Die Tage im Paradies sind vorbei: Nach den beiden Turnieren auf dem nahezu Covid-19 freien Hawaii kehrt die PGA Tour mit dem California Swing in den „normalen Pandemie-Wahnsinn“ zurück. „The Golden State“, wo bis 21. Februar vier Turniere anstehen, und gerade der Großraum Los Angeles sind selbst für die desaströsen US-Verhältnisse ein besonderer Corona-Hotspot, der die Grenzen seiner medizinischen Kapazität längst weit überschritten hat und kurz davor ist, „die Schlacht gegen das Virus endgültig zu verlieren“, wie die „Los Angeles Times“ unlängst titelte.
Bislang hat die „Blase“ gehalten
Inmitten dieser „menschlichen Tragödie“ (Regierungsstellen) mit überfüllten Intensivstationen, abgewiesenen Ambulanzen vor Krankenhäusern, täglichen Triage-Entscheidungen und sich stapelnden Särgen beginnt heute The American Express. Auf dem PGA-West-Stadionkurs in La Quinta versuchen sich Turniergastgeber Phil Mickelson und Co. um ein bisschen sportliche Normalität.
Das muss wahrscheinlich so sein, the show must go on – irgendwie. Und die Tour hat bewiesen, dass sie „Pandemie kann“: Auf geradezu wundersame Weise haben Commissioner Jay Monahan und seine Mannen seit dem Restart im Juni 2020 ihren Zirkus nahezu sicher und problemlos durch das Ausnahmejahr manövriert; gelegentliche Ausfälle positiv getesteter Tross-Teilnehmer waren zu erwarten und sind gewiss eingetreten; grundsätzlich indes hat die „Blase“ gehalten.
Überbelastung lokaler Kapazitäten und Ressourcen?
Jetzt freilich stellen sich neuerlich elementare Fragen. Beispielsweise: Sollten überhaupt derartige Veranstaltungen mit immer noch Hunderten von Menschen auf einem Fleck in solch sensible Bereiche „importiert“ werden? Müssen wirklich tausende von Schnelltests „verplempert“ werden, wenn ansonsten alle Ressourcen mehr als knapp sind? Gar nicht zu sprechen von womöglich wirklichen Ernstfällen, während drumherum eh schon der Ausnahmezustand herrscht.
Immerhin hatte es sich die Tour förmlich in ihre Statuten geschrieben, auf den einzelnen Stationen keinesfalls zu einer zusätzlichen Belastung per se ausgereizter lokaler Kapazitäten werden zu wollen. Paul Casey erinnert vor dem ersten Abschlag in La Quinta genau daran, wenn er sagt: „Falls dieser Umstand tatsächlich mal eintritt, sollten wir das jeweilige Turnier umgehend canceln.“
Keine Zuschauer beim California Swing
Andy Levinson als zuständiger Leiter des Pandemie-Spielplans hingegen fürchtet eher eine gewisse Selbstzufriedenheit und daraus resultierende Nachlässigkeit sowie die allgemeine gesellschaftliche Restriktionsmüdigkeit. „Kalifornien ist in einer besonders schwierigen Situation, und daher haben wir unsere Abstimmung mit den Behörden noch verstärkt, damit man auch dort sicher sein kann, dass wir uns richtig verhalten“, betont der PGA-Tour-Mann. „Es liegt an uns, in Sachen Sicherheit weiterhin für jeden mit gutem Beispiel voranzugehen.“
Vor diesen Hintergründen ist überdies jede Debatte hinsichtlich einer Zulassung größerer Zuschauermengen obsolet. Die kalifornischen Turnierstandorte bis hin zum Riviera Country Club mit dem Genesis Invitational am letzten Februarwoche haben Fans bereits kategorisch ausgeschlossen; das Pebble Beach Pro-Am findet ohne „Am“ statt, ohne seine mehr oder weniger berühmten Amateure. Dies hingegen wirft weitere Probleme auf, die das wirtschaftliche Überleben der Ausrichter betreffen.
