Die Zukunft der LIV Golf League ist ungewisser denn je: Die Finanziers des Konkurrenzcircuits aus Saudi-Arabien setzen ihrem Staatsfonds PIF neue Prioritäten, und aus eigener finanzieller Kraft kann die Operettenliga von PIF-Chef Yasir Al-Rumayyans Gnaden auch nach dem dritten Jahr ihres Bestehens nicht existieren. Ganz zu schweigen von einer prospektiven Umsetzung des ambitionierten Franchisekonzepts.
Pro-Am in Riad: Al-Rumayyan wieder mit Monahan
Das hat etliche Gründe, die sich zu einem Teufelskreis verbinden: mangelnde TV-Präsenz, fehlende Groß-Sponsoren, von erhofften Investoren keine Spur. Für Kapellmeister Greg Norman sind daran natürlich die anderen schuld. Er macht das mühsame Fortkommen vor allem an den Animositäten fest, die LIV vom Establishment entgegengebracht wurden und werden. Der Australier mit Ablaufdatum – sein Vertrag als CEO und Commissioner endet im August 2025 – spricht von „Headwinds“, vom Gegenwind. Er räsoniert immer noch über die mangelnde Einsicht seiner Gegner, während sein Herr und Meister Al-Rumayyan genau dort längst neue Freunde gefunden hat und diese Woche beim Pro-Am der Aramco Series auf der Ladies European Tour wieder mit PGA-Tour-Commissioner Jay Monahan an den Abschlag geht.
Gerücht: Kauft der PIF den Wentworth Club?
Dass Letzterer mal tief in Feindesland aufteet, im Riad Golf Club, hätte vor zwei Jahren niemand zu prognostizieren gewagt. Auch das von Eddie Pepperell verbreitete Gerücht, der PIF wolle den Wentworth Club im englischen Surrey kaufen und damit Nachbar der DP World Tour in Virginia Water werden, passt eher ins Bild neuer Bündnisse. Indes: andere Story, zurück zu LIV und Normans Selbstmitleid.
Wie meist in solchen Fällen wäre es durchaus angeraten, mal vor der eigenen Tür zu kehren. Es soll aber gar nicht von Normans Unbeliebtheit und seinen erratischen Äußerungen die Rede sein, die ihm garantiert viele Türen verschließen. Vielmehr lassen offenbar auch die Geschäftstüchtigkeit und die Attraktivität der Teamkapitäne für individuelle Wirtschaftspartner zu wünschen übrig. Dabei lautet die zweitberufliche Aufgabe für Dustin Johnson und Co., ihre Teams vom PIF-Tropf abzuklemmen und wirtschaftlich auf eigene Beine zu stellen. Dafür haben die meisten der golfenden Ego Shooter sogar zusätzliches Personal engagiert.
Für Premium-Sponsoren offenbar unattraktiv
Das Ergebnis ist vergleichsweise kläglich: Ein bisschen technischer Hokuspokus auf den Taschen der Majesticks, ein paar Sponsoren aus der Outfitbranche hier und aus Dienstleistungsbranche da – das war’s schon. Nicht mal die Ausrüster, mit den die LIV-Stars seit Jahren verbandelt sind, lassen sich scheinbar zu größerem Engagement überreden. Dass Nike in großem Stil bei Brooks Koepkas Smash GC einsteigt, ist bislang bloß ein Gerücht geblieben. Und Malbon beispielsweise, das mit seiner Streetwear Vorreiter einer neuen Alltagsattraktivität von Golfmode ist und eigentlich gut zum LIV-Credo „Golf. But louder“ passen würde, sucht sich als Testimonials lieber Charley Hull und Jason Day. Finde den Fehler.
Engagement in sträflich vernachlässigten Märkten
Jetzt kommt die Ausnahme von der Regel. Beim Vertrauens-Doc des Autors lag mal ein Zettel mit Handlungsempfehlungen für das Praxispersonal aus, die Überschrift lautete „Bitte lesen und verinnerlichen!“ Bei LIV hat scheinbar nur einer genau das getan und sich mit dem Konzept des alternativen Golfkonstrukts auseinandergesetzt: Bryson DeChambeau.
