Der große Loriot hatte auch im Erstaunen eine unnachahmliche Art: „Ach was!“, ließ er sein Alter Ego im Film oder als Knollennasen-Männchen gern sagen, wenn Verblüffung im Drehbuch stand. Die Älteren unter uns erinnern sich gewiss. Genau so entfuhr’s dem Autor auch dieser Tage, als die vormals so schwachbrüstige DP World Tour ihren kommenden Spielplan veröffentlichte. Samt Neuerungen, Änderungen, Reförmchen: Neue Turniere, mehr Geld, eine Art kleine Sommerpause nach der Open Championship. Sogar Garantiegelder. Ach was!
50 Millionen mehr als 2021, dazu Einkommensabsicherung
Es geht also doch. Erstaunlich, was mittenmang möglich ist. 144 Millionen Dollar haben Tour-Boss Keith Pelley und die Seinen für 2023 zusammen gekratzt, 50 Millionen mehr als 2021. Die Börsen der Rolex-Series-Wettbewerbe sind um eine Million Dollar fetter geworden – aus acht mach neun. Rolex spendiert den besten Acht der Saison-Endwertung überdies sechs Extra-Millionen.
Wer mindestens 15 Turniere bestreitet und dennoch nicht genug verdient hat, dem werden die Bezüge aufgestockt. Das „Earnings Assurance Programme“, zu deutsch Einkommensabsicherung, gewährleistet jedem Tour-Mitglied mindestens 150.000 Dollar auf der Habenseite.
Die Strategische Allianz macht’s möglich
Ein golferisches Verlustgeschäft, wie es der Australier Scott Hend mal vorgerechnet hat, der Anfang des Jahres nach neun verpassten Cuts mit 50.000 Dollar im Soll war, ist demnach Vergangenheit. Neulinge kriegen zu Beginn der Saison einen Reisekostenzuschuss von 20.000 Dollar, der mit künftigen Gewinnen verrechnet wird. Und und und.
Wie schon bei der PGA Tour stellt sich die Frage: Wo kommt auf einmal die Kohle her, nachdem Virginia Water vor zwei Jahren noch am wirtschaftlichen Abgrund taumelte? Die Antwort ist bereits im Satz enthalten. Die Strategische Allianz mit der starken Schwester jenseits des großen Teichs zahlt sich aus. Ob durch direkten oder indirekten Geldfluss via Wirtschaftspartner sei dahin gestellt. Keith Pelley macht wenig Hehl daraus, wenn er von der „Stärke unserer Partnerschaft mit der PGA Tour“ spricht, „die mit uns zusammenarbeitet, um die Einnahmen und einen langfristigen Wachstumsplan voranzutreiben“.
PGA Tour schlägt sich in Sachen Geld wacker
Um mal auf den Punkt zu kommen: Natürlich ist all das in erster Linie eine Antwort auf die Entwicklung im professionellen Golfsport der Männer. LIV Golf und die Saudis mit ihrem Public Investment Fonds PIF, einem Geldspeicher von Dagobert Duck’schem Ausmaß, treiben die PGA Tour und in deren Kielwasser gleichermaßen die DP World Tour mit einer Anschubfinanzierung von zwei Milliarden Dollar für den Konkurrenz-Circuit vor sich her. Die Branche ist zum Bieterwettbewerb „verkommen“, zum Buhlen um die Stars der Szene mit Summen von nachgerade obszöner Opulenz.
Jay Monahan, der Commissioner der PGA Tour, hat mal gesagt: Wenn dieser Krieg der Touren allein mit Geld als Waffe geführt werde, dann könne man auf Dauer nicht gewinnen. Dafür freilich schlägt sich das Golf-Establishment bislang ganz wacker. 563,5 Millionen Dollar schüttet Ponte Vedra Beach vor allem durch die mit jeweils 20 Millionen Dollar dotierten Elevated Events in der gerade angelaufenen Saison unters spielende Volk – rein als Preisgelder, sämtliche Sonderzahlungen und Sicherungssummen sind nicht eingerechnet.
Meriten, wo es an Moneten fehlt
Und was im Vergleich zu den 405 Millionen bei den anstehenden 14 LIV-Events für lediglich 60 Auserwählte noch an Moneten fehlen mag – die nun mal das Wesen des Profisports sind –, wird in Meriten aufgewogen: Weltranglisten-Punkte, Ryder-Cup-Zulassung, Teilhabe an Traditions-Turnieren. Womöglich gar an Majors, selbst da ist – mit Ausnahme des R&A für die Open Championship – das letzte Wort in Sachen LIV’ler nicht gesprochen.
Mehr noch: Mit TMRW Sports und der Tomorrow Golf League (TGL) wird gar die Innovationsglocke geläutet, wo bislang zeitgemäße Formate wie Golf Sixes oder Shot Clock eher halbherzig umgesetzt wurden und wieder eingeschlafen sind. Tiger Woods und Rory McIlroy machen aus der Gamification des Golfsports, die landauf landab auf den Anlagen längst populärer Alltag ist, ein Stadion-Spektakel. Die beiden Aushängeschilder, Überfigur der eine, werbewertvollster Aktiver der andere, nehmen die Zukunft des Spiels selbst in die Hand und verpassen ihm das allfällige Entertainment-Element.
