Allüberall in Deutschland sind die Golfplätze wieder bespielbar. Na ja, fast. Da ist noch die offenbar von politischer Willkür betroffene Enklave im Brandenburger Landkreis Barnim. Ansonsten indes heißt es von Flensburg bis Passau: Schönes Spiel!
Gemeinsinn war gefordert
Gut so. Es wird eine Erleichterung sein, in den sozialen Medien künftig wieder Klagen über zu teure Greenfees, über Slow Play oder unterlassene „Fore“-Rufe zu lesen. Alles besser als die Shitstorms, die in den vergangenen Wochen durchs digitale Land fegten.
Weil zu Beginn der Corona-Krise für alle Hobby- und Leistungssportler dasselbe galt: No Sports. In der Öffentlichkeit, auf kommunalen wie privaten Anlagen, indoor sowieso. Der Solidarität wegen. Mit anderen Sportarten, mit anderen Vereinen, mit der von organisierten Aktivitäten ausgeschlossenen Gesamtgesellschaft. Gemeinsinn war gefordert, wurde gewünscht. Von Verbänden, von Institutionen, von Clubmanagern mit Blick über den Tellerrand hinaus, von Medien – siehe die „#playathome“-Challenge von Golf Post.
Meilenweit am Kern der Sache vorbei
Skeptiker hatten ihre Zweifel. Und wurden bestätigt. Trotz Verbots schlich sich der Ego-Golfer auf die Fairways. Anfangs. Wurde vertrieben. Insistierte. Greinte. Lamentierte.
Was zu beweisen war.
Ich will. Ich will. Ich will. Ja, sie wollen doch nur spielen. Deswegen begannen sie zu beißen. Um den Spruch mal rumzudrehen. Jeder bekam sein Fett weg, der zur Besonnenheit mahnte. Von der eh sattsam bekannten lauten Minderheit ist die Rede, wohlgemerkt. Der Furor tobte durchs Netz und durch die Kommentarspalten – freilich: zumeist meilenweit am Kern der Sache vorbei.
Was zu beweisen war.
„Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen“
Schier reflexartig wiederholte sich das Mantra von der Sinnhaftigkeit und Salutogenese des Golfspiels in diesen pandemischen Zeiten. Als hätte das jemals jemand bestritten. Nicht in dieser und jeder anderen Zeit. Darum ging‘s auch gar nicht.
Egal. Immer und immer wieder dieselbe Leier: frische Luft, Abstandswahrung, moderate Bewegung etc. Und sowieso: die Radler, die Jogger, die Spaziergänger … „Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen“, hat der bajuwarische Humorist und Aphorist Karl Valentin mal über derartig realitäts- und sachferne Logorrhoe geschmunzelt.
Was zu beweisen war.
Damit nicht genug, fühlten sich manche Jünger des Spiels tatsächlich in der Freiheit ihrer Religionsausübung eingeschränkt. Hört, hört!
„Hail to the Hingerl“
Und dann die Sache mit den Grundrechten. Selbst dafür muss Golf in diesen Zeiten herhalten. Hauptsache, es dient dem Zweck, möglichst schnell wieder an den Abschlag zu kommen. Als ob es ein Grundrecht auf Golf gäbe.
Was zu beweisen war.
Schließlich bekamen die „Gangs of Golf“ noch ihre Ikone des Freiheitskampfs, die heilige Johanna von – äh, den heiligen Josef vom Bergkramerhof. Und seine Jünger folgten ihm willig, mit Revoluzzer-Ruppigkeit im Sinn sowie einem „Hail to the Hingerl“ und „Vive le Restart“ auf den Lippen.
Was zu beweisen war.
Dann die ersten Freigaben. Nach sieben Wochen entsetzlichen Notstands und unmenschlichen Golfentzugs. Nun tobt man über den Platz, völlig „ausgehungert“, lässt erneut jegliche Etikette vermissen.
Wehe, wenn sie losgelassen
Beispielsweise das Ausbessern von Pitchmarken.Wehe, wenn sie losgelassen: Der Mainzer Golf Club muss nach dem ersten Wochenende einen Tag schließen, um die Spuren des Ansturms zu beseitigen. Nur schnell zum nächsten Tee. Ohne Rücksicht auf Verluste. Sie wollen halt nur spielen.
Was zu beweisen war.
Einigen ist es immer noch nicht recht. Sie fühlen sich angesichts der Auflagen und Hygienehinweise wie im Gefängnis – „dabei wollte ich doch nur spielen“. Wortwörtlich. Andere nölen herum, dass noch keine Turniere ausgeschrieben sind – die Hybris mit dem Handicap.
Was zu beweisen war.
Das Bild vom Golfer im Mainstream
Nochmals zur Klarstellung: Es sind wenige, bei denen der Appell an das Gute im Golfer ins eine Ohr hinein und aus dem anderen wieder hinaus geweht ist. Doch genau sie bestimmen als laute Minderheit das Bild vom Golfer im Mainstream. Das merken nicht nur „Bild“ oder „Spiegel“, die sich freudig auf die Causa Hingerl gestürzt haben. So gesehen wurde dem Spiel ein Bärendienst erwiesen.
Was zu beweisen war.
Es besteht die feine Hoffnung, dass der Lockdown aller Sportanlagen und -einrichtungen ein wenig den Fokus der breiten Öffentlichkeit auf Golf gerichtet hat, auf die vielfältigen Vorzüge des Spiels. Ein gesteigerte Interesse am Terminus „Platzreife“ in der vorherrschenden Suchmaschine mit „G“ scheint das zu bestätigen.
Wenigstens nach der Krise Charakter zeigen
Viele Anlagen haben die Auszeit zudem genutzt, um sich richtig rauszuputzen und können jetzt munter Staat machen. Auch das Modell des clubgebundenen Golf feiert womöglich fröhliche Urständ, Mitglied zu sein hat zu Zeiten rarer Teetimes echte Vorteile.
Jetzt liegt es am Golfer selbst, wenigstens nach der Krise Charakter und wieder sein angenehmes Gesicht zu zeigen, Interessierte wohlmeinend zu willkommnen.
Was zu beweisen wäre.