Am Sonntag hatte er gegen Viktor Hovland noch das Nachsehen, aber am Dienstag durfte sich auch Justin Thomas nach fast drei Jahren mal wieder über einen Golf-Erfolg freuen: Mit dem Team Atlanta Drive teilt sich der zweifache PGA Champion neun Millionen Dollar für den Gesamtgewinn der Tomorrow’s Golf League (TGL). Atlanta-Eigner Arthur Blank hat ebenfalls mal einen Titel, auf den ihn seine Football-Falcons seit mehr als zwei Jahrzehnten warten lassen. Das SoFi Center in Palm Beach Gardens stand sprichwörtlich Kopf, als Billy Horschel den Putt lochte, der Atlantas Weg zum Sieg ebnete. Am Ende regnete es Konfetti wie beim Super Bowl.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
„Eine andere, eine jüngere Zielgruppe ansprechen“
Das war sie also, die erste Saison der TGL, mit der Tiger Woods, Rory McIlroy und Mike McCarley, ihr Partner bei TMRW Sports, „Golf in eine neue Stratosphäre“ (Woods) heben wollten. Und wie fällt die Gesamtbilanz für den hochtechnischen Budenzauber zwischen ScreenZone und GreenZone aus? Ganz toll oder so lala? Kommt darauf an, wen man fragt. Irgendwer hat mal geschrieben, die TGL sei ein „bunch of buddies hitting shots into a simulator and having fun“. In der Wolle gefärbte Golfnerds sind nach wie vor skeptisch über den sportlichen Wert der Simulatorsause oder monieren, dass der rummelige Zirkus mit echtem Golf nichts zu tun habe.
Zur Ehrenrettung sei angemerkt, dass nie die Absicht bestand, Golf zu kopieren oder zu ersetzen, wie McIlroy zu betonen nicht müde wurde. Er nennt es „sehr weit von dem entfernt, was man gemeinhin als Golf kennt“ und „eine Ergänzung zu allem anderen, was in der Welt des Golfsports vor sich geht“: „Wir können auch im Golf bestimmte Dinge tun, um innovativ zu sein und zu versuchen, eine andere, eine jüngere Zielgruppe anzusprechen.“ Die Unterstützung der Spieler kann offenbar als gesichert gelten:
„Natürlich ist es eine Herausforderung, wenn man bedenkt, was wir das ganze Jahr über mit unseren eigenen Zeitplänen zu tun haben. Aber nie hat irgendjemand gesagt: Das fühlt sich wie eine Belastung an. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass wir in einer Arena mit einem großen Simulator, Menschen, Musik und Sprechchören Golf spielen würden. Es war wirklich cool und hat alle unsere Erwartungen übertroffen.“
Billy Horschel
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Große Bühne für die Gamification von Golf
Andere loben die Weitsicht und den Innovationsmut, mit denen Woods und Co. den Boom der Gamification von Golf aufgegriffen und als virtuelle Version auf eine große Bühne gehoben haben. Manche haben sich einfach nur gefreut, dass es für ein paar Wochen auch montags und dienstags irgendwas mit Golf im Fernsehen gab. Ob der TV-Partner ESPN so happy ist, erscheint eher fraglich – angesichts von Einschaltquoten im freien Fall. Wollten noch rund eine Million Zuschauer den Premierenwettbewerb (919.000) und in der Woche darauf den ersten Auftritt von Tiger Woods sehen (1.005.000), so gab es in der Folge auch Spieltage mit gerade mal 365.000 Zuschauern (Woche sechs).
Andererseits bekam ESPN eh Produktionskostenzuschüsse von der Liga, der Schaden dürfte sich also in verschmerzbaren Grenzen halten. Angesichts des Aufgebots an Golfstars, Sportgrößen und -magnaten sowie sonstigen Celebritys vor und hinter den TGL-Kulissen wird man auch nicht allzu laut meckern und das VIP-Line-up irgendwie düpieren wollen.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Arg orchestrierte und gekünstelte Golfgaudi
Womit ein Punkt erreicht ist, der wirklich weh tut. Zumindest vom Standpunkt des Fernsehfans sah die Golfgaudi doch arg gekünstelt und orchestriert aus. Irgendwann hatten auch die fraglos beeindruckenden digitalen Golfplatzdesigns an Faszination verloren. Das Geschehen rund ums und auf dem Plattenteller-Grün wirkte leblos und statisch im gleißenden Glanz der Schweinwerfer, da konnten die Spieler noch so sehr den Hammer werfen und bei verwandelten Bällen herumtanzen.
