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Die Tour am Tropf der Content-Camarilla – Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt

12. Mrz. 2025 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Werbung für die Creator Classic im Rahmen der Players Championship: YouTuber und andere Social-Media’listen sind die neue Wirkmacht bei der virtuellen Vermittlung von Golf. (Foto: Screenshot Creator Classic)

Sagt Ihnen der Name Fat Perez was? Gabby Golf Girl? Oder Soly? Wenn nicht, tummeln Sie sich vermutlich zu wenig in den sogenannten sozialen Medien, Unterabteilung irgendwas mit Golf. Die offizielle Tätigkeitsbezeichnung lautet „Content Creators“. Das darf man so stehen lassen, weil Denglisch ja neudeutsch ist und sich Inhalte-Entwickler völlig uncool liest. Die PGA Tour hat lange gebraucht, um die Wirkmacht der digitalen Dimension zu erkennen und dann eigens einen Wettbewerb ins Leben gerufen, um die „Lieblinge der Fans“ unter den Meinungsmachern aus dem neuen Medien-Milieu zu umgarnen.

Aus dem Debütturnier ist 2025 eine Dreierserie geworden

Vergangenes Jahr debütierte die als Creator Classic firmierende Veranstaltung am Vortag des Saisonfinales Tour Championship im East Lake Country Club zu Atlanta, für 2025 wurde eine Creator Series von drei Turnieren daraus gemacht, deren erstes heute als Ouvertüre der Players Championship steigt. Vom TPC Sawgrass geht’s zum Wells-Fargo-Nachfolger Truist Championship in den Philadelphia Cricket Club und dann wie gehabt zur Tour Championship.

 

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2,7 Millionen Zuschauer für Spiranac und Co. via YouTube

Knapp zwei Dutzend amerikanische Top-Influencer und Internetgolfer mit angemessener Fanbase werden heuer teilnehmen, nachdem sich bei der Premiere rund 2,7 Millionen User den Auftritt von Paige Spiranac und Co. via YouTube-Kanal reingezogen haben. Diesmal wird die Creator Series direkt von der Google-Tochter unterstützt, was ziemlich folgerichtig ist, gelten Protagonisten wie Grant Horvat doch als YouTube-Stars.

Wahlweise hilft zur Teilnahmeberechtigung auch ein Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde für den weitesten Schlägerwurf, dank dem es Tyler Toney vom Possenreißer-Portal „Dude Perfect“ vergangenes Jahr ins Feld geschafft hat. Sie merken schon, worauf das alles hinausläuft: zuvorderst Klamauk.

Neuer Kraftfaktor bei der virtuellen Vermittlung des Spiels

Dennoch lohnt es sich, die Namen zu merken. Nicht nur, weil da ein paar Sportsfreunde dabei sind, die wirklich spielen können – die Bryan-Brothers beispielsweise. Oder der dreifache Longdrive-Weltmeister Kyle Berkshire. Das  Creator-Korps ist vielmehr längst zum neuen Kraftfaktor bei der virtuellen Vermittlung des Spiels avanciert. YouTuber und andere Influencer reüssieren im Kielwasser der verringerten Aufmerksamkeitsspanne des Rezipienten.

Und sie machen das ziemlich gut, wie Rory McIlroy unlängst attestierte: „Diese Jungs sind der Hammer und bieten beste Golfunterhaltung. Sie haben eine Nische gefunden, und es ist wirklich cool und erfüllt für viele Leute einen Zweck, die durch zu viele von der PGA Tour sanktionierte Veranstaltungen übersättigt und müde geworden sind.“

Nebenwirkungen von Elevated Events völlig unterschätzt

Stimmt. Das kommt noch hinzu. Die PGA Tour hat der invasiven Spezies mit der Entwicklung im Profigolf der Herren zu einer Mehrklassengesellschaft Tür und Tor geöffnet. Denn in Ponte Vedra Beach hat man die Nebenwirkungen von Elevated Events völlig unterschätzt. Dass nun kaum noch einer 08/15-Turniere mit beliebiger Besetzung sehen will, war doch zu erwarten. Die durchschnittliche TV-Quote am Finalsonntag von Standardturnieren lag 2024 bei 2,2 Millionen Zuschauern. Selbst das YouTube-Stelldichein der Creators hatte vergangenes Jahr mehr Zuschauer.

