Wollen wir ein bisschen träumen? Von einem deutschen Golfjahr 2016, das schöner kaum sein könnte? Beschwingt vom Zuschlag für den Ryder Cup 2022 und der Aussicht auf ein Golffest in Bad Saarow bescheren die Fans der BMW International Open einen Zuschauerrekord. Martin Kaymer stärkt seiner Heimat und ihrer Golf-Renaissance doppelt den Rücken und wärmt sich – vom Druck der PGA-Tour-Mitgliedschaft befreit – bei der Porsche European Open in Bad Griesbach für Hazeltine auf. Parallel kündigt er ein weiteres deutsches Turnier im Namen seiner „Helianthus“-Stiftung an.
Bernhard Langer gibt sich ebenso wieder die Ehre, spielt im Juli die Winstongolf Senior Open, diesmal auf dem Linkskurs des Resorts nahe Schwerin, und bekennt sich spontan zu Kaymers künftigem Event. Ohnehin sind beide Markenbotschafter des Sponsors mit dem Stern.
Golf-Deutschland „mitten im Glück“
Derweil strömen die Menschen zu den Erlebnistagen und Schnupperkursen. Die Werbekampagne des Deutschen Golf Verbands zeigt Wirkung, teuer genug war sie ja, schon die Zahlen für 2015 ergaben einen zarten Zuwachs an registrierten Golfern. Ob all dieser guten Nachrichten entdecken schließlich die Publikumsmedien ihre Affinität. Golf-Deutschland „mitten im Glück“!
Schnippe mal wer mit den Fingern! Aufwachen! Die Stars machen sich weiterhin rar, tun auf heimischem Boden allenfalls das Nötigste, daran haben wir uns bereits gewöhnt. Wie‘s um den Bestand an Clubgolfern bestellt ist, wird sich im Januar erweisen. Demnächst wissen wir zudem, wer nach Frankreich 2018 den nächsten Ryder Cup in Europa ausrichtet, die jüngsten Entwicklungen und Gerüchte sind so positiv nicht mehr.
Deutschland mit kluger Bewerbung für Ryder Cup 2022
Immerhin ist Deutschland wieder eine Größe im Reigen der European Tour. Die BMW International Open (23. bis 26. Juni) zieht turnusmäßig auf den Pulheimer Lärchenhof um. Die Porsche European Open (22. bis 25. September) findet erneut in Bad Griesbach statt und wird „auf ein noch höheres Qualitätsniveau angehoben“ (Turnierdirektor Dominik Senn).
Als einziges europäisches „Festland“ steuern die Deutschen damit zwei Turniere bei, England hat ebenfalls nicht mehr, Schottland drei, aber bloß durch die Open. Überdies steht eine Ryder-Cup-Bewerbung, die unvergleichlich besser ist als das Gestoppel für 2018, besonders dank der klugen Einbindung von BMW, Allianz und Sir Nick Faldo. Kurz: „Schwarz-Rot-Gold“ reüssierte 2015 als Faktor für die European Tour.
Tour-Chef düpiert BMW
„Außenpolitisch“ könnten wir 2016 also ganz entspannt entgegen sehen, wenn … Ach, wenn da nicht Keith Pelley wäre. Der Neue am Tour-Ruder will seinen Circuit mit Macht in eine rosige Zukunft lotsen. Sogar durch Stürme. Wie versprochen halt: „Wir werden aggressiv sein!“ Beim Saisonfinale in Dubai sprach er gleich mal der BMW PGA Championship den Nimbus als Tour-„Flaggschiff“ ab. „Das hier ist ein ,Flaggschiff‘, hier gibt es acht Millionen Dollar Preisgeld plus Bonus“, sagte Pelley über die DP World Tour Championship. „Wie kann man Wentworth mit 5,1 Millionen Euro als ,Flaggschiff‘ bezeichnen? Inakzeptabel! Wentworth muss acht bis zehn Millionen Dollar haben!“
Es war ein wohl kalkulierter Hieb gegen das Establishment der Tour. Und ein Schlag ins Gesicht von BMW. Möglicherweise als Retourkutsche für das Ende des BMW Masters. München jedenfalls reagierte indigniert. „Wir haben die Aussagen von Keith Pelley mit Verwunderung zur Kenntnis genommen”, hieß es laut „Süddeutscher Zeitung“ aus der BMW-Zentrale. Den Kanadier schert‘s vermutlich nur bedingt. Es geht ums Geld, die European Tour soll eine „lebensfähige Alternative“ zur PGA Tour werden. Dafür mischt der ehemalige TV-Rechte-Händler seinen Laden gehörig auf, zeigt Kante, erschüttert Pfründe.
Hat Keith Pelley schon den Plan B?
Man wird sehen, was aus der deutschen Ryder-Cup-Bewerbung wird. Zu Zeiten von George O‘Grady galt sie als Favorit. Auch wegen dessen guter Kontakte in die BMW-Marketingabteilung. Dann kam Keith Pelley. Er machte den Ryder Cup, die „Cashcow“ und Lebensader seiner Tour, zur Chefsache. Plötzlich sind selbst BMW und Allianz keine Garanten mehr – siehe Wentworth.
Der britische „Guardian“ hat spekuliert, dass BMW sein Tour-Sponsoring zur Disposition stellen könnte, falls der Ryder Cup 2022 an Deutschland vorbeigeht. Niemand sollte sich wundern, wenn Pelley, der Makler des Machbaren, auch dafür längst einen Plan B hätte. Die Großbank HSBC hat unlängst ihr globales Golf-Engagement für viele Jahre fortgeschrieben, Sponsoring-Chef Giles Morgan fordert Reformen, Pelley hat bis 2018 eine „deutlich veränderte“ Tour versprochen. Zufälle gibt‘s!