Wer eine derart famose Finalrunde hinlegt, dem darf bei der Siegerehrung auch mal der Deckel vom Pott fliegen: Collin Morikawa hatte gestern im TPC Harding Park etwas Mühe, die Wanamaker Trophy unfallfrei zu stemmen. Freilich, es war sein einziges Problem an diesem Sonntag der 102. PGA Championship, die er mit 13 unter Par für sich entschieden hatte – und irgendwann mussten die Hände nach diesem Bravourstück im kühl-feuchten Dunst von „The Fog City“ San Francisco, seiner zweiten Heimat für vier Uni-Jahre, ja mal zittern.
Steady as can be with a club in his hands, not so much with a trophy... pic.twitter.com/pQP0pE9VqH
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Sämtliche Wortspiele à la „Aus der Suppe zur Sonne“ oder „Im Nebel ging ein neuer Stern auf“ sollen an dieser Stelle nicht ausgewalzt werden. Wohl aber: Morikawa kam, sah und siegte. Anders lässt sich die Vorstellung des ehemaligen Amateur-Weltranglistenersten (Mai 2018) nicht beschreiben.
Ihm sei es gegönnt. Collin Morikawa nimmt es beim Jubel mit der Wanamaker Trophy auf. Die besten Bilder der Finalrunde.
Rekord: 129 Schläge fürs Major-Wochenende
Bei seiner ersten PGA Championship und dem zweiten Grand-Slam-Turnier überhaupt nach der US Open 2019 auf den Pebble Beach Golf Links (T35) zauberte der in Los Angeles geborene Kalifornier mit japanischem Vater zwei Wochenend-Runden von zusammen 129 Schlägen aufs grüne Parkett, die so niedrig noch kein Majorsieger der Golf-Moderne hingekriegt hat. Morikawas nicht allzu langes, aber treffsicheres Spiel war genau das richtige Mittel auf diesem Platz, dessen Verteidigung gegen die Longhitter mangels strategischer Designkomponenten vornehmlich in schmal gemähten Fairways und fettem Rough bestand.
Vor der blitzsauberen gestrigen 64 (-6) hatte er beim 65er-Umlauf am Samstag mit einem starken Finish und drei Birdies auf der Schlussstrecke gar noch zwei Schlagverluste hintereinander ausgebügelt (Loch 12 und 13), die andere in dieser Phase des Wettbewerbs womöglich ins Straucheln gebracht hätten. Chapeau!
Erster Sieg nach sechs Tour-Starts
Morikawa, der Baseball- sowie Basketballfan (Los Angeles Dodgers bzw. Lakers) und starke Eisenspieler, ist ohnehin ein Frühzünder. Vier Mal stand er während seines Betriebswirtschaftsstudiums an der University of California in Berkley auf der anderen Seite der Bucht von San Francisco („Ich habe den Platz als Student sicher ein Dutzend Mal gespielt“) im ersten Aufgebot von Amerikas besten College-Spielern; und beim Walker Cup 2017 legte er eine phänomenale 4-0-0-Bilanz hin, bevor er 2019 zur Canadian Open Profi wurde.
Sechs Starts später hatte er den ersten PGA-Tour-Titel in der Tasche, als er im Juli desselben Jahres die Barracuda Championship gewann. Nach dem Corona-Restart des Golfbetriebs vor einem Monat ließ er die Workday Charity Open folgen.
Mehr Turniere gewonnen als Cuts verpasst
Zuvor hatte Morikawa die Charles Schwab Challenge erst im Stechen Daniel Berger überlassen müssen. Dann aber obsiegte er beim Zusatzturnier in Jack Nicklaus‘ Muirfield Village in Ohio im Play-off gegen Justin Thomas und verbuchte schon damit mehr Siege als verpasste Cuts auf der Tour. 22 Mal in Folge war er im Wochenende, bevor die Serie bei der Travelers Championship 2020 riss. Nur Tiger Woods hatte 1996/1997 diesbezüglich mit 25 geschafften Cuts hintereinander den besseren Wert.
Ein Porträt des neuen PGA Champions und nunmehr Weltranglisten-Fünften darf nicht ohne das sehenswerte Eagle auf Bahn 16 ablaufen, mit dem Morikawa sich gestern entscheidend vom „Rest of the Best“ mit den ganzen Golfgrößen à la Dustin Johnson, Jason Day oder Bryson DeChambeau und vor allem dem direkten Verfolger Paul Casey absetzte, der Weltelite regelrecht die Show stahl.
Making par 4s look like par 3s.@Collin_Morikawa is so smooth. #PGAChamp pic.twitter.com/3gpJWkicAs
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„Ich habe lange geschwankt, ob ich mit einem Eisen defensiv spielen oder mit dem Driver angreifen sollte“, sagt der Champion über den Schlag, den einige schon zu den besten „ever“ im Golf zählen. Morikawa entschied sich für Attacke, feuerte seinen Abschlag auf dem 270 Meter langen Par 4 „mit einem guten Bounce“ bis auf gut zweieinhalb Meter an die Fahne und lochte den Putt. Diese Nerven muss einer auch erstmal haben. Cool Dude!
Damit avancierte er zum ersten Debütsieger des Majors seit Keegan Bradley 2011 und zum vierten Golfer nach Jack Nicklaus, Tiger Woods und Rory McIlroy mit einem PGA-Championship-Sieg (nach Zählspielmodus) vor dem 24. Geburtstag.
Derselbe Trainer seit dem achten Lebensjahr
Das Golfspielen lernte Morikawa, dessen Freundin und College-Liebe Katherine Zhu gleichermaßen eine hochtalentierte Uni-Spielerin war, übrigens im Chevy Chase Country Club von Glendale, einer 9-Loch-Anlage im Großraum der „Stadt der Engel“. Dort nahm sich damals der Golflehrer Rick Sessinghaus des Achtjährigen an und trainiert Morikawa bis heute.
He's got game. So does she.@Collin_Morikawa played college golf at @UCBerkeley.
His girlfriend Kat played at @Pepperdine. pic.twitter.com/nyRXOLJhZc
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Nun ist sein Schützling mit dem Triumph von „San Fran“ im 28. Start auf der PGA Tour „nicht nur auf Wolke sieben“ (O-Ton des Siegers), sondern endgültig einen sehr weiten Schritt aus der Riege der „Young Guns“ wie Cameron Champ (25), Scottie Scheffler (24), Matthew Wolff (21) oder Viktor Hovland (22) herausgetreten, die allesamt ums Rampenlicht auf der großen Golfbühne eifern und natürlich sehnsüchtig nach Majorehren streben.
Und das Handling einer Major-Trophäe lernt Morikawa ebenfalls gewiss noch, der gestrige Balanceakt ist garantiert nicht die letzte Gelegenheit gewesen. So sieht er es selbst auch: „Es hört hier nicht auf. Ich bin jetzt auf den Geschmack gekommen.“