 war ein Golffest. Die beste Werbung für den Standort Green Eagle Golf Courses und für das Konzept von U.COM. Und der Beweis, dass sich die Porsche European Open mit nunmehr sechs Veranstaltungsjahren seit 2017 im Norden etabliert hat.
„Das Turnier hat eine große Zukunft“
So sieht es auch Keith Pelley. Der Chef von DP World Tour und European Tour Group war am Sonntag zu Gesprächen und Meetings eingeflogen und schlenderte mit Glittenberg über die Anlage, bevor das Protokoll der Siegerehrung ihn aufs 18. Grün rief. „Ich glaube, wir haben die Porsche European Open zu einem phänomenalen Turnier gemacht. Und ich glaube, dass es eine große Zukunft hat“, erklärt der Kanadier, als Golf Post ihn während des Rundgangs traf und nach den Aussichten für das Event fragte. Das kurze Gespräch im Wortlaut:
„Ein wichtiger Markt und ein wichtiges Turnier“
Golf Post: Mr. Pelley, wie geht es mit der European Open weiter?
Keith Pelley: Alle reden über das nächste Jahr, aber ich sage erstmal: Dieses Jahr war absolut spektakulär. Die beste Zuschauerzahl, die wir je hatten, die beste Hospitality-Lounge, das beste Public Village. Und ein Riesenrad in der Mitte zu haben, ist sowieso spektakulär. Ich glaube, wir haben die Porsche European Open zu einem phänomenalen Turnier gemacht, das eine große Zukunft hat.
Golf Post: Wie könnte die aussehen?
„Wir hatten ein sehr positives Gespräch mit Porsche und wie ich immer sage: Man sollte nicht immer allen Gerüchten glauben. Die Green Eagle Golf Courses sind eine großartige Anlage, in tadellosem Zustand und ein echter Test für unsere Spieler. Unser Promoter U.COM hat einfach unglaubliche Arbeit geleistet.
Golf Post: Wie wichtig ist eine European Open in Norddeutschland für die DP World Tour?
Keith Pelley: „Nun, ich denke, es wird immer wichtiger, weil die deutschen Spieler immer stärker werden. Es war ein wunderbares Jahr für die Entwicklung jüngerer Spieler wie Nick Bachem oder Yannik Paul. Und es ist großartig, dass Spieler wie Max Kieffer und Marcel Siem zurückkommen und gewinnen. Dazwischen gibt es Leute wie beispielsweise Hurley Long, der sich ebenfalls zu einem Spitzenspieler entwickelt hat. Für uns ist es also wichtig, zwei Turniere in Deutschland zu haben, damit die deutschen Fans diese deutschen Stars sehen können.
Golf Post: Gibt es etwas, was Sie als DP World Tour tun können, um Veranstalter, Sponsoren und sonstige Partner zu unterstützen, wenn es um die Perspektiven für ein Turnier wie die European Open geht?
Keith Pelley: Ja, natürlich. Das sind genau die Gespräche, die wir gerade mit U.COM führen. Dort wird bemerkenswerte Arbeit geleistet: Man hat unglaublich gute Partner und auch neue Partner gefunden, die dieses Jahr hinzugekommen sind. Schauen sie sich bloß mal im Public Village um. Darauf müssen wir aufbauen, und natürlich werden wir dabei helfen, denn dies ist nicht nur ein wichtiger Markt, sondern auch ein sehr wichtiges Turnier. Und die Unterstützung, die wir von Hamburg bekommen, ist großartig. Nicht zuletzt sind wir Porsche dankbar, dass sie es so aufgebaut haben.
Golf Post: Eine ketzerische letzte Frage: Schadet die DP World Tour sich und ihren Turnieren durch die Sanktionen für die LIV-Spieler nicht letztlich selbst? Immerhin fehlen damit etliche attraktive Namen.
Keith Pelley: Für mich ist das ganz einfach: Jede Organisation, jedes Unternehmen und besonders eine Mitgliederorganisation wie die unsere hat Regeln und Vorschriften. Man muss Regeln und Vorschriften haben, sonst läuft das Geschäft nicht. Das Sportschiedsgericht und dessen Beschlüsse haben uns das Recht gegeben, uns an unsere Regeln und Vorschriften zu halten – und genau das tun wir. Ich bin also völlig zufrieden mit unseren Entscheidungen und mit der Richtung, in die wir uns bewegen.
Golf Post: Aber letztlich geht es um die Attraktivität für die Fans.
Keith Pelley: Schauen Sie sich um. Ich denke, die Fans hier haben eine tolle Zeit.
Mr. Pelley, danke für den Stopp und das kurze Gespräch.