Den Ausrichtern fehlen elementare Einnahmen
Die Turnierstandorte ächzen unter den Begleitumständen des golferischen Notbetriebs und lutschen einen bitteren Drops, den die Tour garantiert mit Zuckerguss, sprich dollarschweren Kompensationen erträglich macht bzw. machen muss. Denn während sie ihre Schäfchen munter auf die Weide führt, spricht TV-Partner und Großsponsoren mit Show bedient, gucken die Ausrichter in die Röhre.
Ihnen fehlen die Einnahmen aus den Corporate-Sponsoring-, Pro-Am-Veranstaltungen oder VIP-Zelten sowie durch den Besucherbetrieb an Ticketschaltern, Fressbuden und Getränkeständen. Schon vergangenes Jahr offenbarte Hollis Cavner, Organisationschef der annullierten Valspar Championship, dem „Golf Channel“, dass es schlimmer und teurer sei, ein Turnier ohne Fans durchzuführen als es komplett ausfallen zu lassen. Nachvollziehbar.
Phoenix Open als besonderer Problemfall
Und dann ist da noch die Phoenix Open, der Abstecher am ersten Februarwochenende ins kaum weniger neuralgische Arizona. Während Turnierkomitee-Chef Scott Jenkins die Zulassung von 5.000 Zuschauern pro Tag mantrahaft mit den Distanzierungsmöglichkeiten bei dieser „People’s Open“ (Jenkins) auf dem 78 Hektar großen Gelände des TPC Scottsdale zu legitimieren versucht, schütteln andere besorgt den Kopf. Der Kollege Eamon Lynch von „Golfweek“ bemüht in einer Mahnung an die Tour sogar ein Zitat aus Shakespeares „Romeo und Julia“: „Seid klug und maßvoll; es stolpern oft jene, die zu schnell laufen.“
„Bierseliges Bacchanal“
Ohnehin werde die 86. Austragung des „bierseligen Bacchanals“ nur ein Schatten ihrer selbst, erinnert Lynch an die rund 700.000 Zuschauer des Jahres 2018 („von denen manche sogar das Golfgeschehen verfolgt haben“) und führt aus, dass an jedem normalen Samstag die Schlange vor den Toilettenhäuschen dichter bevölkert sei als heuer die gesamte Anlage mit den paar geplanten Fans. Soll heißen: Dann können sie es gleich auch ganz lassen. Notfalls müsse die PGA Tour den Verantwortlichen vor Ort diese Entscheidung abnehmen, fordert er.
Fan-Klientel neigt zu überbordendem Verhalten"
„Selbst minimale Zuschauerzahlen könnten immer noch zu viele sein“, schreibt Lynch. „Die PGA Tour hat seit Juni dank strenger Sicherheitsprotokolle und durch ihre sterile Blase vor Ort eine bemerkenswerte Arbeit bei der Durchführung von Turnieren geleistet. Knapp ein Jahr nach Beginn dieser schwierigen neuen Realität gibt es dank der vielversprechenden Impfstoffe endlich ein schwaches Licht am Ende des Tunnels. Gerade jetzt ist kein Zeit fürs Hasardieren.“
Insbesondere nicht mit einer Fan-Klientel, die nachweislich in hohem Maße zu überbordendem Verhalten neige: „Selbst in besten Zeiten ist die Phoenix Open angesichts mancher Besucher, die nur noch zum Ausgang wanken können, kein Vorbild für verantwortungsvolles Benehmen.“
Morikawa: Aufpassen, wohin die Reise geht
Mit seinem Appell steht der Golf-Journalist keineswegs allein da. Sogar die Spieler warnen vor zu rascher Öffnung der Turniere, wenngleich sie bekanntermaßen die motivierende Wirkung der Kulisse enorm vermissen. PGA Champion Collin Morikawa etwa mahnt – und zwar gleichermaßen im Hinblick auf die Ankündigung eines 2021er-Masters mit Patrons: „Tour und Spieler haben die Gesundheits- und Sicherheitskonzepte verinnerlicht. Auch Augusta National wird eine Struktur aufbauen, die sicherstellt, dass die Sache nicht aus dem Ruder läuft – davon bin ich überzeugt. Aber dennoch müssen wir sehr genau aufpassen, wohin die Reise geht.“