In East Lothian werden sie aufjaulen, in den Highlands die Brauen hochziehen und an der Westküste dem Osten die atlantisch kühle Schulter zeigen: Schottland ist Wiege und Ahnengalerie des Spiels zugleich, doch die Aorta des Golfsports pulsiert in und um St. Andrews – wenngleich vieles historischer Zufall ist, und bei aller Hochachtung vor Muirfield oder North Berwick, Royal Dornoch oder Brora, Troon oder Prestwick.
Ehrentitel kommt nicht von ungefähr
Die Auld Grey Toon trägt den Ehrentitel Home of Golf freilich nicht von ungefähr: Am Rand der Universitätsstadt liegt der älteste Golfplatz der Welt, dessen nahezu naturgegebenes Format zu einer Blaupause der Kursgestaltung geworden ist. Auf den kargen Sandböden tobten schon vor 600 Jahren Studenten mit Knüppeln und Holzkugeln herum, und Erzbischof John Hamilton gab die Links 1552 auch den Bürgern für „ye gowf and ye futeball“ frei, neben der Kaninchenzucht übrigens. Der Royal & Ancient Golf Club of St. Andrews definierte die 18-Loch-Runde (1764) und den Cup-Durchmesser von 10,795 Zentimetern, letzteres auf Basis des in Musselburgh entwickelten Lochschneiders.
Old Tom Morris, der Godfather des Golfspiels, wiederum entwickelte auf dem Old Course bis heute gültige Design- und Greenkeepingstandards. Last but not least lieferten Schlägerhersteller wie Forgan of St. Andrews schiffsladungsweise Ausrüstung für die Entwicklung des Spiels in den USA, wo einer der ältesten Golfclubs sinnigerweise den Namen The Saint Andrew’s Golf Club trägt, gegründet 1888 im US-Bundesstaat New York.
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Bemerkenswerte Begegnung, womöglich weiterer Meilenstein
Womöglich ist demnächst ein weiterer Meilenstein der Golfhistorie anzufügen. Schon der griechische Philosoph Plato hat festgestellt, dass man beim Spiel einen Menschen binnen einer Stunde besser kennenlernt als im Gespräch in einem Jahr. Auch „Es kommt nicht darauf an, wie du Golf spielst, sondern mit wem“ passt gut. Und es ist hinlänglich bekannt, dass eine Menge an Deals nicht zuletzt dank der Komponente Golf eingefädelt worden sind. So gesehen kam es dieser Tage beim Linksgolf-Dreier namens Alfred Dunhill Links Championship zu einer bemerkenswerten Begegnung: PGA-Tour. Commissioner Jay Monahan und Saudi-Arabiens Wirtschaftswesir Yasir Al-Rummayan gehörten zum Feld der teilnehmenden Amateure und begegneten sich erstmals auf dem Platz.
„Toll, dass Jay und Yasir zusammen spielen – ein gutes Zeichen"
Der „Commish“ bildete ein Team mit Billy Horschel; der Boss des saudischen Investmentfonds PIF und Finanzier des Konkurrenzcircuits LIV Golf League war Partner von Dean Burmester, einem der 14 zur „Dunhill“ eingeladenen LIV’ler – und das unter seinem echten Namen und nicht als Andrew Waterman, wie noch vergangenes Jahr. „Toll, dass Jay und Yasir zusammen spielen. Ich halte das für ein gutes Zeichen“, kommentierte McIlroy die Konstellation. „Es gibt vermutlich keinen besseren Platz als das Home of Golf, um alle zusammen und ins Gespräch zu bringen.“
Keine Angaben über eventuelle Gesprächsinhalte
Am Donnerstag spielten Monahan und Al-Rumayyan sogar in einem Flight, am Freitag in Kingsbarns gingen McIlroy und sein Vater Gerry mit dem Duo Horschel/Monahan auf die Runde, am Samstag wiederum stand „Rors“ dann auf dem Old Course mit der Saudi-Exzellenz am Abschlag. Selbstredend wurde eine Menge in diese informelle Begegnung der Protagonisten beim Armdrücken um die Deutungshoheit im Herren-Profigolf hineingeheimnisst.
Über irgendwelche Gesprächsinhalte wollten sich beide gleichwohl nicht äußern. Al-Rumayyan zeigte jedem Journalisten eine grimmige Miene, die alle Fragen im Keim erstickte. Monahan war ähnlich schmallippig und ließ wissen, dass er über andere als sportliche Aspekte nicht reden wolle. Aber: „Wir sind durchaus vorbereitet, im Lauf der Woche auch über diese ,anderen Angelegenheiten’ zu reden.“
„Turnier-Gastgeber Johann Rupert versucht, die Golfwelt wieder ein wenig zusammenzubringen. Es geht darum, die verschiedenen Interessengruppen einzubinden. Die Sponsoren wollen dasselbe. Alle wollen einfach nur, dass das Spiel wieder zusammenkommt und dass alle Spitzenspieler zusammen spielen. Und das Ganze soll auch noch ein bisschen globaler werden.“
Rory McIlroy
Manche Medien hatten gar Experten für Körpersprache und Lippenleser bemüht, die immerhin bestätigten, was jeder Zuschauer sowieso sehen konnte: Die Stimmung war bestens. Man lachte, quatschte während der Wartezeiten an den Abschlägen, ging vertraut und leutselig-kumpelhaft miteinander um. Was von den professionellen Beobachtern mit einer gewissen Erleichterung notiert und flugs als positives Signal für den künftigen Verlauf der Verhandlungen umgedeutet wurde, von McIlroy indes umgehend relativiert wurde: „Sie haben sich bloß wie Golfer verhalten, und dazu sind wir ja hier.
