Es ist ein Moment von tragischer Schönheit: Wie an der Schnur gezogen schwebt der Ball Richtung Grün, ein Eisen 6, satt und sauber vom Tee gefegt, genau auf der Linie zur Fahne, mit einer wunderbaren Flugbahn – die dann drei Meter vor der Grünkante mit einem profanen Plopp im Wasser endet. Den Versucht war‘s wert. Hinter mir scheint derweil das leere weiße Podest mit der Aufschrift „Soul, electrified“ leicht zu kichern. In den Tagen zuvor hat dort Porsches neuestes Geschoss, der Elektro-Edelrenner Taycan in der 700 PS starken Turbo-Version für rund 150.000 Euro, auf den ersten Hole-in-one-Schützen gewartet.
Pin-Positions des Finalsonntags
Doch der blaue Stromer wurde längst wieder verhüllt und abtransportiert: Wir schreiben den Tag nach der Porsche European Open, und während um uns herum auf den Green Eagle Golf Courses in Winsen/Luhe der Abbau von all dem begonnen hat, was ein Golfturnier dieser Größenordnung so an Kulisse und Requisite braucht, dürfen wir den Porsche Nord Course im Turnier-Trimm aufs Korn nehmen, mit den Pin-Positions des Finalsonntags.
„Green Monster“ hat Altrocker und Golf-Nerd Alice Cooper das Geläuf mal getauft, es ist mit maximal 7.161 Metern der länge Platz auf der European Tour und einer der schwierigsten zudem. Das geht einem ganz unwillkürlich durch den Kopf, während wir uns am ersten Abschlag neben dem mächtigen Lounge-Gebäude versammeln, das mit seinen Balkonen an der Vorderseite aufs 18. Grün schaut, wo am Sonntag Nachmittag Paul Casey mit der „unglaublich prestigeträchtigen Trophäe“ posierte.
„Du spielst auf vier Meter, der Ball läuft sieben“
„Wir“, das sind Christina (Handicap 28,5), Oliver (Handicap 12,3) und Tomi (Handicap 18), allesamt Sieger eines Gewinnspiels von Ecco in Kooperation mit Golf Post, überdies enthusiastische Instagramer und Social-Media-Aktivisten. Dazu der Autor als Vierter im Bunde.
Um es vorweg zu nehmen, das „grüne Monster“ ist an diesem „Day after“ nicht in kratzbürstiger Laune, wohl ein wenig ermattet und vielleicht etwas mitgenommen von dem ganzen Rummel zuvor. Für uns ein Geschenk, danke!
Vor allem sind die Grüns nicht frisch gemäht und gewalzt – glücklicherweise –; am Vortag hatten sie noch 12,8 Inches auf dem Stimpmeter. Überdies hat es frühmorgens geregnet, trotzdem laufen die Bälle für unsereins höllisch schnell, scheinen nach der Hälfte der Strecke zum Loch oftmals gar weiter Fahrt aufzunehmen. „Du richtest dich beim Putten auf vier Meter ein, doch der Ball läuft sieben Meter“, grinst Oliver. Und das sagt einer, der als Minigolfer nationale Spitze war und sich mit dem „Flat Stick“ bestens auskennt.
Ein echtes Brett – schon von Gelb
Dafür gibt es auf den feuchten Fairways kaum Roll. Schade, ich hätte den ab und an gut gebrauchen können. Denn natürlich schlage ich – wiewohl alles andere als ein Longhitter und überdies längst ein Senior – mit Oliver und Tomi mindestens von Gelb ab. Damit schon ist der Porsche Nord Course ein echtes Brett – sogar für den 12er Handicapper Oliver, Mitglied in Gut Glinde, „spielt sich jedes Par 4 wie ein Par 5“.
