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British Open

Der Old Course – Kathedrale und Kultstätte zwischen Missverständnis und Mythos

11. Jul. 2022 von Michael F. Basche in St. Andrews, Schottland

Die British Open auf den Old Course in St. Andrews - jedes Mal wieder ein Highlight. (Foto: Getty)

Die British Open auf den Old Course in St. Andrews - jedes Mal wieder ein Highlight. (Foto: Getty)

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Als Sam Snead zum ersten Mal dieses berühmten Platzes ansichtig wurde, den die Golfwelt von jeher als eine Art heiligen Gral stilisiert, da entfuhr ihm eine ziemlich ruppige Bemerkung. „Was für ein öder, verkommener Kurs – auf so was richten sie die British Open aus?“, raunzte „Slammin‘ Sammy“ beim Blick aus dem Fenster seines Eisenbahnabteils.

„Alles andere als ein wertloses Stück Land“

Man schrieb 1946, der Star aus Amerika war unterwegs zur ersten Open Championship nach dem Zweiten Weltkrieg und ohnehin genervt von einer beschwerlichen Reise durchs Nachkriegs-Britannien. Ein paar Tage drauf, am 5. Juli, hielt Snead auf eben jenem vermeintlich gottverlassenen Parcours am Stadtrand von St. Andrews die Claret Jug in Händen und gab viel später zu: „Alles andere als ein wertloses Stück Land.“

Der Old Course ist kein Fall für One Night Stands oder Liebe auf den ersten Blick, damals wie heute – es sei denn, man lässt sich allein vom blanken Nimbus vereinnahmen. Ansonsten gilt es, die Legende zu erleben, zu erfahren, zu erobern. Immer wieder, Bahn um Bahn. Der US-Profi Scott Hoch bezeichnete den Platz mal als „miesestes Stück Dreck, das ich je gesehen habe“. Südafrikas Altmeister Gary Player wiederum gab zu Protokoll: „Man muss ihn mehrfach spielen, um den Old Course zu verstehen.“ Bloß Jahrhundertgolfer Jack Nicklaus war „verknallt, kaum dass ich ihn erstmals betreten hatte“.

(Foto: Michael F. Basche)

(Foto: Michael F. Basche)

Die Alma Mater des Golfsports ist ambivalent, eine Melange zwischen Missverständnis und Mythos. Der große Bobby Jones zerriss 1921 beim ersten Auftritt in St. Andrews während Runde drei der 56. Open Championship auf Loch 11 wutentbrannt seine Scorekarte, nachdem er vier Schläge gebraucht hatte, um einem Bunker zu entkommen.

Bobby Jones: Aus Furor wurde Friede

1927 hingegen gewann er auf dem Old Course die zweite seiner drei Open, und 1930 legte er ebendort mit dem Gewinn der British Amateur den Grundstein zum Grand Slam. Aus dem einstigen Furor war längst Friede geworden: „Wenn ich in meinem Leben allein die Erfahrungen von St. Andrews gemacht hätte, dann wäre es trotzdem ein reiches, erfülltes Leben“, bekannte Jones, der 1958 zum Ehrenbürger des Universitätsstädtchens ernannt wurde.


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Verbrieftes Recht vom Erzbischof

Gut 400 Jahre zuvor, genauer gesagt im Jahr 1552, hatte Erzbischof John Hamilton den Bürgern von St. Andrews das Recht verbrieft, auf der Allmende vor den Stadttoren nicht nur gebleichtes Leinen zum Trocknen auslegen und lustwandeln zu dürfen, sondern überdies ihrer Golfleidenschaft zu frönen. Die kommunalen Brachflächen, Links genannt, wurden zum Tummelplatz für spielwütige Städter und Studenten. Bloß Sonntags ruhte der Golfbetrieb, das gilt mit Ausnahme großer Turniere bis heute.

Adelsschlag im Jahr 1834

1754 schlossen sich 22 Herren von Stand und Rang zur Society of St. Andrews Golfers zusammen; 1834 adelte König William IV. die Herrenrunde, und aus der Golfgesellschaft wurde der Royal & Ancient Golf Club of St. Andrews, dessen Ableger R&A heute die Geschicke des Spiels in aller Welt außer den USA und Mexiko bestimmt. Am 4. Oktober 1873 schließlich fand erstmals eine Open Championship auf dem Old Course statt, die 13. in der Historie des weltältesten Majors. Und wenn heuer zum 150. Mal der Champion Golfer of the Year ermittelt wird, dann kann und darf dieses Jubiläum nirgendwo sonst zelebriert werden als im Sanktuarium St. Andrews, das seine 30. Open-Auflage wegen des besonderen Anlasses außerhalb des normalen Fünf-Jahres-Turnus erlebt.

(Foto: Getty)

(Foto: Getty)

Gary Player: „Von Genies angelegt“

Der Old Course in all seiner Bedeutungsschwere ist gelobtes Golfland und mit ca. 45.000 Runden jährlich eine Pilgerstätte für Spieler aus aller Welt; er selbst „wurde von Genies angelegt“, konstatiert Gary Player.

Das Genie zuvorderst war die Natur. Sie goss mit Hilfe von Eiszeit und Erosion an die Ostküste Schottlands, was zum „Home of Golf“ und zur „Kathedrale des Golfsports“ (R&A), letztlich zum Inbegriff des Golfplatzes werden sollte: Der Old Course, Patron aller Parcours, Blaupause für große Kurse in aller Welt, Schauplatz besonderer Momente, Dreh- und Angelpunkt für den Fortgang des Spiels, von Fama und Fakten förmlich überwuchert.

