Die Schotten haben der Welt zwei großartige Geschenke gemacht: Golf, das Beste aller Spiele, und Whisky, Uisge Beatha in Gälisch, das Wasser des Lebens. Über die Erfindung wird zwar trefflich gestritten: Die Niederländer reklamieren „Kolf“ für sich, und die Iren mit dem multitalentierten Nationalheiligen St. Patrick wollen als Erste Aqua Vitae aus vergorener Getreidemaische destilliert haben. Doch sei’s drum, in jedem Fall kann man sich getrost darauf einigen, dass beides in Schottland zu heutiger Bedeutung entwickelt wurde und gereift ist.
Zehn Destillerien auf 619 Quadratkilometern
Das war als Vorbemerkung vonnöten. Weil vor der Westküste eine nicht sonderlich große Insel liegt, für die in Sachen Golf und Whisky zutrifft, was der Volksmund mit „Wenn Ostern und Weihnachten auf einen Tag fallen“ umschreibt: Islay, die Königin der Hebriden, 40 Kilometer lang und maximal 32 Kilometer breit. Damit ergibt sich eine Fläche von 619 Quadratkilometern – und genug Raum für zehn Whisky-Destillerien. Tendenz steigend. Nun mag man sagen, in Schottland ist quasi an jeder Ecke eine Brennerei – rund 150 nach aktuellem Stand –, aber eine Dichte wie auf Islay gibt es wohl nirgendwo.
Eine der fünf offiziellen schottischen Whisky-Regionen
Mehr noch, die Insel hat einen eigenen Status innerhalb der fünf offiziellen, gesetzlich geschützten Whisky-Regionen des Landes: Highlands, Lowlands, Islands, Speyside und eben Islay. Manche zählen noch Campbeltown auf der Halbinsel Kintyre dazu. Die Stadt galt einst als Whisky-Kapitale der Welt, hat indes mittlerweile nur noch drei Destillerien – dafür aber mit dem von Old Tom Morris angelegten Machrihanish Golf Club und Machrihanish Dunes zwei grandiose Golfkurse.
Reines Wasser und besondere Torf-Provenienz
Islays Einzigartigkeit begründet sich durch das überaus reine Wasser und die besondere Provenienz des Torfs, mit dessen Rauch die gemälzte Gerste getrocknet und geräuchert wird. In Tausenden Jahren hat sich auf Islay unter dem Einfluss des Atlantik eine besondere Form dieses biologischen Brennstoffs entwickelt. Die komprimierten Schichten von Gras, Heide und Moos in den Torfmooren sind angereichert mit Jod, Salz, Seetang und anderen fossilen maritimen Hinterlassenschaften, was den Peated Single Malt Whiskys (Peat, englisch für Torf) von Islay ein einzigartiges, prägnantes Aroma verleiht.
Destillerien von Weltruf und torfigster Whisky der Welt
Destillerien wie Bowmore, Laphroaig, Ardbeg oder Lagavulin haben es damit zu Weltruf gebracht. In Bruichladdich hat der zur Whisky-Legende avancierte Master Distiller Jim McEwan, der seine Laufbahn als 15-jähriger Fassmacherlehrling in Bowmore begann, mit der Octomore-Serie den am stärksten getorften Whisky der Welt kreiert, was über den Phenolgehalt definiert wird. Üblicherweise liegt der bei 25 bis 50 ppm (parts per million), doch McEwan verordnete dem Octomore deutlich dreistellige Werte. Die Gerste stammt übrigens ausschließlich von der gleichnamigen Farm auf Islay.
Kreislaufwirtschaft in Kilchoman
Derart regional arbeitet ansonsten nur Kilchoman, wo eine Art Kreislaufwirtschaft betrieben wird. Islays größte Destillerie hingegen ist Caol Ila, die ebenso abgelegen an der felsigen Ostseite der Insel liegt wie Bunnahabhain und den größten Teil der Logistik per Schiff am eigenen Anleger abwickelt. Während in Port Ellen Anfang des Jahres einer der historischen Produktionsstätten vom Spirituosenkonzern Diaego aus dem Dornröschenschlaf erweckt wurde, brachte dieser Tage Ardnahoe als jüngste Destillerie der Insel nach fünfjähriger Fassreifung die erste Abfüllung auf den Markt.
