In einem Waldstück von Bandon Dunes gibt es einen spirituellen Spot, der optimal zur Ouvertüre taugt: Auf einem kreisrund freigelegten Flecken ist der Grundriss eines Labyrinths angelegt, das als Sinnbild der Lebensreise anzusehen ist. Den Weg dorthin muss man sich erlaufen, Liebende geben sich in der besonderen Atmosphäre dieser Lichtung das Ja-Wort, andere lassen sich das Labyrinth, dessen Botschaft unter die Haut geht, in selbige tätowieren.
„Die Richtung ist manchmal verwirrend“
„Das Labyrinth ist eine Metapher für unsere Reise durch das Leben. Der Weg führt zu einem inneren Licht, zum Zentrum unseres Selbst“, heißt es auf dem Instagram-Account von Bandon Dunes Golf. „Die Richtung ist manchmal verwirrend, führt uns herum und wieder zurück. Doch durch diese kreisförmige Reise der Entdeckung und des Wachstums finden wir dorthin zurück, wo wir einst begonnen haben.“
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„Dream Golf“: Der Irgendwo-im-Nirgendwo-Mythos
Besser geht es kaum als Beginn. Und Bandon Dunes gehört ohnehin auf die Bucket List aller, die ein Faible haben für „Golf as it was meant to be“. Die Destination an der Küste von Oregon ist das Epizentrum der Visionen von Mike Keiser und seiner Söhne Michael und Chris. Die Keisers haben Außergewöhnlichkeit zum Credo erhoben – „Build it and they will come“ – und den Irgendwo-im-Nirgendwo-Mythos der Anlagen unter der Dachmarke „Dream Golf“ gebündelt.
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Nichts als Wiese, Weite, Wind und ein paar Skelettbäume über dem Ozean: Sheep Ranch in Bandon Dunes ist maximal puristisch. (Foto: Screenshot Bandon Dunes/Instagram)
Sehnsuchtsorte fürs Spiel und für die Seele
Wie passend. We hat schon den Nordwesten der USA auf dem Radar. Träumer vielleicht. Die mittlerweile sieben Plätze von Bandon Dunes sind längst Legende, die Reise dorthin eine Tour ins Unbekannte. Selbiges gilt für Chambers Bay, gut 600 Kilometer nördlich. Die Sandschüssel am pazifischen Puget Sund, Schauplatz der US Open 2015 – ein puristischer Parcours, in den der Golfer für 18 Loch eintaucht, auch so ein Sehnsuchtsort fürs Spiel und für die Seele.
Aber ist nicht jede Golfrunde letztlich ein Ausflug in die Ungewissheit. Mit wechselnden Landschaften und unerwarteten Begegnungen. Weil die Plätze sich jeden Tag anders präsentieren und neue Herausforderungen bieten. Weil die äußeren Bedingungen ständig variieren. Weil man zuvorderst mit der eigenen Befindlichkeit ringt, mit der Tagesform, die so großen Einfluss aufs Spiel hat und so unvorhersehbar sein kann. Allen guten Vorsätzen und einem noch besseren Gefühl zum Trotz.
„Ich habe festgestellt, dass Golf eine Art universelle Sprache ist – ganz gleich, wo im In- und Ausland ich unterwegs war.“
Ben Hogan, neunfacher Majorsieger
Hale Irwin, der vor Bernhard Langer Rekordgewinner bei den PGA Tour Champions war, hat es so formuliert: „Golf ist der einsamste Sport. Man ist allein mit seinem Charakter und hat jede erdenkliche Möglichkeit, sich zu besiegen. Golf bringt deine Vorzüge und Schwächen als Person zum Vorschein.“ Und: „Je länger man dieses Spiel spielt, desto sicherer erkennt man, dass die Leistung eines Menschen die äußere Manifestation dessen ist, was er in seinem Herzen wirklich zu sein glaubt.“ Was für ein Satz.
Entlegene Kraftorte mit wirklicher Distanz zu allem
Entlegene Kraftorte wie Bandon Dunes oder Chambers Bay mit wirklicher Distanz zu allem, was täglich auf uns einprasselt, gibt’s etliche. Go West: The Wild Atlantic Way in Irland und die dortigen Küstenkurse – die Carne Golf Links beispielsweise, wo der Spieler von einem Schild mit der Aufschrift „Golf at the edge of the earth“ begrüßt wird, mit dem ersten Abschlag in ein Dünenlabyrinth förmlich eintaucht und nach 18 Loch regelrecht wieder ausgespuckt wird.