Damit hat er fraglos recht. Für dieses Mal. Angesichts 19 deutscher Akteure, davon zehn Tour-Spieler um die Sieger Siem, Kieffer, Paul und Bachem und bei dem Titel-Fight, den Siem und Kieffer geliefert haben, dürfte niemand beispielsweise einen Martin Kaymer vermisst haben. Wenngleich „für Martin bei uns immer die Tür offen sein wird, sofern er spielen darf und kann“, betont Turnierdirektor Glittenberg. „Und natürlich hätten wir ebenso gern Porsche-Botschafter Paul Casey hier gesehen.“ Doch beide wurden bekanntlich wegen ihrer Teilnahme an den Events der LIV-Liga temporär gesperrt; Kaymer hat der DP World Tour ohnehin inzwischen die Mitgliedschaft aufgekündigt. Vielleicht spielt er ja irgendwann als Freund des Hauses U.COM und als Gaststarter mit dem Segen von Virginia Water? Kaffeesatzleserei.
Tour-Spielplan für 2024 und neue Strategie
Wie’s insgesamt weitergeht, wird sich in Kürze erweisen. Ebenso wie für die PGA Tour wird auch der Kalender der DP World Tour für 2024 bereits im nächsten Monat erscheinen. Ungewohnt früh. Auch die Tour selbst bastelt an einer neuen Strategie für 2024. Die soll im Rahmen der Scottish Open (13. bis 16. Juli) präsentiert werden. Falls es nicht doch zu einem Arrangement mit LIV kommt, wäre der Ausbau der strategischen Allianz mit der PGA Tour die einzige Alternative.
In Ermangelung der Kaymer, Casey und Co. könnte es darauf hinauslaufen, dass die europäischen Top-Turniere mit US-Unterstützung personell und wirtschaftlich weiter aufgewertet werden. Womöglich verändert sich die gesamte tradierte Struktur des europäischen Spielplans. Es kann weder in Pelleys noch in PGA-Tour-Commissioner Jay Monahans Interesse sein, dass das Geschehen auf der DP World Tour – mit wenigen Ausnahmen – eher vor sich hinplätschert und Promoter wie Gastgeber allein sich die Beine ausreißen, um die Fans zu faszinieren.
Attraktivität des aktuellen Personals erhöhen
Derweil muss es allen Beteiligten angelegen sein, die Attraktivität des aktuellen Personals zu erhöhen; aufstrebende Spieler und Ryder-Cup-Aspiranten wie Yannik Paul, Bob McIntyre oder die Hojgaard-Zwillinge in den Fokus zu rücken. Immerhin sollen sie zu neuen Zugpferden der Tour avancieren und in der Turnierwerbung „bella figura“ machen. „Du musst die Leute bekannt machen: Das ist unser Job, wenn es aufs Turnier zugeht, aber der Job der Tour, wenn es übers Jahr geht“, sagt Dirk Glittenberg dazu und erzählt, dass es im Meeting mit Keith Pelley auch darum ging, „wie die Tour sich in Zukunft die Gestaltung der Spielerfelder vorstellt“.
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Wie immer der neue Kalender aussieht, Glittenberg möchte mit dem Turnier gern im Juni bleiben, wieder in der Woche nach Pfingsten, um im Sinne des Zuschaueraufkommens den Feiertagen und den Ferien zu entgehen. Dass im fernen Ohio Memorial-Gastgeber Jack Nicklaus gerade verraten hat, sein Designated Event werde künftig wohl direkt in die Vorwoche der US Open rutschen, käme ebenfalls nicht ungelegen, um den einen oder anderen europäischen Star aufs Grüne Monster zu locken.
Tour-Standort als Basis für den Traum vom Ryder Cup
Nach dem Spiel ist halt vor dem Spiel. „Wir sind im konstruktiven Austausch mit Porsche, wie es weitergeht“, wird Glittenberg nicht müde zu betonen. „Die Entscheidung muss relativ bald fallen.“ Und: „Bei Porsche ist man super happy mit dem, was wir abliefern.“ Aber egal, mit wem: „Wir haben ganz klar vor, hier weiterzumachen“, bekräftigt der U.COM-Chef. Immerhin gebe es ja auch noch einen gemeinsamen Traum. Daran werkelt Baumeister Blesch auf der anderen Seite seiner Anlage: am neuen West Course für die Bewerbung um den Ryder Cup 2035.
Allein deswegen wäre es ungemein wichtig, weiterhin Standort eines Tour-Turniers zu sein. Die enge Zusammenarbeit zwischen Blesch und Jeremy Slessor von European Tour Design ist womöglich ein weiteres wichtiges Puzzlestück für die Hoffnung, dass die Tour Green Eagle nicht fallen lässt. Auch Pelley dürfte froh sein, eine Anlage mit derartigen Perspektiven im Portfolio für den Kontinentalwettbewerb zu haben. Kurzum: Nur Spaßbremsen predigen das Mantra „Man soll aufhören, wenn’s am schönsten ist“.
Interessante Zahlen. Gerade auf dem Hintergrund, dass behauptet wird, dass Liv deutlich mehr Zuschauerschaft zieht als die DPWT. Widerlegen ist leider nicht so einfach möglich.