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Golfreisen

Die Legende lebt: Eine Ode an den Old Course und die Wucht seiner Bedeutung

26. Jul. 2022 von Michael F. Basche in St. Andrews, Schottland

Genius loci: Auch am Tag nach der 150. Open sind die Faszination und die Emotionen dieses besonderen Majors auf dem Old Course noch deutlich spürbar. (Foto: Michael F. Basche)

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Der Old Course wabert im Glast der Nachmittagssonne, Greenfee-Spieler schlagen kreuz und quer über das gefeierte Geläuf, Flight um Flight materialisiert am finalen Abschlag aus den Hitzewellen, zwischendrin werden Touristen zum Erinnerungsfoto auf die Swilcan Bridge geführt und abgelichtet. Die gewaltige Tribüne hinter dem 18. Grün ist leer, gehört den Möwen und der Erinnerung, das Clubhaus des Royal & Ancient Golf Club of St. Andrews wirkt nachgerade winzig neben diesem Monument eines mitreißenden Major. Wie ein Tunnel liegen auf der anderen Seite die ersten Meter der Straße „The Links“, aus dem Schatten tritt der Golf-Pilger in dieses Kolosseum, jäh geblendet vom Licht, ergriffen von Aura und Augenblick.

Blickdicht: Die gigantische Tribüne neben dem Clubhaus des Royal & Ancient versperrt den Blick von außen auf den Old Course. (Foto: Michael F. Basche)

Es ist der Tag danach. Die 150. Open Championship ist Geschichte; vermutlich läuft Triumphator Cameron Smith gerade mit der Claret Jug im Spezialkoffer durch den Flughafen von Edinburgh und erzählt, wieviel Bier in die sagenhafte Silberkanne passt. Trotzdem sind reichlich Fans da, dieser Teil Schottlands platzt eh gerade vor Linksgolf-Liebhabern. Die Menschen lehnen am weißgestrichenen Holzzaun entlang des 18. Fairways oder stöbern durch den „The Open Shop“, wo die Souvenirs mit dem Jubiläums-Emblem ausverkauft sind.

Happy Birthday, Sir Nick!

In der Kultkneipe Jigger Inn stehen sie immer noch Schlange zum Lunch und Nick Faldo bummelt mit seiner Herzdame die Straße entlang. Der dreifache Champion Golfer hat Geburtstag – Happy Birthday, Sir Nick! Drumherum wuseln Handwerker, wird demontiert und abtransportiert. Der Zirkus ist längst weiter gezogen, das Geschehen hat sich verlagert, dem R&A steht kommende Woche das nächste Großereignis bevor, wenn auf der anderen Seite des Firth of Forth, im kaum weniger ikonischen Muirfield, Heimstatt der Honourable Company of Edinburgh Golfers, die Women’s Open steigt.

Women's Open: In Muirfield wird alles fürs nächste Golf-Highlight in Schottland gerichtet. (Fotos: Michael F. Basche)

Und so galt es in der vergangenen Woche, flugs Bilanz zu ziehen. Nach all dem Hype um die bestinszenierte Open Championship der Golfgeschichte, um die 30. im „Home of Golf“; um die Tragweite und Tragfähigkeit der Tradition, seit acht borstige Burschen 1860 auf Old Tom Morris’ neuem Kurs in Prestwick das weltälteste Major begründeten. Auch nach den vielfach geäußerten Befürchtungen, der Old Course habe der heutigen Spielerathletik und dem modernen Material nichts mehr entgegenzusetzen, zumal ohne die „Komplizenschaft“ von Wind und Wetter: Schreckensvisionen von 59er-Runden spukten herum, die notorischen Bedenkenträger sahen den Patron aller Parcours schon der Lächerlichkeit preisgegeben.

