Beginnend ab 2020 wurde ein weltweit einheitliches „World Handicap System“ (WHS) der Handicap-Verwaltung eingeführt, welches das aktuelle Spielpotential realistisch reflektieren soll. Dazu wurden die bislang bestehenden sechs Handicap-Systeme auf der Welt zusammengefasst und vereinheitlicht. Während sich Frankreich und auch Südafrika für einen raschen Einstieg entschieden haben, setzt der Deutsche Golf Verband (DGV) auf Sorgfalt anstelle von Schnelligkeit und nutzt eine einjährige Übergangfrist, um den bundesweiten Einstieg in das neue System für 2021 vorzubereiten. Neben Deutschland haben sich unter anderem Österreich, die Schweiz und alle so genannten CONGU-Staaten der britischen Inselgruppe zu dieser Variante der Einführung entschieden.
Genauer besehen ähnelt das WHS eher dem jetzigen Handicap-System der USGA (United Staates Golf Association) als den anderen bestehenden Systemen. Zwar ist diese Orientierung nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass die überwältigende Mehrheit aller Golfer weltweit auf dem nordamerikanischen Kontinent zu Hause ist. Dennoch bedeutet dies, dass sich die Golfer der EGA (European Golf Association) - und damit auch deutsche Golfer - an größere Veränderungen gewöhnen müssen als die Golfer der USGA. Der WHS hat eine gänzlich andere Berechnungsgrundlage, daher wird das neue Handicap-Index (HCPI) meistens nicht der aktuellen DGV-Vorgabe entsprechen.
Kern der Änderung ist, dass man sich nicht mehr Schritt für Schritt und auf Grundlage es vorherigen HCPs „runterspielt“. Aus der etappenweisen Veränderung des persönlichen HCPs (Incremental System), wird ein Durchschnittssystem (Average System). Auf diese Weise wird die EGA-Vorgabe nun als World Handicap Index (HCPI) geführt, der täglich auf den neuesten Stand gebracht werden soll. Dass das eingespielte Ergebnis bereits am folgenden Tag Grundlage des Spiels sein wird, ist vor allem für die amerikanischen Golfer eine Neuerung. In den USA wurden die HCPs zuvor zum Ende jedes Monats aktualisiert.
Die besten acht, der letzten zwanzig Runden
Grundsätzlich werden nach den Vorgaben des WHS die letzten 20 gespielten Runden zur Berechnung des neuen Index‘ betrachtet. Aus den letzten 20 Runden wird aus dem Durchschnitt der besten acht Scores der HCPI berechnet. Zum Vergleich: Beim USGA-System waren die letzten zehn besten Runden Grundlage der Berechnung.
Mindestanforderung für die Berechnung ist, dass eine vorgabewirksame 9-Loch-Runde im System hinterlegt ist, oder zumindest ein HCP geführt wurde. Die hinterlegten Runden dürfen nicht länger als vier Jahre zurückliegen. Scores, die vor dem 1. Januar 2017 erzielt wurden, sind demnach nicht Teil der Berechnung des HCPI.
Zum einen ist diese Frist der zu konvertierenden Datenmenge geschuldet, zum anderen soll der neue HCPI stets das aktuelle Spielpotential realistisch reflektieren und keine historischen Leistungen widerspiegeln.
Wenn ein Golfspieler nach dem 1. Januar 2017 keine Ergebnisse im Stammblatt verzeichnet hat, so wird sein gegenwärtiges HCP solange auch der künftige HCPI sein, bis der Datensatz des Spielers eine neue Berechnung zulässt. Der Österreichische Golfverband (ÖGV) sieht alternativ vor, dass der zuständige Handicap-Ausschuss des Heimatclubs eine Klärung herbeiführen soll.
Berechnung des World Handicap Index
Die Ermittlung der persönlichen Spielvorgabe geschieht wie bisher auf Basis des Slope- und Course-Ratings.
