In unserer Serie "Die European Tour mit Florian Fritsch" stellen wir mit Hilfe des ehemaligen Challenge- und European-Tour-Profis Florian Fritsch die Funktions- und Arbeitsweisen der European Tour dar. Das Gespräch mit dem Insider offenbart spannende Details und interessante Anekdoten.
Caddie auf der European Tour
Jedem ist klar, Caddies sind mehr als Bag-Träger. Manche sagen, dass gutes Caddying eine Kunst ist. Zwar sind die kleinen Dinge, saubere Schläger, die richtigen Snacks, äußerst wichtig. Von einem guten Caddie werden aber viel breitere Qualitäten gefordert: Analysen des Platzes und des Wetters, um die Course-Strategy zu besprechen. Wann könnte es helfen ein Lay-Up zu spielen? Wo ist das Fairway flach, um eine perfekte Länge zu erzielen? Wo auf dem Grün sollte der Spieler landen? Auf welcher Seite ist es weniger schlecht, das Grün zu verpassen?
„Ich persönlich erarbeite mir meinen Schlag gerne selber und brauche einen Caddie, der immer mental dabei bleibt, die ,objektive‘ Entscheidung errechnet und mir hilft, falls ich unsicher bin. Er muss also ,ready to answer‘ sein, falls ich Zweifel habe und präzise Antworten geben“, erklärt Ex-Profi Florian Fritsch. Dafür müsse der Caddie alle Grundfertigkeiten mitbringen, die es für Golf auf diesem Niveau brauche.
- Situative Klarheit/Entschluss- und Entscheidungsfähigkeit
- Ausstrahlen von Ruhe
- Empathie/Fähigkeit zuzuhören
- Orientierung auf dem Golfplatz (Linien, Entfernungen)
- Fähigkeit die Windrichtung genau zu bestimmen
- Vertraulichkeit
- Regelkenntnisse
- Kann mit Spielhilfen arbeiten (z.B. Grünbuch, AimPoint Express, etc.)
- Grundlegendes Wissen bezüglich Schwungtechnik und Trainingshilfen
- Grundlegendes psychologisches Wissen
- Bereitschaft zu Lernen / eigene Fähig- und Fertigkeiten weiter auszubauen
- Manieren/Rhetorische Fähigkeiten
- Fitness
- Empathische Enscheidungsfindung
Manche sprechen von Caddies als psychologischer Begleitung. Ohne Frage, sie müssen sie ein feines Gespür für die Gemütslage des Spielers haben: Wann ist er unsicher? Wann wird er übermütig? Und in welchem Ton, auf welche Weise spricht man den Spieler an, damit die produktive Kritik etwas Positives bewirkt? Was passiert, wenn der Caddie in schwierigen Situationen nicht den Ton trifft, mit dem sein Spieler zurechtkommt, lässt sich zuweilen im Fernsehen beobachten.
„Neben den Grundfertigkeiten muss sich ein Caddie um die Gemütslage des Profis kümmern“, erklärt Fritsch. „Ich sage das so unspezifisch, weil jeder Profi seine eigene Vorstellung hat, was darunter zu verstehen ist.“ Tatsächlich gibt es viele Beispiele, bei denen gegensätzliche Charaktere auf dem Platz gut harmonieren. Als Beispiel seien diesbezüglich Martin Kaymer und Craig Conelly genannt. Andererseits hört man auch Geschichten von Profis, die ein psychologisches Profil von Caddies verlangen, um ihre Kompatibilität zu prüfen.