Der zweifache US-Open-Champion hat den Ansatz verstanden, mit LIV all die Märkte zu erschließen, die vor allem von der PGA Tour in der Vergangenheit sträflich vernachlässigt worden sind. Dafür hat er beispielsweise schon 2022 den Inder Anirban Lahiri ins „Crushers“-Team berufen, an dem er bis heute festhält. „Man holt Spieler nicht nur als sportliche Verstärkung, sondern will ihre Bekanntheit zudem für wirtschaftliche Zwecke nutzen“, erklärte DeChambeau seinerzeit.
Neues Turnier der International Series in Neu-Delhi
Jetzt macht der 31-Jährige Nägel mit Köpfen. Laut einem Bericht der „Hindustan Times“ treten alle vier Crushers Ende Januar 2025 in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi zur Premiere eines Turniers an, das zur International Series der von LIV Golf als Feeder Tour genutzten Asian Tour gehören wird. Das Event findet vom 30. Januar bis 2. Februar auf dem Gurugram Course des DLF Golf & Country Club statt; DeChambeau wäre damit der erste Majorsieger der Neuzeit, der sich auf dem Subkontinent zeigt – und die Aussicht auf einen Auftritt von „Golf’s Biggest Superstar“ (Hindustan Times) wird dort entsprechend gefeiert.
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„Von großer Bedeutung, wenn Bryson dabei ist“
„Anirban wird definitiv an den Start gehen und kriegt meine volle Unterstützung, denn das ist eine sehr wichtige Woche für ihn. Ich war noch nie in Indien und freue mich sehr darauf, dort zu spielen“, ließ DeChambeau neulich am Rand der LIV Team Championship wissen. „Es sind nur noch ein paar Kleinigkeiten zu klären“, ergänzte Lahiri, der seinem Teamchef schon vor drei Jahren attestierte: „Er hat einen sehr klaren Blick auf dieses Thema und sehr kreative Ideen für die Zukunft des Teams.“ Jetzt darf sich der 37-Jährige aus Poona endgültig bestätigt fühlen: „Es wird für die indischen Golffans von großer Bedeutung sein, wenn Bryson dabei ist.“ Was zu beweisen war.
Ansonsten vor allem „Fettlebe“ und Giftpfeile
DeChambeau setzt die LIV-Idee als Einziger konsequent um. Zum Vergleich: Cam Smiths reines Aussie-Team (Ripper GC) profitiert beim Vorzeige-Event in Adelaide eher vom LIV-Spielplan; Louis Oosthuizens Südafrika-Quartett (Stinger GC) agiert verhaltensunauffällig; Phil Mickelsons vollmundige Ankündigungen „Wir bringen Golf in verschiedene Teile der Welt“ sind in Sachen individuelles Engagement bislang bloß Lippenbekenntnisse. Die meisten anderen LIV’ler verschwenden ihre Energie ohnehin vor allem darauf, „Fettlebe“ zu praktizieren oder Giftpfeile auf das Establishment abzuschießen, in dem sie groß geworden sind und den Grundstein für den Ruhm gelegt haben, der sie für LIV und die dort gezahlten Garantiegagen überhaupt erst empfohlen hat.
BDC, die Blitzbirne
Anders DeChambeau: Der Kalifornier mit Wohnsitz in Dallas hat einen Großteil seines Salärs von kolportierten 125 Millionen Dollar in etliche sinnvolle Projekte wie ein Sportcenter in seiner texanischen Heimatstadt oder in die Förderung des kalifornischen Golfnachwuchses gesteckt. Er nutzt die durch den LIV-Kalender gewonnene Zeit für YouTube-Auftritte, deren Klickzahlen durch die Decke gehen. Und er bandelte mit Golf-Sternen Paige Spiranac an, der schlag- und zugkräftige „Argumente“ ihm zusätzliche Reichweite garantieren. BDC ist halt eine Blitzbirne.
„Mit dem, was er auf dem Golfplatz und außerhalb über seine Social-Media-Kanäle und die Interaktion mit den Fans tut, hat er im Alleingang Millionen neuer Anhänger für unseren Sport gewonnen“, preist Anirban Lahiri seinen Kapitän: „Ich denke, wir sind uns alle einig, dass Bryson derzeit der beliebteste Golfer der Welt ist.“