Manchmal ist weniger halt doch mehr: Eine geballte Faust auf einem echten Grün mit Fans drumherum zu Beispiel. Und: Golfprofessionals sind keine geborenen Entertainer, Giggeln allein reicht nicht. Es sei denn, sie heißen Tom Kim oder haben den Nimbus eines Tiger Woods. So gesehen war es der GAU, dass Jupiter Links nicht mal in die Playoffs einzuziehen vermochte.
Es fehlen Bryson DeChambeau und David Feherty
Dazu kam eine allzu sehr bemühte und eher überspannte Moderation. Man stelle sich nur vor, Kodderschnauze David Feherty wäre mit dem Mikro im SoFi-Center unterwegs gewesen. Doch der ist leider bei der Konkurrenz. Ebenso wie Quotengarant Bryson DeChambeau, der aus der LIV-Ecke via YouTube als populärster Profi die Branche überstrahlt und gern bei der TGL mittun würde. Allerdings nur, wenn alle Crushers eingeladen werden.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Klarer Fokus auf die Generation App
Apropos: Hier kommt des Pudels Kern und die Ursache der Ambivalenz, die den TV-Konsumenten irritiert. Letztlich ist die TGL ein zielgruppenspezifisches Spektakel. Sie wurde mit klarem Fokus auf die Generation App konzipiert, die Golf vornehmlich über Social Media konsumiert, und adressiert eindeutig YouTuber und sonstige Social-Media-listen, die sich eh am liebsten selbst feiern und folgerichtig in Scharen eingeladen wurden, um das Halligalli unterm Hallendach über ihre Kanäle indirekt zu multiplizieren. Egal, ob das Gerücht stimmt, dass ansonsten Geld gezahlt wurde, um die verbliebenen freien Plätze im SoFi-Center zu füllen. Das zeigt, welche Deutungshoheit die Selbstinszenierungsszene mittlerweile im Profigolf erreicht hat.
„Wir befinden uns gerade mitten in einem Expansionsprozess. Wir hatten an jedem Spieltag Interessenten an Teams oder an Team-Beteiligungen aus dem In- und Ausland zu Besuch, die wissen wollten, wie es in Zukunft aussieht, und die uns einem Menge Frage gestellt haben.“
Mike McCarley, CEO der TGL und Mitinhaber von TMRW Sports
Spekulationen über Dependance an der US-Westküste
Und nun? Ganz einfach: Too big to fail. Die TGL ist ein hunderte Millionen Dollar schwerer Koloss mit enormen geschäftlichen Perspektiven. Spötter würden bei der Bilanz anmerken: Ja, der Berg kreißte und gebar ein Mäuslein. Aber in den USA tickt das Marketing anders. Wer ein Team besitzen will, hat dafür zwischen 25 und 99 Millionen Dollar hingeblättert. Amerikas führende Sportunternehmer sind involviert. Es gibt Dutzende von prominenten Co-Partnern und Anteilseignern. Die PGA Tour hält 18 Prozent. Der Bau des SoFi-Center auf dem Campus des Palm Beach State College hat mehr als 50 Millionen Dollar gekostet. So ein Konstrukt lässt man nicht nach einer Saison fallen.
Im Gegenteil: Alex Ohanian, der Inhaber des Los Angeles Golf Club, und seine Frau, die Tennis-Ikone Serena Williams, denken bereits über eine Dependance des SoFi-Center an der amerikanischen Westküste nach. Die Vision ist ein USA-überspannendes Netz an Spielstätten.
Bühne für Nelly Korda, Lydia Ko und Co.?
Für nächstes Jahr wird das Format nachgeschärft; vielleicht kriegen sogar die Ladies der LPGA eine Bühne, Nelly Korda, Lydia Ko und Co. In der TGL-freien Zeit finden derweil Firmen-Events, Golfbuddy-Trips, Influenzer-Happenings oder Bachelor-Partys zwischen ScreenZone und GreenzZone statt. Josh Allen, der Quarterback der Buffalo Bills, hat bereits seinen Junggesellenabschied dort gefeiert. Er wird nicht der einzige bleiben.