„Viel unterhaltsamer, den Lieblings-YouTubern zuzusehen“

Von dem gar nicht zu reden, was da generell an Golf-Gaga durchs Internet wabert und zig-millionenfach angeklickt wird. Der US-Golfjournalist Kyle Porter bringt es auf den Punkt: „Das Hauptproblem der PGA Tour dürfte sein, dass es viel unterhaltsamer ist, den Lieblings-YouTubern 40 Minuten auf faszinierenden Plätzen zuzusehen, als Nobodys 400 Minuten bei der Farmers Insurance Open in Torrey Pines.“

Good Good Golf und Grant Horvat als Beispiele

Die wachsende Bedeutung der Schöpfer von Golfinhalten in den sozialen Medien lässt sich ziemlich gut am Beispiel von Good Good Golf verdeutlichen. Der YouTube-Goliath, wie das Portal „My Golf Spy“ GGG bezeichnet, zu dem der eingangs genannte Soly gehört, hat 1,7 Millionen Abonnenten und stattet mittlerweile Professionals wie Joel Dahmen, Michael Block oder Beau Hossler mit der eigenen Bekleidungskollektion aus.

Zudem hat sich Good Good Golf als regulärer Anteilseigner beim TGL-Team Los Angeles Golf Club eingekauft und damit direkten Zugang zum Spielerquartett mit Justin Rose, Tommy Fleetwood, Collin Morikawa und Sahith Theegala sowie zu den VIPs im Eigentümerzirkel.

 

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Tiger Woods und Rory McIlroy vor dem Content-Karren

Oder der ebenfalls bereits erwähnte Grant Horvat, geschäftstüchtiger Ex-Collegegolfer und ehemaliger GGG-Genosse, inzwischen selbstständig und mit einem Taylor-Made-Vertrag ausgestattet, der ihn nicht nur mit Equipment versorgt, sondern auch zum Stallgenossen von TaylorMade-Testimonials wie Tiger Woods und Rory McIlroy macht. Und schwups, spannt Horvat sie vor seinen Content-Karren.

 

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Umkehrungen althergebrachter Verhältnisse

Früher segelte die Internetblase im Kielwasser des Sports und buhlte um bunte Bildchen, heute hängt die Tour am Tropf der Content-Camarilla, die sich Golfprofis kauft, wie es ansonsten Werbepartner und Sponsoren tun. Man könnte angesichts solcher Paradigmenwechsel, des Wandels grundlegender Rahmenbedingungen, auch sagen: Hier wedelt neuerdings der Schwanz mit dem Hund. Der wiederum versucht sich recht hilflos an einem Eigenleben, hat aber längst kapituliert.


Unter Kamarilla oder Camarilla (spanisch von Kämmerchen, Privatkabinett des Königs) versteht man eine Günstlingspartei, die nicht den offiziellen Regierungsorganen angehört, aber Einfluss auf Entscheidungen ausübt

Wikipedia


Ja, die Tour hat für 50 Millionen Dollar ein eigenes Produktionszentrum installiert, wo künftig Live-Übertragungen, Kurzvideos, Dokumentationen und Social-Media-Inhalte aufbereitet werden. Aber das kaschiert nur, was alles verschlafen wurde. Deswegen wanzt man sich nun an die neuen Medienmachthaber heran und hat eigens ein Creator Council eingerichtet, um sich eine gewisse Mitsprache zu sichern. Offiziell ist die Rede von einem ehrenamtlichen Gremium von Content-Entwicklern, das die Tour bei der Modernisierung ihres Medienangebots berät.

