Auf der Driving Range im amerikanischen Scottsdale schlägt Martin Kaymer einen Ball nach dem anderen. Immer wieder stoppt Coach Günter die Bewegungen des gebürtigen Mettmanners: Schulter-, Hüft- und Handgelenkhaltung werden korrigiert, die Aushol- und Schwungphase analysiert. Erst dann kommt der nächste Schlag. „Ich habe mit meinem Trainer einige sehr gute Einheiten absolviert und deutliche Fortschritte gemacht. Ich fühle, wie mein Selbstvertrauen zurückkehrt“, sagt Kaymer nach den gemeinsamen Tagen in Arizona.
Schwungumstellung für mehr Variabilität
Schon 2011 erkannte der ehemalige Weltranglistenerste, dass seine Schläge zu eindimensional waren und damit über zu wenige Variationen und zu wenig Tiefe verfügten. Mit der Schwungumstellung möchte Kaymer dieses Problem nun lösen. „Ich bin jetzt in der Lage, alle Flugkurven zu schlagen, den Ball hoch und flach zu spielen und habe auch im Kurzspiel viel mehr Varianten als noch vor zwei Jahren. Das alles muss sich jetzt nur setzen“, meint der 27-Jährige.
Der Erfolg bleibt bislang aus
Unter der Umstellung litten seine Resultate. Lediglich drei Top-10-Platzierungen stehen 2012 auf seinem Konto, als bestes Resultat liest sich sein 7. Rang bei der Malaysian Open. Viermal scheiterte er am Cut, darunter bei der Open Championship und der PGA Championship. Besonders bitter war das vorzeitige Aus bei den BMW International Open im heimischen Pulheim, wo er als großer Turnierfavorit vorzeitig die Koffer packen musste. Das hatte Auswirkung auf die Weltrangliste: Bis auf Platz 27 wurde die ehemalige Nummer Eins durchgereicht. „Es fehlt das ganze Jahr über schon immer an ein paar Kleinigkeiten, die sich aber bedauerlicherweise von Woche zu Woche abwechseln“, analysiert Kamyer die größte Schwächephase seiner Profilaufbahn.
Mentale Probleme, wie es Kritikter vermuten, schließt er kategorisch aus: „Im Großen und Ganzen fehlt mir dieses Jahr bisher einfach die Konstanz.“ Beim Finden dieser Konstanz soll Ex-Caddy Craig Connely helfen; er kehrte im Juli an die Seite Kaymers zurück und ersetzte Christian Donald, den Bruder von Luke Donald. Kaymer brachte diese Maßnahme ein Stück Sicherheit zurück, trotz des frühen Ausscheidens bei den PGA Championship.
Spielpraxis bei der KLM Open
Des Deutschen größtes Problem ist die Zeit. Seine neue Technik muss er bis zum Ryder Cup in der laufenden Saison verbessern - zwischen Turnierteilnahmen und Reisestrapazen. Er legte deshalb kurzerhand eine Pause ein und verordnete sich Training statt Turnierteilnahmen. Eine mutige Entscheidung, denn er riskierte so sogar die Qualifikation für den Ryder Cup, die er nur deshalb noch erreichte, weil Nicolas Colsaerts nicht genügend Punkte erspielte, um ihn einzuholen.
Der Druck auf Kaymer ist enorm und wird zum Ryder Cup noch größer werden. Jetzt muss er zur nötigen Spielpraxis zurückfinden, die er sich bei der KLM Open in Hilversum und bei der Italian Open in Turin holen will. Doch reicht die kurze Vorbereitung, um Ende September in Medinah mit den europäischen Kollegen den Ryder-Cup-Titel zu holen?