Gleichwohl, 2.839 Meter von Gelb für die erste Schleife sind ehrfurcht-, aber nicht furchteinflößend. „Es hilft trotzdem, wenn man auch die Anfangslöcher wenigstens Mal gesehen hat. Ich bin gestern die Front Nine mit Bernd Wiesberger gelaufen“, erzählt Tomi, dessen Heimatclub die GolfRange Wien Schwechat ist; die beiden Österreicher kennen sich seit Jugendzeit und vom Basketball: „Auf der Back Nine freilich hatte ich überhaupt keine Ahnung, was auf mich zu kommt.“
Großes Lob für den Platz von Keith Pelley
3.794 Meter von Gelb, um die Antwort in Zahlen zu geben. Oder, wie eine geschätzte Kollegin neulich herausgearbeitet hat: Allein die vier Schlusslöcher addieren sich von den Champion-Abschlägen auf nahezu zwei Kilometer, die beiden Par 5, das Par 3 und das finale Par 5 bringen es selbst von den hinteren Clubabschlägen auf 1.838 Meter.
„Vorne muss man die Birdies machen; hinten raus gilt es bloß, den Score zu verteidigen“, sagt Green-Eagle-Patron und Platzkonstrukteur Michael Blesch gern über sein „Monster-Baby“. Bei dieser dritten Auflage der Porsche European Open im Hamburger Speckgürtel haben er und seiner Partner Ralf Lühmann sich einmal mehr als Bilderbuch-Gastgeber erwiesen und der European Tour in unermüdlichen Einsatz, mit Hang zur Perfektion und Liebe zum Detail eine bravouröse Bühne hingestellt; am Sonntag gab‘s dafür von Tour-Chef Keith Pelley ein lobendes Schulterklopfen.
Kuschelflausch und Tanzdielen
Wir dürfen uns tags drauf ganz unmittelbar von der Güte des Geläufs überzeugen: Die Fairways sind makelloser Kuschelflausch, die Grüns Tanzdielen für den Pas de deux an der Stange mit Putter und Ball. „Für mich war es der schönste und vor allem gepflegteste Platz, den ich je gespielt haben. Trotz des Turnierstresses für den Rasen einfach top!“ schwärmt Christina, die auf der GolfRange Dortmund zuhause ist.
Und die Spuren, die das Teilnehmerfeld am Sonntag hinterlassen hat, liegen sowieso außerhalb unserer Reichweiten. Gleichwohl, schwärmt Tomi, „ist es spannend, den Platz selbst anzugehen, wenn man so frisch in Erinnerung hat, was für Schläge die Profis gemacht, welche Linien und Winkel ins Grün sie gewählt haben. Eine faszinierende Erfahrung.“
Notfalls auf der 16 übernachten
Bahn 15, das Dogleg rechts als Auftakt des Zwei-Kilometer-Finales, ist ein ziemlich beeindruckendes Beispiel. Da stößt unsereins auf die ersten Fairway-Divots der Cracks, während wir bereits kurz vor dem dritten Schlag sind. Ohnehin wirkt das „grüne Monster“ auf der Back Nine psychologisch eher noch länger, wenn man es nicht zum ersten Mal erlebt und weiß, was einen erwartet.
Dafür drängt sich auf der 16, heuer das längste Loch im gesamten europäischen Tour-Kalender und allein von Gelb ein 606-Meter-Lulatsch, immer der Gedanke auf, dass ein Amateur wie ich vielleicht was zum Übernachten ins Bag packen sollte, falls er das Grün nicht bis Sonnenuntergang erreicht …
Eine Art Turnierfinale auch für uns
Scherz beiseite, irgendwann ist hier die Murmel ebenfalls eingelocht, und wir marschieren zur 17, dem finalen Par 3 und für mich als malerischstes Loch das Signature Hole des Porsche Nord Course – selbst wenn man ohne Erfolgserlebnis vom üppig ondulierten Grün geht.
Im Finish auf der 18 dann hat‘s war von Turnierfinale. Wenngleich Tribünen und Lounge leer sind, schwadroniert das Kopfkino von sonntäglichen Menschenmengen und gefälligem Applaus. Mit einem Bogey trotz versemmelten zweiten Schlags findet die Runde einen durchaus versöhnlichen Abschluss – nicht zuletzt dank der sauberen Annäherung, die das Wasser vor dem Grün und die Bunker dahinter vermeidet. Jetzt gehört das Monster wieder den Clubmitgliedern und Green Eagles Gästen …