„Mehr Individualität, die einzelnen Charaktere herausstellen“

Denn aus eigener Kraft kriegen sie das in Ponte Vedra Beach mehr schlecht als recht hin. Wie sich bei der ersten Creator Classic zeigte, bei der hinterher nicht nur eitel Freud und Sonnenschein herrschte. „Irgendwie kam nicht rüber, was uns besonderes macht“, kritisierte Good-Good-Mitbegründer Garrett Clark. Einer seiner Producer wurde konkreter: „Das Problem ist die Mischung aus traditionellem Golf-Sendestil und YouTube-Sendestil“, so Max Putnam. „Wir wollen mehr Individualität hineinbringen, die einzelnen Charaktere herausstellen. Das wollen die Leute sehen. Ich will die Teilnehmer reden hören. Wir brauchen eine Cart Cam und so.“

Top-Personal zeitgemäß und Zielgruppen-genau präsentieren

Merken Sie was? All die Innovationen der vergangenen Jahre bei Turnier-Übertragungen sind genau dieser Hinwendung zu einer jüngeren, digitalisierten Zielgruppe geschuldet: verkabelte Spieler, Interaktion der Profis mit der Kommentatorenbox, Interviews während der Runde etc. pp. Die Tour will ihr Top-Personal zeitgemäß präsentieren. Und dass die DP World Tour im Vorfeld der Hero Dubai Desert Classic für ihre Mitglieder ein Influencer-Training abhält, war zwar ein Spaß, aber einer mit sehr realem Hintergrund.

 

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„Die PGA Tour ist dabei, die Büchse der Pandora zu öffnen“

Sinnigerweise haben Commissioner Jay Monahan und die Seinen diese Entwicklungen quasi mitinitiiert, als sie beispielsweise im Ringen mit der LIV Golf League um die Deutungshoheit im Profigolf der Herren das Player Impact Programm (PIP) auslobten und Millionen Dollar an Boni für die Social-Media-Präsenz der tourtreuen Stars verteilten. Jetzt müssen sie sich mit den Geistern arrangieren, die sie selbst gerufen haben. „Golf Digest“ nannte das 2024 bei der Vorberichterstattung zur Creator Classic: „Die PGA Tour ist dabei, die Büchse der Pandora zu öffnen.“

Warum wird die TGL trotz mieser TV-Quoten als Erfolg gefeiert?

Szenenwechsel nach Palm Beach Gardens und Schwenk ins SoFi Center, wo sich die Tomorrow’s Golf League auf die Play-offs vorbereitet – mit der katastrophalen Konstellation, das der Titelkampf ohne die Jupiter-Links-Zugpferde Tiger Woods und Tom Kim stattfindet. Die Simulatorsause unterm Hallendach wurde letztlich mit dem Blick auf die Generation App konzipiert, die Golf vornehmlich über Social Media konsumiert und wird daher trotz der rasant abstürzenden Einschaltquoten bei Fernsehpartner ESPN als Erfolg gefeiert. Good Good hat dort bereits ein eigenes Match abgehalten und damit 1,1 Millionen Fans erreicht – mehr als jede ESPN-Übertragung, selbst die vom Premierenspieltag und von Woods’ erstem Auftritt in der Woche darauf. Was zu beweisen war.

Blitzbirne DeChambeau bietet den Platzhirschen auf YouTube Paroli

Bei den etablierten Playern kann da nur einer mithalten: Blitzbirne Bryson DeChambeau. Der zweifache US-Open-Champion hat die Zeichen der Zeit erkannt, eine Menge Geld, Aufwand und Liebe in seinen YouTube-Kanal gesteckt und bietet dort den Social-Media-Platzhirschen mit 1,75 Millionen Anhängern Paroli. BDC profitiert freilich von den geringen bis gar nicht vorhandenen medienrechtlichen Einschränkungen der LIV Golf League – man erinnere sich, dass Phil Mickelson genau deswegen Anfang 2022 ein mächtiges Fass aufgemacht hat und die PGA Tour der „widerwärtigen Gier“ bezichtigte.

Ach übrigens, der absolute YouTube-Titan darf bei der Creator Classic erst gar nicht mitspielen: Rick Shiels steht seit einiger Zeit auch offiziell auf der Payroll von LIV, mithin von Saudi-Arabien, und unterhält von dort aus seine mehr als drei Millionen Follower.

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