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Golf im Wandel: Ein Damen-Duo an der Clubspitze – Novum in Deutschland

17. Dez. 2020 von Michael F. Basche in Quickborn, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Brigitta Wurnig und Magdalena Overmann stehen an der Spitze des Golf-Clubs An der Pinnau. (Foto: Golf-Club An der Pinnau)

Brigitta Wurnig und Magdalena Overmann stehen an der Spitze des Golf-Clubs An der Pinnau. (Foto: Golf-Club An der Pinnau)

36,3 Prozent: Nirgendwo auf dem Globus ist der Anteil der Ladies im organisierten Golfsport, aka unter den Club-Golfenden, so hoch wie hierzulande. Deutschland ist damit zwar Weltspitze, ein gutes Drittel „Frauenquote“ erscheint dennoch ausbaufähig. Zumal die gewählten Führungsgremien fernab der „Grande Dame“ Marion Thannhäuser und ihres überragenden ehrenamtlichen Engagements landesweit nach wie vor Herrenbastionen sind.

Ganz Deutschland, möchte man fragen? Nein! Ein Club im Norden hat Ende August eine fast revolutionäre Weichenstellung vollzogen, als die Mitgliederversammlung des GC An der Pinnau geschlossen für zwei weibliche Vorsitzende votierte. Seither sind Brigitta Wurnig (59/1. Vorsitzende) und Magdalena Overmann (46/2. Vorsitzende) das erste Damen-Duo an der Spitze eines deutschen Golfvereins.

Die historisch bislang hierzulande einmalige Konstellation sorgte für einiges Aufsehen im regionalen Blätterwald und ließ den DGV-Präsidenten Claus M. Kobold gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“ erklären: „Grundsätzlich freut sich der DGV über Frauen in Führungspositionen in der Golfwelt.“ Und: „Leider sind Frauen an der Spitze von Golfclubs nach wie vor die Ausnahme.“

Wer also über „Golf im Wandel“ berichten will, kommt am Präsidentinnen-Plazet von der Pinnau nicht vorbei.

Golf Post: Frau Wurnig, Frau Overmann, wie fühlt es sich an, deutsche Golfgeschichte zu schreiben?
Wurnig: Ich erinnere mich an eine Aussage von Frau Overmann während der Übergabe an uns: „Ich bin froh, dass endlich eine weitere Frau dabei ist.“ Daher darf sie gern anfangen.
Overmann: Dazu muss ich vorweg schicken, dass ich als Spielführerin schon seit 2017 im Vorstand bin. Die jetzige Konstellation ist einfach „cool“. Wir kennen uns schon ein paar Jährchen, hatten immer einen guten Draht und wusste, dass wir in dieselbe Richtung wollen. Es macht Spaß, mit dem weiblichen Auge auf die Dinge zu schauen. Wir sehen vieles anders, denken oft ein bisschen anders.
Wurnig: Ehrlicherweise war mir die Bedeutung anfangs gar nicht bewusst. Aber als ich mich beispielsweise bei der Jahrestagung des Hamburger Golf Verband als die neue Präsidentin von der Pinnau vorgestellt habe, da merkte man schon, dass diese Info erstmal sacken musste.

Golf Post: Sie sprengen halt ein Klischee.
Wurnig: Ja, das sieht man nicht zuletzt an der medialen Resonanz. Sonst würden wir dieses Gespräch vielleicht gar nicht führen. Letztlich finde ich die Aufmerksamkeit toll. Als Frau habe ich ja auch eine Mission, dass andere Frauen sich ermutigt fühlen und sich trauen.

Golf Post: Was machen Frauen in einem Golfclub denn konkret anders?
Overmann: Ich kann nur von uns sprechen, und wir sind wohl mehr „straight forward“. Wir sagen, was wir meinen, und meinen, was wir sagen. Das kriegen die Mitglieder mit: dass wir es durchziehen.
Wurnig: Natürlich mussten wir uns erst mal aufeinander einstimmen, haben jedoch relativ schnell gemerkt, dass wir uns in vielen Situationen sehr gut ergänzen. Wenn die eine mal emotional wird, weil sie sich über etwas aufregt, kann die andere das mit Gelassenheit etwas puffern.
Ich sehe die besondere Qualität darin, wie wir diesen Club führen, nämlich mit unseren Vorstandskollegen gemeinsam als Team und alle auf Augenhöhe; wie wir untereinander und mit den Mitgliedern kommunizieren. Das unterscheidet sich komplett von einer männlichen Führung.
Was nicht heißt, dass wir einen Weichspülgang einlegen, sondern einfach empathischer sind. Mittlerweile reden die Herren im sonst männlichen Vorstandsteam schon von „unseren Chefinnen“ – daran erkenne ich, dass sie uns akzeptiert haben.(lacht mit einem Augenzwinkern)

Bei der Kommunikation hilft fraglos, dass Wurnig als Führungskräfte- und Team-Coach sowie Overmann als Flugbegleiterin sozusagen von Berufswegen Expertinnen im Umgang mit Menschen sind. Wurnig ist zudem gelernte Juristin („Rechtliche Themen lösen bei mir keinen allergenen Schock aus“) und beschäftigt sich tagtäglich damit, Visionen zu entwickeln, Strategien umzusetzen und Veränderungsprozesse zu begleiten. „Das ist eine ganz gute Mischung für den Club“, unterstreicht Overmann.

