Die Wahrheit, so lautet bekanntlich ein altes Sprichwort, ist auf‘m Platz: Und dort hat Brooks Koepka gestern alle Kritiker an seiner Fastenkur und dem rigiden Gewichtsverlust Lügen gestraft. Der dreifache Major-Sieger legte eine makellose Runde mit sechs Birdies aufs perfekt gepflegte grüne Parkett, es wirkte fast mühelos. Dabei hatte der 28-Jährige mit seiner Offenbarung, über elf Kilo Gewicht und dadurch auch fast zehn Meter an Schlaglänge verloren zu haben, für jede Menge Aufregung in den sozialen Netzwerken gesorgt. TV-Analyst Brandel Chamblee vom „Golf Channel“, der sich ohnehin gern sehr wortstark meldet, verstieg sich gar zu der Bemerkung, das sei die „rücksichtsloseste Selbstzerstörung, die ich je gesehen habe“.
Den „selbstzerstörerischen“ Koepka freilich ficht das alles nicht an, erst recht nicht nach der gestrigen „besten Ballstriker-Runde meiner Karriere“. Ja, seine viermonatige 1.800-Kalorien-Diät sei vielleicht etwas zu extrem gewesen, aber „letztlich kann ich es doch eh niemandem recht machen. Erst heißt es, ich stemme zu viel Gewichte und meine Statur ist zu mächtig für Golf. Dann nehme ich ab – und alle Welt sagt, ich sei zu schmächtig“. Anschließend sagte er mit Blick aufs Leaderboard: „Mir ist egal, was die Leute sagen, ich tue das alles nur für mich. Und offensichtlich funktioniert es ja.“
Flaggenstock behindert ausgerechnet DeChambeau
Abgeblockt: Ausgerechnet der Flaggenstock im 18. Grün verhinderte gestern den Schlag des Tages. Bryson DeChambeau setzte seinen zweiten Schuss vom Fairway so präzise, dass die Murmel schnurstracks zum Eagle in Richtung Loch rollte – um dann gegen die Stange zu prallen und außen vor zu bleiben. Und das ausgerechnet bei DeChambeau, der sich so ausdrücklich zum Putten mit Pin bekennt. So war‘s am Ende „bloß“ das vierte Birdie in Serie …
Golf is a game of inches... Exhibit C.#TheMasters @b_dechambeau pic.twitter.com/AbsgudKILQ
— Masters Tournament (@TheMasters) 11. April 2019
In der Vorbereitung aufs Masters hatte der „verrückte Wissenschaftler“ aus Texas mal wieder eine Kostprobe seiner besonderen Herangehensweise an Golf und die Technik geliefert. Im Dallas National Golf Club absolvierte der 25-Jährige eine 14-stündige (!) Session auf der Range, um seine Wedges für Augusta National zu optimieren. Während dieser Zeit testete er fünf Schäfte und schlug lediglich 125 Bälle, um herauszufinden, „warum meine Kurve beim ,Spin Loft‘ nicht stimmt.“ Gemeint ist der dreidimensionale Winkel zwischen Schwungpfad und Eintreffwinkel sowie der Stellung der Schlagfläche zum Ziel. Oder so. Jedenfalls ist DeChambeau „nach sorgfältiger Überprüfung, sehr intensivem Nachdenken und dank einiger sehr cooler digitaler Darstellungen zu dem Schluss gekommen, dass es am Schaft liegen könnte. Also haben wir alles verworfen, was ich vorher angenommen hatte, und genau das Gegenteil getan. Und siehe da, es funktionierte.“ Neun Birdies am Donnerstag in Augusta sind der Beweis …
McIlroy wundert sich über langsame Grüns
Fehlersuche: Für einen deutlichen Favoriten ist Rory McIlroy eher bescheiden in dieses 83. Masters gestartet. Eins über Par und der geteilte 44. Platz stehen zu Buche, nachdem der Nordire zum Auftakt der erneuten Jagd nach dem Karriere-Grand-Slam laut eigenem Bekunden „zu viele Fehler gemacht“ hat, was er „ziemlich enttäuschend“ fand. Andererseits war „Rors“ auch ziemlich verwundert über die Geschwindigkeit der Grüns: „Nach dem ganzen Regen waren sie auf dem Stimpmeter sicher zwei oder drei Fuß langsamer als normal. Ich bin überrascht, dass bei so weichen Grüns nicht deutlich niedriger geschossen wurde oder jemand deutlich davon gezogen ist.“
Garcia mit dem Bruder, Stenson mit Sunesson
Family Affairs: Sergio Garcias größtes Problem vor diesem 83. Masters war der passenden Caddie. Nachdem sich der Spanier im vergangenen Frühjahr von seinem langjährigen Bagman Gordon Murray getrennt hatte, gab es zahlreiche Überlegungen und Kandidaten, sogar Ehefrau Angela – selbst eine exzellente Golferin – war im Gespräch. „Aber ich wollte ihr das nicht zumuten. Auch wegen unserer kleinen Tochter“, sagte Garcia. Dennoch blieb das Bag des 2017er Champions in der Familie, eine auf der Tour ja mittlerweile sehr beliebte Konstellation. Wie bei Phil Mickelson, mit seiner 67 der Überraschungsdritten des ersten Tages, ist es auch hier der Bruder: Victor Garcia assistierte dem jüngeren Sergio schon vor über zehn Jahren beim Par-3-Contest, jetzt bestreiten sie gemeinsam zum ersten Mal die 72-Loch-Turnier-Distanz von Augusta National.