„Der Küste des Himmels sehr nah“
Der Termin war gut gewählt. Denn alljährlich in der letzten Maiwoche steigt auf Islay das Fèis Ìle, untertitelt als „Festival of Malt and Music“. So wird die Insel auch ab heute bis zum 1. Juni wieder zum Nabel der Whiskywelt, mit drei Mal mehr Besuchern als Einwohnern (rund 3.000) und einer Partymeile, die sich täglich wechselnd durch alle Destillerien und über die gesamte Insel zieht. Der schottische Folkmusiker und „Whisky-Barde“ Robin Laing, der auch heuer beim Fèis Ìle zur Gitarre greift, hat das trefflich in Worte gefasst: „Auf dieser Insel der Destillerien ist man der Küste des Himmels sehr nah.“
„Links Series“ mit Abfüllungen aus spezieller Fasslagerung
Und wo ist nun die Verbindung zu Golf? Salopp gesagt: überall. Das macht Islay diesbezüglich zur Insel der Seligen. Whisky-Legende McEwan, der ein begeisterter Golfer war, solange seine Knie mitmachten, hat dem Spiel im Jahr 2003 in Bruichladdich eine „Links Series“ exklusiver Whisky-Abfüllungen aus spezieller Fasslagerung gewidmet. Auf die Weise würdigte er zwölf Orte auf dem Globus, wo er bei seinen Reisen als Botschafter von Islays Uisge Beatha besonders angenehme Erfahrungen gemacht hat, darunter St. Andrews Old Course, Augusta National, K Club, Torrey Pines, Valhalla, The Vancouver Club.
1891 angelegt, 2011 grundlegend überarbeitet
Sam Johnston wiederum ist Produktionsleiter bei Laphroaig und war Kapitän des Islay Golf Club. Dessen Spielwiese liegt an der kilometerlangen feinsandigen Laggan Bay und ist ein nunmehr 133 Jahre alter Linkskurs, den der englische Golfprofessional und Platzdesigner D. J. Russell 2017 grundlegend überarbeitet hat.
Russell, der 2006 beim Ryder Cup im irischen K Club Assistent von Ian Woosnam war, gelang das Kunststück, den Parcours in ein Resort-taugliches Ensemble zu verwandeln und dabei einige der eher absonderlichen Elemente zu bewahren, die niemanden gestört haben, als Willie Campbell 1891 die originären Bahnen in den Dünen aussteckte.
Features nach Vorväter Sitte und ein Wee Course
„Quirky“ (skurril, schrullig) trifft ziemlich genau, was an Features nach Golfvorväter Sitte bewahrt geblieben ist: ein paar blinde Flecken auf den Fairways und hohle Gassen Richtung Grün; ein Par-Drei, das quer und völlig ungeschützt im Seewind liegt; ein Schlag über einen Kamm in ein uneinsehbares schmales Tal, Hemmnis und Herausforderung zugleich.
Wem das für den Anfang zu viel ist, dem hat Russell fürs Warm-up den Wee Course gebaut (wee, schottisch für klein). Auf dem Sechs-Loch-Kurzplatz kann, je nach Platzbelegung, von jedem Abschlag jedes Grün angespielt werden . Das ist Golfspaß pur.
Fünfsterne-Hotel The Machrie als Clubhaus
Als Clubhaus dient The Machrie, gleichzeitig oder zuvorderst ein Fünfsterne-Hotel. Das lässige, farbenfrohe Ambiente ist von der Kunstbegeisterung des Besitzerehepaars geprägt; an der Bar verdeutlicht ein stilisierter Lageplan des Linkskurses über dem Spalier der lokalen Lebenswasser perfekt die Symbiose von Golf und Whisky. Drives und Drams halt, ein paar Schläge auf dem Platz, ein paar Schlucke an der Theke.
Mehr Verbindung von Golf und Whisky geht nicht
Oder man schaue einfach mal auf die hölzernen Tafeln der Clubmeister und Signature-Turnier-Gewinner vor dem Proshop. Dort ist – neben vielen anderen – der Name „A. Holyoake“ in Gold eingelegt. Arthur Holyoake gilt in The Machrie als Berühmtheit, er war Seriensieger auf den Links und hauptberuflich Mälzmeister bei Laphroaig. Mehr Verbindung von Golf und Whisky geht nicht.
Mittlerweile ist er hier wie dort im Ruhestand und bietet mit seinem Taxibetrieb Bodachs (bodach, schottisch für der Alte) Destillerie-Touren an. Dabei erzählt der einstige Spitzenspieler gern, dass er sich beim anstrengenden und kraftraubenden Wenden der keimenden Gerste auf der Tenne die Schulter ramponiert habe. Freilich, dem Sportkameraden verrät Holyoake dann doch augenzwinkernd: „In Wirklichkeit ist Golf dran schuld“.
Reise-Info: Islay ist per Flugzeug oder übers Wasser erreichbar: mit Loganair von Glasgow und mit den Fähren von Caledonian MacBrayne ab Kennacraig auf der Halbinsel Kintyre an der schottischen Westküste. Es gibt weitere saisonale Fährverbindung von Oban (Schottland) und von Ballycastle (Nordirland).
Detaillierte Informationen über Islay finden sich hier: islayinfo.com, islayjura.com, themachrie.com.