Ursprüngliche 22 Bahnen auf 18 komprimiert

So geht beispielsweise die heutige 18-Loch-Runde auf den Old Course zurück, dessen ursprünglich 22 Bahnen im Jahr 1764 auf besagte 18 komprimiert worden waren, weil einige Löcher aufgrund der Materialentwicklung zu kurz geworden waren. Das Problem wird sich in den kommenden Tagen erneut zeigen, sofern Wind und Wetter als natürliche Waffen des Old Course gegen die Attacken von Mensch und Material ausfallen.

Der Guttapercha-Ball und …

Ebenfalls in St. Andrews entwickelte Dr. Robert A. Paterson als Student 1848 den Guttapercha-Ball, der den teuren, weil handgemachten Featherie ersetzte und dessen kautschukähnliches Material endlich eine Massenproduktion sowie damit breiteren Kreisen den Zugang zum Golf ermöglichte.

Die frühen „Custodians of the Links“, Allan Robertson oder Daw Anderson und natürlich der Golf-Allvater Tom Morris Sr., freilich arrangierten und pflegten lediglich, was ohnehin gegeben war.

… die Innovationen von Old Tom Morris

„Old Tom“ war da noch der umtriebigste, er avancierte in St. Andrews vom Schläger- und Ballmacher-Lehrling zum Patriarchen des modernen Spiels. Als erste Amtshandlung quasi separierte Morris um 1863 die 1 und die 18, machte eigenständige Bahnen aus dem Auftakt und dem Schlussloch des genialen „Reversible-Course“-Layouts, verschaffte dem strategischen Design neuen Raum, führte das Besanden zur Pflege von Fairways und Grüns ein, erfand die Grassoden-Bauweise der heute insgesamt 110 Pottbunker, das Layout der Doglegs und den Locheinsatz fürs Grün.

Allein die Grüns belegen drei Hektar

Währenddessen wurde der Platz wie in den Jahrhunderten zuvor unverändert in beide Richtungen bespielt, wöchentlich wechselnd, „out“ und „in“ über die ausladenden Fairways. Zwar geht‘s mittlerweile ausschließlich gegen den Uhrzeigersinn, aber nach wie vor haben einzig die Löcher 1, 9, 17 und 18 eigene Puttflächen, alle anderen Bahnen enden auf enormen Doppelgrüns, die 2 und die 16, die 3 mit der 15, und so weiter; insgesamt entfallen drei Hektar allein auf die Puttflächen.

Hype des Evangeliums nach Par

Der mit dem Management betraute St. Andrews Links Trust pfuscht allerdings seit Jahren gehörig am ehrwürdigen Ensemble herum und lässt im Hype des Evangeliums nach Par allerlei Erschwernisse einbauen – vermeintlich notwendig, weil der Entwicklung von Spielerathletik und modernem Spiel-Zeug geschuldet. Was Puristen wie Tom Doak die Zornesröte ins Gesicht treibt. „Bei einem solchen Schatz von Weltrang sollte die Beweislast für notwendige Änderungen höher sein, als die bloße Meinung des Managements und eines Architekten,“ schrieb der US-Architekt bereits Ende 2012 in einer Petition an den R&A.

(Foto: Getty)

(Foto: Getty)

Wer als Golfplatz-Designer was auf sich hält …

Die gut 6.140 Meter sind halt eine Kultstätte, wenngleich das Geläuf für den Uneingeweihten tatsächlich nicht viel hermacht, auf den ersten Blick völlig überbewertet scheint – grün-braune und gewellte Ödnis halt. Erst recht sonntags, wenn die öffentliche Anlage gemeinhin geschlossen ist und St. Andrews‘ Bürgern zum Lustwandeln zur Verfügung steht.

Wer indes als Golfplatz-Designer was auf sich hält, sollte den Old Course gründlich studiert und die Wirkkraft in der Grundierung und in der DNA des Spiels erspürt haben. Sein Einfluss umspannt den gesamten Golfglobus; die Doppelgrüns etwa oder das „Eden“-Par-3 (Loch 11), die Bunker Hell (Bahn 14) und Road (Bahn 17) – bloß zwei von 112 eher berüchtigten Sandlöchern –, dazu das gesamte Road Hole (17), selbst die über 700 Jahre alte Swilcan Bridge sind Pilaster der Platzgestaltung.

Blaupause für große Kurse in aller Welt

Dr. Alister MacKenzie ließ sich vom Genius Loci ebenso für Augusta National inspirieren wie Donald Ross für Pinehurst, Charles Blair McDonald für die National Golf Links of America oder in der Neuzeit Tom Doak für Old MacDonald im Bandon-Dunes-Resort.

„Kein anderer Platz reicht annähernd an den Old Course heran. Er ist einzigartig“, sagt Nicklaus, der zwei von drei British Open unter seinen 18 Majors in St. Andrews gewann (1970/1978). Und der 2018 verstorbene fünffache australische Champion-Golfer Peter Thomson, Sieger 1955, schwärmte einst: „Alle meine Vorstellungen bestätigten sich angesichts dieses heiligen Bodens. Mir war, als sei ich im Himmel.“

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