Die British Open diese Woche in Royal Liverpool und dann in einem Monat Valhalla mit der PGA Championship, das ist das „Terroir“ für Tiger Woods: Fruchtbarer Boden, auf dem er 2006 bzw. 2000 Major-Siege erntete wie andere guten Wein. Binnen Monatsfrist wird sich erweisen, ob der Ausnahmegolfer seinem letzten großen Ziel endlich näher kommt: den 18 Majors von Jack Nicklaus. Die Kaffeesatzdeuter sagen, wenn er auf diesen beiden Lagen nicht mindestens Nummer 15 schafft, wird‘s schwierig mit der Queste. Mehr noch: An Woods‘ sportlicher Befindlichkeit hängt auch das Wohl und Wehe des Golfsports insgesamt.
Ein Glücksfall begeistert die Golffans
Der Tiger war ein Glücksfall. Als er 1997 als jüngster Spieler „ever“ das Masters gewann, wurde aus dem Sternchen ein Superstar. Woods befeuerte das öffentliche Interesse, im Sog explodierten Sponsoren-Engagements und Preisgelder. Seine afro-amerikanische Herkunft machte Golf überdies zum soziokulturellen „Hingucker“. Selbst der Skandal um seine außerehelichen Affären vermochte die Fans nicht wirklich zu erschüttern.
Tiger Woods hat von jeher polarisiert. Von Vater Earl Woods, dem Ex-Oberstleutnant der Green Berets, gedrillt, von der thailändischen Mutter Kultida an asiatische Disziplin gewöhnt, war Woods ein einsames Licht. Unnahbar, abweisend, fokussiert. Das reicht nicht für hohe Sympathiewerte – 2013 gehörte Woods laut einer Forbes-Umfrage zu den unbeliebtesten US-Sportlern –, doch die Leute kommen in Scharen, um ihn zu sehen. Der Literatur-Nobelpreisträger John Steinbeck hat, lange vor Woods, das Faszinosum mal verkürzt so beschrieben: „Menschliche Eigenschaften wie […] Güte, Offenheit und Gefühl sind Symptome des Versagens. Negativ besetzte Charakterzüge wie […] Egoismus sind Merkmale des Erfolgs. Man bewundert zwar die Ersteren, begehrt aber die Erträge des Letzteren.“
Der Golf-Zirkus hängt am Tropf von Tiger Woods
Wenn Woods nicht da ist, dann sackt alles in sich zusammen. Eintrittspreise, Zuschauerzahlen, TV-Quoten, Sponsoren-Interesse. Immer noch. CBS verzeichnete beim Masters 2014 die schwächsten Einschaltquoten seit 1993. Zur US Open kosteten die Tickets teilweise nur ein Viertel des Preises von Merion 2013. Was zu beweisen war. Golf hängt am Woods-Tropf.
Aber „Supermans“ Lack blättert. Der „Jedermann“ Tiger Woods spürt den Verschleiß der hoch intensiven Golfjahre, hat seinen Fokus ohnehin verändert. Bei der „Quicken Loans“ war er an und auf den Grüns miserabel, obwohl er das wochenlange Putten, Chippen und Pitchen nach der Rücken-OP „als Segen für mein kurzes Spiel“ bezeichnet hatte: 55,6 Prozent „Greens in Regulation“, nur drei erfolgreiche „up & downs“ bei 16 verfehlten Grüns und eine unterirdische Putt-Statistik mit Platz 106 im Feld standen zu Buche, bevor der Cut dem rostigen Comeback ein Ende machte.
Tigereske Nachfolger dringend gesucht
Anschließend urlaubte Woods erstmal mit seinen Kids. Früher hätte er nahezu manisch trainiert, um die Scharten auszuwetzen. Das macht ihn menschlich, und er gibt sich längst lockerer und zugänglicher, als man ihm früher jemals zugetraut hätte. Dem Nimbus indes ist das nicht zuträglich.
Die Golfwelt sollte sich sämtliche Daumen drücken, dass Tiger Woods seiner Wirkweise alsbald mit dem 15. Major neuen Schub verpasst. Aber selbst dann: Man ist gut beraten, die Menetekel nicht zu ignorieren und sich allmählich auf das Ende der Ära Woods vorzubereiten.
Denn es droht das Vakuum, Nachfolger von tigeresker Strahlkraft sind derzeit nicht in Sicht. Adam Scott ist zu brav, Rory McIlroy zu nett, Henrik Stenson zu blass, und Bubba Watson, na ja, einfach zu „bubba“. Es bedarf halt der ganz speziellen Aura von Überfiguren, um einen Sport populistisch zu repräsentieren.