Achtung, steile These: Golf muss hie und da neu gedacht werden – zumindest in den Wettbewerbsformaten. Auch das in seiner Großartigkeit alterslose und in den Grundfesten unerschütterliche Spiel braucht hin und wieder die Frischzellenkur der Innovation. So gewagt ist der Gedanke eigentlich nicht, oder?
Es braucht Spektakulum
Natürlich lässt sich über das Wie trefflich streiten. Aber eins steht fest: Die Freizeitgesellschaft 4.0 ist durch ermüdende Zählspielwettbewerbe über vier Tage kaum noch abzuholen, sofern denen nicht der Nimbus der Besonderheit eines Majors oder andere Bedeutsamkeit anhaftet. Der Spaß-fokussierte moderne Mensch flattert von Erlebnisblüte zu Erlebnisblüte: hier ein wenig Thrill, da etwas Amüsement, dort ein bisschen Action.
Übertragen auf den Sport heißt das: Es braucht Schweiß, Tränen, Mühsal, Duelle Aug um Aug, Krawumm, viel Rauch und Donnerhall – selbst um nichts. Kurz: Es braucht Spektakulum. Das muss der Ernsthaftigkeit des Wettbewerbs gar nicht abträglich sein, siehe American Football oder die Ende November beginnende neue Biathlon-Saison.
Neue Zeitrechnung im Golf
Ein paar Wochen später, am 7. Januar, beginnt auch im Golf gewissermaßen eine neue Zeitrechnung. Es fällt der Startschuss für den Wettbewerb von morgen, den seine Macher sinnigerweise Tomorrow’s Golf League getauft haben. Mit dem Wettbewerbsableger ihrer gemeinsamen Unternehmung TMRW Sports nehmen Tiger Woods und Rory McIlroy die Zukunft des Spiels selbst in die Hand.
Die beiden Superstars und ihr Mitstreiter Mike McCarley folgen dem landauf, landab reüssierenden Trend zur Gamification des Golfsports, der sich durch die Eröffnung immer neuer Indooranlagen und die stete Aufwertung von Driving Ranges mit Analyse-Systemen manifestiert, und hieven auch das Spiel im Elitebereich auf den Level modernen Entertainments. „Golf remixed“ nennen sie das Spektakel unterm Hallendach. Man könnte auch sagen: Golf goes Südkurve. Das passt mehr denn je zum Zeitgeist.
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„Das Spiel ins 21. Jahrhundert bringen“
Die TGL-Spieltage zwischen ScreenZone und GreenZone werden Hightech-Events mit Kolosseum-Charakter, Zielschießen, Licht- und Show-Effekten wie in der NBA, der National Basketball Association. Mit Rummel und Tribünenstimmung wie bei der Phoenix Open in Scottsdale an der 16, dem Partyloch. Mit Tailgating wie beim American Football rund um die NFL-Stadien. Ein Zirkus, und mittendrin das per Mikrofon verkabelte Triple-A-Personal der PGA Tour als Gladiatoren.
„Wir versuchen, mit Traditionen zu brechen und das Spiel ins 21. Jahrhundert zu bringen“, sagt Rory McIlroy, der darauf verweist, dass 2023 mehr Golf in Simulatoren als auf echten Plätzen gespielt worden sei. „Es ist eine ganz andere Art von Golf; nicht der traditionelle Sport, den man Woche für Woche sieht.“
„Alles noch viel größer, als erwartet“
Die räumlichen Eckdaten wurden an dieser Stelle bereits vorgestellt, sie sind beeindruckend genug: Die überdimensionale Simulator-Leinwand, die eigens entworfenen Golfbahnen, der Kurzspielbereich mit dem Grün, dessen Slopes und Breaks mittels Elektromotoren unter der Oberfläche verstellbar sind, die Technik drumherum mit riesigen Monitoren für die 1.600 Zuschauer auf den Rängen, mit Laufbändern für Resultate, Schlaganalysedaten und Scores und und und. „Alles ist noch viel größer, als ich erwartet habe. Das macht es noch besser“, schwärmte beispielsweise Justin Thomas.
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Überfrachtetes Regelwerk?
So weit, so spannend und aussichtsreich. Einen Haken indes scheint das Ganze zu haben: das Regelwerk. Es ist, vorsichtig ausgedrückt, komplex. Es könnte, wenn man unken will, zu kompliziert sein. Sport als Spektakel lebt nicht zuletzt von der Transparenz des Ergebnisses, von Ziel- oder Torlinien, von mitlaufenden Uhren oder dem stets aktuellen Punktestand. Gewinner und Verlierer müssen sehr einfach identifizierbar sein; niemand will einen Ausgang, der erst nach mühsamen Rechenspielen feststeht. Im Fall der TGL mit ihrem „Modern Matchplay“-Format wirkt das auf den ersten Blick überfrachtet; nachfolgend der Versuch einer Sortierung:
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Jedes Loch ist einen Punkt wert – meistens
Bei jedem Match der 15 Saisonspieltage treten drei der insgesamt vier Spieler der betreffenden beiden Teams an. Das Format basiert auf einer Punktevergabe pro gespieltes Golfloch. Das Team mit den wenigsten Schlägen an einem Loch gewinnt einen Punkt. Ein Unentschieden wird mit null Punkten bewertet.
Innerhalb eines Matches werden zwei Sessions in zwei verschiedenen Formaten gespielt:
Triples: Neun Löcher mit Drei gegen Drei im Format Alternate Shot. Jeder spielt seinen eigenen Ball, das beste Ergebnis pro Loch wird fürs Team gewertet.
Singles: Sechs Löcher Mann gegen Mann; jeder Spieler des Teams bestreitet zwei Löcher.
Bei Gleichstand „Nearest to the Pin“ als Overtime
Bei Gleichstand am Ende der regulären Spielzeit wird in der Overtime so lange „Nearest to the Pin“ gespielt, bis ein Team zwei Mal näher an der Fahne war als die Konkurrenz.
Für jedes gewonnene Match, egal ob in der regulären Spielzeit oder in der Overtime, erhält die betreffende Mannschaft zwei Punkte für die Gesamtwertung. Verliert ein Team erst in Overtime, bekommt es dafür immerhin einen Punkt. Die vier besten Teams qualifizieren sich für die Play-offs mit Halbfinale (17. und 18. März 2025) und Finale (24. und 25. März).
Zeitfenster von 40 Sekunden für jeden Schlag
Ein paar besondere Nickeligkeiten gibt es auch. Beispielsweise eine Shot Clock: Jeder Spieler muss seinen anstehenden Schlag binnen 40 Sekunden ausführen, die Zeit wird von einem Schiedsrichter überwacht, der bei Überschreitung einen Strafschlag verhängt. Andererseits hat jedes Team pro Match vier Timeouts, zwei für jede Session, um die Shot Clock anzuhalten.
Und dann ist da noch der Hammer. Wer den schwingt, verdoppelt den Wert eines gewonnenen Lochs. Es braucht wenig Fantasie, um sich vorzustellen, mit welchen Knalleffekten das im SoFi Center auf dem Campus des Palm Beach State College inszeniert wird. Bleibt die Frage, was passiert, wenn ein Team dem selbst ins Spiel gebrachten Hammer nicht gerecht wird. Spätestens der erste Spieltag wird Aufschluss bringen und zeigen, ob dieses Regelwerk nicht zum Malus fürs Spektakel gerät.
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