Konkurrenz belebt nun mal das Geschäft
Dabei hat ihnen Mike Lorenzo-Vera vor nicht allzulanger Zeit noch vorgeworfen, zu wenig gegen LIV Golf unternommen zu haben: „Wenn Tiger und Rory es wirklich gewollt, ihre Stimmen früher erhoben und ihre Reputation früher in die Waagschale geworfen hätten, wäre vieles vielleicht anders gelaufen.“
Und so ertappt man sich dabei, dem Kollaborateur Phil Mickelson, den Saudis und sogar Greg Norman – wiewohl der auch nur beim Konzept des Konstrukts Premier Golf League geklaut hat – fast dankbar sein zu müssen für den Antagonisten, der dem bisherigen Monopolisten PGA Tour in diesem Jahr endlich erwachsen ist und der ihm Beine gemacht hat. Konkurrenz belebt nun mal das Geschäft.
Es brauchte offenbar diesen massiven Druck
Gleichwohl, wir wollen es nicht übertreiben: Das Regime in Riad ist immer noch eine Mörder-Monarchie und treibt auch auf dem Feld des Sports ein geopolitisches Spiel um die Deutungshoheit in der Region, Greg Norman wird zuvorderst von revanchistischer Ranküne getrieben, Mickelson und Co. – mithin die Stars, auf die LIV abzielt – verdingen sich als willfährige Handlanger, weil sie sich nicht drum scheren, wo das „blutige Geld“ („Washington Post“) herkommt. Hauptsache Fettlebe. Als hätten sie vorher gedarbt.
Aber leider brauchte es offenbar erst diesen massiven Druck, diese brachiale Gewalt, um im Profigolf was in Bewegung zu bringen.
Der selbstgefällige Koloss PGA Tour
Es gibt genug Spieler, die das bestätigen. Jordan Spieth etwa, Justin Thomas. Oder ein „Dino“ wie der 82-jährige Lee Trevino. „Alle Spieler haben profitiert, als die LIV-Liga Realität wurde, sogar die Aktiven auf der PGA Tour. Jetzt macht jeder mehr Geld“, konstatierte „The Merry Mex“ dieser Tage: „Diese LIV-Sache ist dasselbe, was wir 1969 mit der Trennung von der PGA of America gemacht haben“, erinnerte er an die Abspaltung der Tournament Players Division, die 1975 offiziell zur PGA Tour umgetauft wurde.
Ist wohl so: Ohne den Wind aus der Wüste hätte sich der selbstgefällige Koloss PGA Tour nie und nimmer so schnell bewegt. Wenn überhaupt.
Phil Mickelson und sein Hebel
Golf ist halt ein Spiegelbild des Auf und Ab im Leben. Selbst hier. Der Mensch stellt sich zumeist erst dann in Frage, ist zur Reflexion und zum Revirement, zur Entwicklung bereit, wenn das Problem übermächtig wird. Wenn kein Ausweg sichtbar, kein Aussitzen möglich ist. Wenn man kurz davor ist, so richtig auf die Fresse zu fallen und den Geschmack des Staubs schon auf der Zunge hat. Das gilt für Individuen wie Institutionen. McIlroy hat mal gesagt, Mickelson gebühre durchaus ein gewisses Verdienst an der Zeitenwende im Golfsport, er habe nur den falschen Weg dafür gewählt.
Aber gab es denn überhaupt einen anderen? Die Frage muss erlaubt sein. Mickelson behauptet, er habe sich jahrelang und ergebnislos den Mund fusselig geredet, LIV Golf sei endlich der ersehnte Hebel, um was zu verändern, allen Negativaspekten zum Trotz – „Scary Motherfuckers“ und so.
Auch Woods und McIlroy mussten erst geweckt werden
McIlroy hat das indirekt bestätigt, als er nach dem Treffen der Tour-Top-Stars am Rand der BMW Championship in Wilmington/Delaware davon sprach, dass die Spieler bislang halt selbständige Unternehmer gewesen seien, denen es zuvorderst ums eigene Fortkommen gegangen sei und die sich wenig ums allgemeine Wohlergehen geschert hätten: „Der Zweck unserer Zusammenkunft bestand vor allem darin, dass die maßgeblichen Spieler auf der PGA Tour sich in in ihrer Haltung und darüber einig sind, wohin der Weg führen soll.“ Es war auch höchste Zeit.
Freilich: Selbst Woods und er mussten letztlich von LIV Golf geweckt werden und wurden erst im Angesicht des Unausweichlichen richtig aktiv.
Ist wohl so: Ohne den Wind aus der Wüste hätte sich der selbstgefällige Koloss PGA Tour nie und nimmer so schnell bewegt. Wenn überhaupt.
Mit meinem Knowhow, Herr Michael F. Basche gibt es nur glückliche Gewinner und keine Vasallen.
Weil heute, jeder der zum Gewinner ernannt wird und die Ehrung annimmt, sich zum Vasall der verantwortlichen macht.