Derweil ist ein anderer „caddie-loser" Spieler ebenfalls weit in seine Vergangenheit zurückgegangen: Henrik Stenson hat nach der Trennung von Gareth Lord und dem gescheiterten Duett mit Scott Vail fürs erste Major des Jahres einer jeden Golfsaison wieder „Looper“-Altmeisterin Fannie Sunesson an der Tasche.
Rose und Spieth auf dem falschen Teil des Leaderboards
Rückschlag: Justin Rose und Jordan Spieth fanden sich am Ende des ersten Turniertags im Augusta National Golf Club wahrlich nicht dort auf dem Leaderboard wieder, wo sie sich gern gesehen hätten. Vereint rangieren der Weltranglistenerste und der von großen Siegen derzeit meilenweit entfernte Masters-Champion von 2015 nach 75er Runde (+3) aktuell auf dem 63. Platz und überraschten vor allem eher miesen Putt-Werten. „Auf den ersten Löchern habe ich den Ball permanent nach links gehauen, hatte ein paar gute Putts, die aber nicht fallen wollten, und dann hat sich gar nicht mehr einfach angefühlt“, bilanzierte Rose seine schlechteste Auftaktrunde seit 2011: „Ich habe letztlich nie zu meinem Rhythmus gefunden.“
Bei Spieth war es das längst fast schon gewohnte Bild. Der Texaner lag auf der Eins zum Birdie und ging mit einem Schlagverlust vom Grün. Auf Loch sechs verfehlte er das Grün und handelt sich ein Bogey ein. Kommentare wollte er hernach keine abgeben.
Wenn Jack Bartlett den Tommy Fleetwood macht
Alter Ego: Jack Bartlett kann sie alle. So wie Ire Conor Moore den Golfstars auf den Mund schaut, so hat der Engländer, der an einem US-College Golf spielte und sich auch in der Qualifying School der Euopean Tour versuchte, ihre Körpersprache und ihren Schwung intus. Dustin Johnson, Keegan Bradley, Phil Mickelson, Bubba Watson und Padraig Harrington waren schon an der Reihe, jetzt knöpfte Bartlett sich Tommy Fleetwood vor – samt Haarpracht, versteht sich:
Weiche Knie bei Patrick Reed
Hosenflattern: Wenn einer an einem Auftakt Loch für den Abschlag statt des Drivers das Holz drei nimmt, dann könnte das nicht nur strategische Gründe haben, sondern vielleicht auch an weichen Knien liegen. „Ich bin doch deutlich nervöser gewesen, als ich gedacht habe“, bekannte Titelverteidiger Patrick Reed nach seiner 73er Auftaktrunde (T44). „Ich wollte unbedingt die Bunker vermeiden und lieber zu kurz bleiben.“ Zwar fand er den Sand auf der 407 Meter langen „Tea Olive“ dank des Adrenalins auch mit dem kleinen Holz und das zweite Mal beim Schlag in Richtung Grün, aber: „Als ich dann den Par-Putt gelocht habe, hat sich die Aufregung gelegt und ich war wieder im Normalmodus.“ Dennoch setzte der 28-Jährige sein inkonstantes Spiel aus den Vorwochen fort, weswegen er sogar Trainer-Legende David Leadbetter verpflichtet hat, und traf beispielsweise nur acht der 18 Grüns „in regulation“.
Palmer und Nicklaus befeuern Ball-Debatte
Litanei: Es gehört zu den Geflogenheiten des Masters, dass die „Honorary Starters“ nach der Eröffnung durch ihre „Ceremonial Tee Shots“ eine Pressekonferenz geben. Dort nutzten Jack Nicklaus und Gary Player wieder mal die Gelegenheit, den modernen Ball und die daraus resultierenden Schlaglängen der Professionals zu kritisieren. „Der Ball ist absurd geworden“, sagte Nicklaus. „Von 1930 bis 1995 ermöglichte er 5,5 Meter mehr, von ’95 bis 2005 erbrachte die Balltechnik schon fast 14 Meter mehr. Das muss ein Ende haben.“
Auch wenn‘s nicht am Ball allein liegt, sondern in gleichem Maß an der Materialentwicklung bei den Schlägern und an der Spielerathletik, sieht auch Player beim Ball den probatesten Ansatz. „Die Spieler haben auf einem Par-5-Loch für den zweiten Schlag ein Wedge in der Hand. Wunderbare Plätze wie der Old Course sind damit völlig überholt. Das muss gestoppt werden, sonst machen wir uns lächerlich. Die Amateure können ja spielen, was sie wollen: Aber es ist endgültig an der Zeit, dass die Verbänden über einen gesonderten Ball für die Profis nachdenken.“
Alles im Blick
Zum Schluss: „Full Coverage“ heißt es im englischen Sprachraum, wenn beispielsweise ein Golfturnier in voller Länge übertragen wird. Diese Sportkameraden freilich haben das „Full“ bei ihrem Masters-TV-Abend sehr wörtlich genommen. Dazu fällt einem nur noch eins ein: Alles im Blick!