Grundlage der Berechnung eines Scores:
Formel: (Spielergebnis - Course Rating) x (Standard-Slope ÷ Slope-Rating) = WHI
Wenn beispielsweise ein Par-72-Platz mit einem Course Rating von 71,5 und einem Slope-Rating von 120 mit 98 Schlägen beendet wurde, ergibt sich folgende Rechnung:
Beispiel: (98 – 71,5) x (113 ÷ 120) = 24,9 (Ergebnis wird auf eine Nachkommastelle gekürzt).
Die besten acht Scores, der jüngsten 20 Runden, ergibt im Durchschnitt den WHI:
(24,9 + 22 +25,1 + 19,3 +23,4 + 30,2 +23,7 + 21,9) ÷ 8 = 23,8
„Course Rating Korrektur“ (PCC)
Mit der so genannten „Course Rating Korrektur“ (Playing Conditions Calculation, PCC) sollen sowohl witterungsbedingte wie auch platzbedingte Vor- und Nachteile berücksichtigt werden. Neben der objektiven Schwierigkeit des Platzes (Course Rating) sowie seiner subjektiven Schwierigkeit (Bogey-Rating bzw. Slope-Wert), können Witterungsumstände während der Runde Auswirkung auf den Score Differential“ haben. Somit berücksichtigt das System, wenn gebündelt Normabweichungen zur Spielvorgabe festgestellt werden.
Auch wenn ihre Umsetzung eine gänzlich andere ist, werden hierdurch die Grundideen der ehemaligen Instrumente der CSA (competition stableford adjustment) bzw. der CBA (competition buffer adjustment) wiederbelebt.
Bei auffälligen Normabweichungen können bei besonders guten Ergebnissen die Score Differentials um einen Punkt erhöht, bei besonders schlechten Ergebnissen um bis zu drei Punkte reduziert werden.
HCPI – ein Abschied von Stableford?
Die bekannten Vorgabeklassen wird es nicht mehr geben. 9-Loch und EDS-Runden werden damit auch für Spieler der heutigen Vorgabeklasse 1 handicaprelevant. Einzelwettspiele sind in der Hauptsaison (Mai-September) mit dem neuen System grundsätzlich handicaprelevant. Künftig werden vollständige 9-Loch aber auch anteilig gespielte 18-Loch-Runden zur Berechnung herangezogen. 18-Loch-Runden werden berücksichtigt, wenn mindestens 10 Löcher gespielt wurden.
Die Einführung des neuen Systems bedeutet nicht, dass es künftig keine Stableford-Turniere mehr geben wird. Aber für die Kalkulation des HCPIs werden die Runden künftig immer als Brutto-Zählspielergebnis dargestellt.
Die maximale Anzahl pro Loch an Schlägen wird dabei auf Basis des persönlichen Double-Bogeys ermittelt. Bei einem Par-4 und einer Vorgabe von zwei Schlägen, ist das persönliche Par eine 6 (bisher zwei Stableford-Punkte). Das persönliche Double-Bogey liegt somit bei 8 und dies ist damit das Maximalergebnis, das als Score vermerkt werden kann (bisher 0 Stableford-Punkte).
Bei extremen Verschlechterungen in der Handicapentwicklung greifen in Ausnahmefällen Abfederungsmechanismen. Die so genannten „Soft Cap“ und „Hard Cap“ greifen jedoch erst, wenn, wenn mindestens 20 Ergebnisse im Datensatz des Spielers hinterlegt sind.
Wird es in Deutschland denn so sein wie in USA, so dass in Zukunft auch jede Privatrunde erfasst werden kann bzw. sollte? Oder bleibt es dabei dass nur vorgabewirksam deklarierte Turnier- bzw. EDS-Runden zur neuen Berechnung berücksichtigt werden? Ich habe dazu widersprüchliche Aussagen gelesen… herrscht denn in dem Punkt schon Klarheit?
Herzlichen Dank,
Wolfgang
Lieber Wolfgang,
weiterhin werden nur vorgabewirksame Runde (EDS-Runden und Turniere) das Handicap bestimmen. Bei EDS-Runden ändert sich der Name in „registrierte Privatrunden“. Andere private Runden, also alle nicht zuvor registrierten, werden auch weiterhin nicht zur Handicap-Berechnung genutzt. Dies steht bereits fest.
Liebe Grüße
Tobias Hennig (Golf Post)