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Statt Verhandlungstisch erstmals Golfplatz
Bislang saßen sich Monahan und Al-Rumayyan allenfalls am Verhandlungstisch gegenüber – zuletzt im September –, um ein Engagement der Saudis im neuen kommerziellen Konstrukt PGA Tour Enterprises zu verhackstücken, das wohl auch eine Wiedervereinigung des gespaltenen Herren-Profigolf zum Ziel hat. Bloß, die Parteien kommen nicht wirklich zu Potte. Es wird gern von einem komplexen, detailreichen Deal geredet – dabei ging es doch beim Investment der Strategic Sports Group (SSG) auch wie’s Brezelbacken.
Unterschiedliche Interessen lasten bleiern auf den Verhandlungen
Freilich, das Investment einer nahöstlichen Monarchie mit zweifelhaftem Leumund in „eine geschätzte amerikanische Institution“, wie der demokratische US-Senator Richard Blumenthal die PGA Tour gern nennt, hat gewiss mehr Tücken und bedarf besonderer Finesse. Zudem lasten die unterschiedlichen Interessen bleiern über den Verhandlungen: Al-Rumayyans Machtgelüste und der Unwillen der Spieler beider Lager vor allem.
Die einen wollen ihre satten, vom PIF wer weiß wie lange noch alimentierten LIV-Pfründe nicht aufgeben, die anderen – angeführt von den Policy Board-Mitgliedern Tiger Woods oder Jordan Spieth – haben Null Bock auf den Reisestress einer dann von PGA Tour Enterprises inszenierten Global Golf Tour, die überdies zu einer Abwertung der PGA Tour führen würde. Auch Monahans Hartleibigkeit und seine einstige Nur-über-meine-Leiche-Verweigerung, mit LIV oder PIF irgendwelche Optionen ausloten zu wollen, dürfte anfänglich das Raumklima belastet haben.
Kinnings und Rupert als Strippenzieher des sportlichen Duells
„Intriguing“, faszinierend und spannend, nannte „Golf Monthly“ das eigentlich rein sportliche Aufeinandertreffen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Natürlich war das alles kein Zufall. Sondern eine gelungene Kuppelei von Guy Kinnings, seit April Chef der DP World Tour, und „Dunhill“-Gastgeber Johann Rupert, der sich als Strippenzieher und Vermittler zwischen beiden Lagern versucht: „Jeder von uns hat einen der beiden gefragt, ob er mit dem jeweils anderen spielen würde. Jay und Yasir haben sofort zugestimmt, denn sie haben nur das Beste für den Golfsport im Sinn.“
„Wenn wir mehr solche Tage wie hier bei der Alfred Dunhill Links Championship haben, dann werden wir es schaffen, die Spaltung im Profigolf der Herren zu überwinden. Golf bringt halt Menschen zusammen und erzeugt Freundschaften.“
„Dunhill“-Gastgeber Johann Rupert
Der milliardenschwere südafrikanische Unternehmer, Eigentümer des Schweizer Luxusgüterkonzerns Richemont und Anteilseigner an British American Tobacco (BAT), hatte bereits den Start des LIV-Kontingents beim Drei-Plätze-Turnier ermöglicht. „Wir sollten zwei starke Touren haben, die zusammenarbeiten; alle Parteien sollten zusammenarbeiten. Wir wollen doch nur, dass die besten Spieler der Welt zusammen spielen, was die meisten von ihnen ebenfalls wollen“, so der 74-Jährige.
„Investment-Entscheidung, dann den Rest herausfinden"
Folgt man Rory McIlroy, wird das noch mindestens drei Jahre dauern. Damit liegt er auf derselben Timeline wie Adam Scott, sein Kollege im Verhandlungsschuss des PGA-Tour-Verwaltungsrats, der unlängst 2026 als optimistisch und 2027 als realistisch für eine Wiedervereinigung bezeichnet hatte.
„Bis zum Jahresende sollten wir wissen, ob der PIF in PGA Tour Enterprises investieren wird, was die Voraussetzung für eine Lösung des aktuellen Problems ist“, sagte McIlroy. „Erstmal werden alle Touren auf absehbare Weise so weitermachen. Wir können kurzfristig allenfalls gewisse Überschneidungen anstreben und im Lauf der kommenden Jahre den Rest herausfinden.“
„Vielleicht dauert es den Fans zu lange. Aber Geschäfte dieser Größenordnung benötigen Zeit. Es geht um Milliarden von Dollar, die fließen sollen, und um verschiedene Gerichtsbarkeiten. Ich denke, wir werden bis zum Jahresende mehr wissen. Wir haben Oktober, also hoffentlich noch drei Monate Zeit, um etwas zu erreichen.“
Rory McIlroy
Wenn es dann noch einen Rest gibt, der herausgefunden werden muss. Die vom Nordiren sogenannten Überschneidungen haben bereits eingesetzt; man findet Wege, das Schisma im Golfsport zu umgehen: LIV’ler treten wieder wie selbstverständlich auf der DP World Tour, notfalls durch den Hebel des gerichtlichen Einspruchs gegen Sanktionen und deren dadurch bedingte Aussetzung. Die PGA of America hat neulich alle „Abtrünnigen“ amnestiert. Und sogar zusätzliches Geld lässt sich mit der Vermarktung der Rivalität scheffeln, siehe den Schaukampf PGA Tour vs. LIV-Liga, aka Scheffler/McIlroy gegen Koepka/DeChambeau, im Dezember. Man nennt das die normative Kraft des Faktischen.