Oder die legendären Links an der „falschen Seite“ von Schottland, besonders die Plätze an der Long And Windy Road (B842) auf der Halbinsel Kintyre und die zerzausten Ziele für Golfpilger auf den Hebrideninseln. Allen gemein ist die Gemüts-bewegende, Emotionen-erweckende und Puls-pumpende Symbiose von grandiosen Golfplätzen und gleichgesinnter Gesellschaft inmitten einer kolossalen Kulisse. Hier gilt im Besonderen das Wort von Harry Vardon, der zwischen 1896 und 1914 bislang unerreichte sechs Mal die Open Championship und 1900 die US Open gewann: „Für dieses Spiel braucht man vor allem einen ruhigen Geist.“
Jede Runde ein Ego-Trip
Darauf freilich muss man sich einlassen wollen und können. Um zu staunen und sich inspirieren zu lassen, um zu genießen und Spaß zu haben. Um zu reflektieren: Wie gehe ich mit Freude und Frust um, wie resilient bin ich zwischen Euphorie und Enttäuschung, wachse ich an Widrigkeiten? Um sich zu erkennen, zu sich zu kommen, bei sich zu sein. Deswegen ist jede Runde eine Reise zum Ich, ein Ego-Trip sozusagen. Ein Vademecum für Selbstfürsorge und -verwirklichung.
„Eines der faszinierendsten Dinge am Golf ist, wie das Spiel den Kreislauf des Lebens widerspiegelt. Egal, welchen Score man erzielt – am nächsten Tag muss man wieder zum ersten Abschlag gehen und von vorn anfangen, sich zu etwas entwickeln.“
Peter Jacobson, PGA-Tour-Legende/TV-Kommentator
Zugegeben, Golf ist eine komplexe Angelegenheit, die uns zum Wüten und Weinen bringen kann. Andererseits machen Golfplätze das Innehalten eigentlich einfach. Der Zen-Buddhismus versteht „Golf als Weg“. Demnach ist der Weg über den Platz gleichermaßen immer ein Weg zu sich, unabhängig von der Wertung anderer – vor allem aber unabhängig von der eigenen Wertung. Zen bedeutet Kontemplation, im Dialog sein mit der Ruhe, Selbstbeherrschung und Präsenz im Moment. Wir könnten es also locker angehen, sämtliche Sinne sensibilisieren für das Hier und Jetzt, für die Exklusivität des Augenblicks. Für das Unerwartete. Trotz vieler witziger Sprüche geht es auf dme Platz für die meisten von uns nicht um Existenz und Überleben.
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The Machrie auf der Hebrideninsel Islay: Wir könnten es doch eigentlich locker angehen … (Foto: Michael F. Basche)
Die verborgenen Räume im Gedankenpalast
Aber Hand aufs Herz, wer war zwischen dem ersten Abschlag und 18. Grün noch nie überrascht, welche verborgenen Räume im Gedankenpalast sich auftun können? Dank Arnold Palmer wissen wir, dass es beim Golf um Zentimeter geht – „vor allem um die gut 15 Zentimeter zwischen den Ohren“. Oder wie sagte einst Bobby Jones: „Ein Hauptproblem von Golfern besteht darin, dass sie völlig falsch verstehen, was mit Konzentration gemeint ist. Sie glauben, sich zu konzentrieren, machen sich in Wahrheit allerdings bloß Sorgen.“
Und so beschweren wir das Spiel mit überhöhter Eigenerwartung, falschem Ehrgeiz und der Hybris nach Validierung des Erlebnisses auf der Scorekarte, schwanken permanent zwischen Triumph und Tragödie, sind uns selbst der gruseligste Gegner. Statt Golf ausschließlich als Homo Ludens, als spielender Mensch zu verstehen und einfach nur zu spielen.
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Die Exklusivität des Augenblicks: Machrihanish Dunes auf der Halbinsel Kintyre. (Foto: Michael F. Basche)
Die Leichtigkeit des golferischen Seins
Der amerikanische Autor James Dodson beschreibt in dem wunderbaren Buch „Final Rounds“ einen letzten Golftrip mit seinem krebskranken Vater über die Wiesen in England und Schottland, auf denen Dodson Senior als Airforce-Soldat während des Zweiten Weltkriegs die Liebe zum Spiel entdeckt hat. Für den Sohn läuft anfangs auf dem Platz nichts zusammen, er will es perfekt machen, dem fast 80-Jährigen ein idealer Spielpartner sein. Purer Krampf. Erst als Dodson loslässt, nur noch genießt – den gemeinsamen Weg mit dem Vater, die Gefühlswelt dieses letzten Miteinanders, die ikonischen Plätze –, da fallen plötzlich auch Pars und Birdies.
Noch mal Bobby Jones: „Du schwingst am besten, wenn du nicht über alles Mögliche nachdenken musst.“ Dann stellt sich ein, die Leichtigkeit des golferischen Seins. Der Weg dorthin ist das Ziel.
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Enniscrone an der irischen Westküste: Genießen und Spaß haben – und einfach nur spielen. (Foto: Michael F. Basche)
Go West
USA:
bandondunesgolf.com; chambersbaygolf.com.
Irland:
carnegolflinks.com; enniscronegolf.com; countysligogolfclub.ie; strandhillgolfclub.com.
Schottland:
machrihanishdunes.com; www.machgolf.com; dunavertygolfclub.com; another.place/the-machrie/golf; shiskinegolf.com.