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Golf Post Premium Major

Bryson DeChambeau: LIV’s bester Botschafter hat was von Dr. Jekyll & Mr. Hyde

12. Jun. 2024 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

(Foto: Getty)

Immer noch athletisch, aber sichtlich erschlankt: Bryson DeChambeau hat den Hulk (r.) hinter sich gelassen. (Foto: Getty)

Ok, ab morgen ist US Open, dann beginnt die 124. Auflage des härtesten Tests im Golf. Der Platz ist der Star: Pinehurst No. 2, das Meisterstück des Hausarchitekten Donald Ross, zur Offenen Amerikanischen von 2014 durch Bill Coore und Ben Crenshaw wieder aufs Original zurechtgestutzt und kongenial auf Vordermann gebracht, Bühne fürs zweite und letzte Major von Martin Kaymer, der deswegen in diesen Tagen mal wieder etwas Rampenlicht genießt.

Wer ist der Hingucker?

Und sonst? Wer ist der Hingucker? Klar, es ist immer sehenswert, wenn der Weltranglistenerste und fünffache Saisonsieger zum Schläger greift, den Scheffler-Shuffle zelebriert und mit bestechender Präzision die Fahnen attackiert. Aber an den Anblick hat man sich gewöhnt, und es wäre eher eine Überraschung, wenn der haushohe Favorit Scottie Scheffler nicht den dritten Majortitel gewinnen würde. Tiger Woods? Der Superstar war mehrfach zur Inspektion in North Carolina, spielte No. 2 unter anderem mit Filius Charlie, den er quasi als Coach mitgebracht hat, „weil niemand meinen Schwung öfter gesehen hat und besser kennt als Charlie“.

 

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Woods und die gewohnte Zuversicht

Doch selbst die spärlichen Auftritte des 15-fachen Majorsiegers haben an Bedeutungswucht verloren: Er versucht’s halt mal wieder, gibt sich gewohnt zuversichtlich („Ich fühle mich stark genug, um hier gewinnen zu können“) und kämpft wahrscheinlich erneut erstmal gegen den Cut. Rory McIlroy? Unbeständig, immer ebenso für eine Überraschung wie eine Enttäuschung gut. Und die Nummer mit der Dekade seit dem letzten Majorgewinn ist auch hinlänglich abgefrühstückt. PGA-Champion Xander Schauffele, Collin Morikawa, Tony Finau: Alle eher unaufregend. Viktor Hovland ist wieder außer Form, Ludvig Åberg scheint noch am verpassten Masters-Triumph zu knabbern.

Der neue „Most interesting man in Golf“

Schurken vielleicht? Ebenfalls Fehlanzeige. Sergio Garcia wurde trotz verfehlter Quali ebenso nachträglich eingeladen wie Adam Scott und wird artig aufspielen, wie es einem glücklichen Gast gebührt. Patrick Reed ist gar nicht dabei. Damit rückt einer ins Rampenlicht, dem das schon bei der PGA Championship gebührt hätte und den die Fans bereits in Valhalla gefeiert haben.

Bryson DeChambeau ist wieder mal mutiert, diesmal vom „Mad Scientist“ zum Liebling der Massen. Interessant, welche Transformationen der gebürtige Kalifornier im Lauf weniger Jahre vollzieht. Auf den 30-Jährigen trifft aktuell wohl jenes Etikett zu, das man jahrelang Miguel Ángel Jiménez umgehängt hat: „The most interesting man in Golf“.

Verrückter Wissenschaftler im Körper des Hulk

Gut in Erinnerung ist der geschmeidige Profi, der als frisch gekürter Memorial-Sieger bei der Porsche European Open 2018 auf den Green Eagle Golf Courses nahe Hamburg mit bubenhaftem Charme für sich einnahm. Dann kam Corona und veränderte vieles, auch DeChambeau. Der pumpte sich mit Aufbaupräparaten und Training fast 20 Kilogramm Masse an und verlor sich immer mehr in seiner hochwissenschaftlichen Herangehensweise, zerlegte seinen Schwung in unverständliche biomechanische Formeln, schwadronierte über den Einfluss der Corioliskraft beim Putten und strapazierte die Regelverantwortlichen mit dem Einsatz von Kompass und Zirkel auf den Grüns.

Irgendwie wirkte er damals wie ein Remake von Dr. Jekyll & Mr. Hyde, jedoch in wirklicher Personalunion: ein verrückter Wissenschaftler im Körper des Hulk.

Monsterdrives und Schwungtempo-Rekorde

In der Folge berserkte sich DeChambeau mit seinen Schlägern in Eisen-7-Einheitslänge von 95,3 Zentimetern wie eine Urgewalt über die Fairways und durchs Rough, gewann die US Open 2020 mit Schlägen aus dem Kraut von Winged Foot, bei denen sich andere die Unterarme brechen würden und die auch seine Handgelenke in Mitleidenschaft zogen, wie sich später herausstellen sollte.