Keine bessere Bühne in diesen disruptiven Zeiten

Freilich, alle Unkenrufe erwiesen sich als abwegig. Ja, St. Andrews platzte mit 290.000 Zuschauern aus allen Nähten, aber diese 150. Open war genau das (Volks-)Fest, das der Golfsport in diesen disruptiven Zeiten – siehe LIV Golf etc. – brauchte, mehr noch: bitter nötig hatte. Und der Old Course hätte keine bessere Bühne bieten können – für spektakuläres Spiel ebenso wie für menschliche Momente. 149 Jahre nach der ersten Open in der Kathedrale des Spiels stellte „The Grand Old Lady“ die Besten der Welt erneut ernsthaft auf die Probe. Dank ausgedörrter, tanzdielenharter Fairways, unberechenbarer Bounces in die wirklich kerkerartigen Bunker, anspruchsvollem „Ground Game“, vertrackten Fahnenpositionen und nicht zuletzt der Hilfe ihrer Sachwalter, die mittlerweile auch den letzten Zentimeter Distanz aus dem verfügbaren Raum geschunden haben.

Jeder Zentimeter Raum genutzt: Der Autor am Championship-Abschlag des Road Hole, dem Star auf der glanzvollen Bühne Old Course. (Fotos: Michael F. Basche)

Nirgendwo wird das deutlicher als auf der 17, dem berühmt-berüchtigten Road Hole. Der Championship-Abschlag ist jenseits des Fußwegs an den Zaun gequetscht, von dort aus geht’s per Drive über den Schuppen am Old Course Hotel. Oder, wie im Fall von Ernie Els während der ersten Runde, in den Vorgarten der Luxusherberge.


„The Big Easy“ hat eine Menge „Follower“. Auf dem Weg zum 17. Grün heißt es immer wieder in Deckung zu gehen, wenn’s auf dem Blechbelag des Hotel-Vorbaus vernehmlich scheppert und die eine oder andere Murmel vom Dach tropft. Während sich die hinteren Bahnen des Old Course in der flirrenden Ferne verlieren, ohnehin nur erkennbar an den TV-Türmen und den groß aufgetragenen Nummern, bilden sich vorn auf dem Grün immer wieder Menschentrauben: Passanten, die den Freizeit-Golfern zuschauen, die Cameron Smiths Putt in der Finalrunde rund um den Road Hole Bunker nachahmen oder ihren Ball von der Straße in Richtung Loch zu schubsen versuchen.

Sammelplatz für Schaulustige: Das 17. Grün, wo die Greenfee-Golfer den Finalrunden-Putt von Cameron Smith nachzuahmen versuchen. (Foto: Michael F. Basche)

Das Road Hole als Glanzpunkt

Wenn der Old Course – Smith hin, Tiger Woods und Rory McIlroy her – der eigentliche Star dieser 150. Open war, dann ragt das Road Hole als Glanzpunkt heraus: mit einem Fairway, das jeder zu verpassen Angst hat; mit einem Sandloch, in das niemand klettern will; mit einem Grün, auf dem keiner seinen ersten Putt zu lochen vermag. Außer Justin Thomas vielleicht, dem am Moving Day der Open tatsächlich das Birdie gelang. Andererseits trafen lediglich 8,4 Prozent des Felds an besagtem Samstag das Grün überhaupt auf Anhieb, also mit dem zweiten Schlag.

Ikonische Landmarke: Die Swilcan Bridge zwischen Flights zum ersten Grün oder vom 18. Abschlag und Schnappschüssen für Touristen. (Foto: Michael F. Basche)

Da sage noch einer, der Old Course sei aus der Mode gekommen. Trotz vier direkt anspielbarer Par-4-Löcher und zwei mühelos zum Eagle erreichbaren Par-5-Bahnen brauchte es eine brillante Mischung aus Schlag- und Kunstfertigkeit, Kraft, Technik, Strategie und mentaler Stärke, um angesichts der Schwierigkeitsgrade nicht in Schwermut zu verfallen. Die Legende lebt, der Mythos sowieso. Es ist wahrhaft heiliger Boden und die Wucht seiner Bedeutung schier überwältigend: Auch am Tag danach, ohne Major und karriolende Kulisse, watet der Wanderer knietief in Emotionen und im Genius loci. Golf as it was meant to be. Und damit auf in Richtung Muirfield.

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