„Mein Caddie muss darauf achten, dass ich in dem mentalen Modus bleibe, den wir vor der Runde besprochen haben“, sagt Fritsch. „Darüber hinaus ist eine Portion Humor und Gelassenheit ganz gut.“
Viele Golfclubs bieten Trainingsprogramme für Caddies an, bei denen die nötigen Fertigkeiten vermittelt werden. Hineinschnuppern kann man in den Beruf als Sommerjob in Golf-Resorts, in denen aber auch Vollzeit-Caddies gesucht werden. Außerdem können die Ausbildungsprogramme verschiedener Caddie-Verbände genutzt werden. Die dortige Mitgliedschaft führt durch das bestehende Netzwerk schneller zum Berufseinstieg. Wie viele Caddies auf diesem Weg auf die European Tour gelangen, ist allerdings nicht klar. „Auf der European Tour werden 20 bis 30 Caddies vor Ort gebucht“, erklärt Fritsch. „Dafür kann es viele Gründe geben: der Stammcaddie ist verhindert oder hat gekündigt oder man hat schlicht keinen festen Caddie. Das gibt es auch.“
Weitaus üblicher ist es Caddie zu werden, wenn man selbst Golfer ist und und durch Freunde und Bekannte Erfahrungen in regionalen und nationalen Ligen sammeln kann. Spätestens, wenn sich die Caddies auf der Challenge Tour einen Namen gemacht haben, ist der Schritt in die European Tour nur folgerichtig und stringent. Oftmals erfolgt der Schritt auf die European Tour gemeinsam mit dem begleiteten Profi. Dieser gemeinsame Schritt ist aber kein Garant dafür, dass es danach weiter geht. So entließ Ben An (Byeong-Hun An) seinen Caddie nach dem Aufstieg auf die European Tour in 2014.
Neue Tour, neuer Caddie?
„Hinter solchen Trennungen steht oftmals die Bestrebung, es mit dem Aufstieg nochmal ,besser‘ oder noch ,professioneller‘ zu machen als vorher“, erklärt Fritsch. „Es scheint die Annahme zu existieren, dass ein Caddy, der einen auf der Challenge Tour erfolgreich begleitet hat, nie im Leben so gut sein kann wie ein gestandener Caddy von der European Tour.“
Wie für die Spieler, führt auch für die Caddies ein Weg auf der European Tour über die Q-School. Erfahrene Teaching-Pros, die als Golfer bereits über eine Profi-Karriere nachgedacht hatten oder vielleicht schon mal selbst bei der Q-School abgeschlagen haben, bieten ihre Dienste als Caddie Spielern der Q-School an. Während der Q-School-Turniere in ganz Europa können dabei viele hilfreiche Kontakte geknüpft werden. Neulingen wird hier, abgesehen für die entstehenden Kosten, freilich erstmal wenig bis nichts gezahlt.
„Es bieten aber durchaus auch gestandene Tour-Caddies ihre Hilfe bei der Q-School an. Diese begleiten einen natürlich nicht umsonst, sondern bessern sich ihr ,Weihnachtsgeld' auf. Man zahlt hier rund 1.600 Euro plus Boni bei Erfolg, um von der Erfahrung zu profitieren“, erklärt Fritsch. „Mir stand meine Frau Inga bei der Q-School 2010 als Caddie zur Seite und hielt mich klar auf der Linie unseres Matchplans. Was soll ich sagen? Zusammen sicherten wir 2010 die Tour-Karte für 2011. Ich wurde Sechster.“
Auf der European Tour setzt sich das Gehalt für Caddies ebenfalls aus Fixum und erfolgsabhängigen Boni zusammen. Das Festgehalt liegt zwischen 1.000 und 1.500 Euro pro Turnier. Sobald der Spieler auf einem bezahlten Platz außerhalb der Top-10 landet, erhält der Caddie in der Regel fünf Prozent des Preisgeldes. Erreicht der Spieler Platz zwei bis zehn, erhält der Caddie meist 7,5 Prozent. Für einen Turniersieg erhält der Caddie meist zehn Prozent des Preisgeldes.
Demgegenüber stehen die Kosten für Anfahrt, Verpflegung und Unterkunft, die der Caddie komplett selbst tragen muss. „Eine Ausnahme besteht in einer Art ,Gentleman‘s Agreement‘ zwischen Spieler Caddie. Sollten die Flugkosten überdurchschnittlich hoch sein, übernimmt man als Profi die Hälfte des Preises“, so Fritsch. Dieses Agreement greift zumeist, wenn die Flugkosten 400 Euro übersteigen.