Er war in Attitüde und Schwung eine Monstrosität, deretwegen sensationslüsterne Gaffer früher auf dem Jahrmarkt gerannt sind. DeChambeau nährte diesen Nimbus durch Monsterdrives übers Wasser beim Arnold Palmer Invitational, das er 2021 gewann und beim anschließenden Ryder Cup von Whistling Straits oder mit Rekordversuchen in Sachen Schlägerkopfgeschwindigkeit.

Das Bryson-Par und andere Absonderlichkeiten

Und er gefiel sich förmlich als Antagonist des Tour-Betriebs, attackierte sehr bewusst das Bad-Boy-Image von Brooks Koepka durch die PR-trächtige Alphatier-Fehde mit Brooks Koepka, faselte über Corona-Immunität oder das ewige Leben, outete sich als Donald-Trump-Fan und brachte die globale Golfgemeinde gegen sich auf, als er Augusta National vor dem November-Masters 2020 großspurig zum 67er-Kurs degradierte.

Beim Turnier selbst ging er dann mit seinem Bryson-Par regelrecht baden und musste sogar dem mehr als doppelt so alten und vom Abschlag sicher 80 bis 100 Meter kürzeren Bernhard Langer im Gesamtklassement den Vortritt lassen – sehr zur Schadenfreude des Publikums.

LIV-Garantiegage sinnvoll investiert

Dann kam LIV. Der siebenfache Toursieger wechselte trotz vorheriger Treueschwüre für kolportierte 125 Millionen Dollar die Seiten, investierte die Garantiegage allerdings in etliche sinnvolle Projekte wie ein Sportcenter in Dallas oder die Förderung des kalifornischen Golfnachwuchses und ließ schnell erkennen, dass er genau verstanden hatte, worum es beim Franchisekonzept des Konkurrenzcircuits geht.

„Bryson hat einen sehr klaren Blick auf dieses Thema und sehr kreative Ideen für die Zukunft des Teams“, sagt Anirban Lahiri über seinen Kapitän, der den Inder als Testimonial für den Subkontintent ins „Crushers“-Team geholt hatte und das im Herbst 2022 so erklärte: „Man holt Spieler nicht nur als sportliche Verstärkung, will ihre Bekanntheit zudem für wirtschaftliche Zwecke nutzen.“

Rückbesinnung auf eine gesunde Athletik

Irgendwann freilich machte der Körper den sportlichen Exzess nicht mehr mit. Als kluger Kopf erkannte DeChambeau bei aller Hybris die Warnsignale, kochte ab, stellte Ernährung und gesamte Lebensweise erneut um und vollzog die nächste wundersame Wandlung. Physis und Psyche dankten es ihm: Mit der Rückbesinnung auf eine gesunde Athletik kamen auch die Erfolge zurück.

Er gewann 2023 zwei LIV-Events und erinnerte bei den selten Auftritten im Establishment mit respektablen Ergebnissen und Schlägern aus dem 3-D-Drucker, dass er im Gegensatz zu manch anderem LIV’ler nach wie vor ein Weltklassegolfer ist: geteilter Sechster beim diesjährigen Masters, nachdem er sich in aller Form für die Selbstgefälligkeit von 2020 entschuldigt hatte; alleiniger Zweiter bei der PGA Championship. Und direkt zur Stelle, um Schauffele zum Erfolg zu gratulieren.

 

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Verbandelung mit Paige Spiranac

Parallel dazu entdeckte DeChambeau die Wirkweise der sozialen Medien und bereichert seither das uferlose Angebot mit teils witzigen, teils skurrilen Clips. Seine Devise: „Ich versuche, die Leute zu unterhalten und ein Entertainer zu sein, der ab und an außerdem gutes Golf spielt.“ Dafür legt er sich exaltierte Jubelposen zu, wettet mit einem Fan um seine Socken oder zeigt, was einer von seiner Golfgüte mit Kinderschlägern oder einem Billigbesteck aus dem Discounter auf dem Platz anstellen kann.

 

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„Wir vermissen den Kerl hier auf der Tour“

Überdies bandelte er für Schwung- und Lehrvideos  mit Paige Spiranac an – ein mehr als smarter Move, hat die von ihrem neuen Partner restlos begeisterte Blondine doch allein bei Instagram mehr Follower als Tiger Woods. Der gerade in die Ruhmeshalle des Golfsports berufene Padraig Harrington spricht vermutlich vielen aus der Seele: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde. Aber wir vermissen den Kerl hier auf der Tour.“

Immer noch „Scientist“, aber ohne „Mad“

Und so tritt dieser Bryson James Aldrich DeChambeau in Version 3.0 nun als „People’s Player“ zur US Open an, als bester Botschafter seines immer noch umstrittenen Konkurrenzcircuits. Er ist immer noch „The Scientist“, bloß das „Mad“ scheint weg zu sein. Dafür kommt womöglich alsbald ein weiteres Major dazu. An der mangelnden Vorbereitung dürfte es jedenfalls nicht scheitern:

 

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