Die erste Damen-Doppelspitze im deutschen Clubgolf: Seit Ende August steuern Brigitta Wurnig (l.) und Magdalena Overmann die Geschicke des GC An der Pinnau. (Foto: Golf-Club An der Pinnau)

Golf Post: Gibt es Beispiele für diese emphatische Clubführung?
Wurnig: Der Newsletter beispielsweise ist emotionaler, persönlicher gestaltet, nicht mehr rein nachrichtlich und neutral, sondern zeigt halt die Menschen dahinter. Oder: Es gibt erstmals ein Weihnachtsvideo des Vorstands an die Mitglieder. Wir möchten einfach sehr nahbar vermitteln, was wir erarbeiten und wie wir arbeiten.
Overmann: Es herrscht tatsächlich ein Gefühl des Aufbruchs, dieses „Mal-was-anderes“-Momentum. Das heißt nicht, dass wir Frauen alles besser machen – wir machen es einfach anders.
Es gibt immer 1.000 Ideen, die man umsetzen möchte. Ich habe das Gefühl, dass wir im Team sehr gut strukturiert sind und einen Plan mit Prioritäten haben. Auf der Basis wird detailliert gearbeitet: klar in der Aussage, klar in der Durchführung. So kommunizieren wir das überdies an die Mitglieder und bekommen aus jeder Ecke positive Resonanz.

Beispiele hat‘s schon nach vier Monaten zuhauf. Das neue Vorstandsteam organisierte in Nullkommanix einen Tag der offenen Tür, stand selbst als Begrüßungskomitee an vorderster Front und wurde mit großem Zuspruch belohnt. „Wir waren präsent, das kam sehr gut an“, erzählt Wurnig und muss lachen: „Einige Leute kamen sicher allein, um uns zu ,bestaunen‘, weil sie in der Zeitung von der Damen-Doppelspitze gelesen hatten.“
Auf der Anlage wurde gleichermaßen kräftig Hand angelegt, die seit ihren Anfängen auf ehemaligem Ackerland in den 1980er-Jahren von Head-Greenkeeper Jörn Stratmann mit unermüdlichem Engagement in den heutigen Top-Zustand hochgepäppelt und 2009 durch neun Bahnen im Linksstil auf 27 Loch erweitert wurde. Beispielsweise im Rahmen einer Pinnau-Cleanup-Aktion. Oder bei der Sanierung zweier durch Bodenverwerfungen etwas beeinträchtigten Fairways des Ur-Ensembles – vom ebenso neugewählten Platz-Obmann Alexander Schütt rekordverdächtig schnell organisiert.
Erst recht ein Bravourstück lieferte Geowissenschaftler Schütt, den Wurnig „unser grünes Gewissen“ nennt, als er die Pinnau binnen weniger Wochen für eine Revision des DGV-Programms„Golf&Natur“ vorbereitete und das 2017 erstmals verliehene Gold-Prädikat souverän verteidigte.
Nicht zuletzt nutzte der Club mit einer Vielzahl von Schnupper- und – in den Herbstferien teils einwöchigen – Platzreifekursen die Chance, die dem Golfsport generell durch die Corona-Pandemie geboten wird, und notiert einen Zuwachs von 223 Neumitgliedern. „Darunter sind viele Jüngere und junge Familien, die ohne Corona womöglich gar nicht gekommen wären“, verdeutlicht Overmann.

Golf Post: Was ist Ihre Vision?
Wurnig: Wir sind jetzt in den Planungsprozessen für die nächsten Jahre und wollen, dass die Pinnau bekannter wird. Wenn man „Golf in Hamburg“ hört, denkt man nicht automatisch an uns. Das soll sich ändern. Und wir wollen etwas jünger werden, Angebote für neue Zielgruppen erstellen, denken über marktfähige neue Mitgliedschaftsmodelle nach. Die Pinnau soll ein moderner Club werden. Nur ein Platz allein reicht nicht mehr, dazu gehören ebenso ein schönes Clubhaus, eine tolle Anlage, eine gute Gastronomie …
Es geht darum, bestehende Mitglieder zu pflegen, denn die sind uns besonders wichtig, und neue zu halten. Nicht nur wegen der Bestandspflege. Die Neumitglieder sind in gewisser Weise auch unser Motor, weil sie durch ihren Bekanntenkreis wiederum Zielgruppen eröffnen. Deswegen werden wir entsprechende Turniere veranstalten und „Communities“ einrichten – damit man sich im Club akklimatisieren kann, Zugang zur Clubgemeinschaft findet.
Overmann: Die Welt dreht sich, und man muss sich mitdrehen. Von der Wiege bis zur Bahre ein Golfclub, das gibt es nicht mehr. Die Arbeitswelt ist schnelllebig, da muss man mitgehen, um Mitglieder zu halten und neue zu gewinnen. Wenn man beispielsweise eine günstigere 9-Loch-Mitgliedschaft anbietet, dann ist das fraglos mutig, weil gewiss einige der bestehenden Mitglieder umschwenken werden. Andererseits ist das für viele ein wichtiges Angebot: Alles wird schneller, und die Menschen haben immer weniger Zeit.

Zur Modernisierungsplanung an der Pinnau gehören eine neue Webseite, die Unterstützung durch eine Online-Marketing-Agentur und breite Präsenz in den sozialen Medien.Wurnig: „Wir werden digitaler.
Ein besonderes Anliegen ist dem Vorstand die Abschaffung der geschlechtsspezifischen Abschläge. Weg vom Gender-Farbschema, hin zur Staffelung der fünf Tee-Boxen pro Bahn nach Kurs-Distanzen, die Schlaglängen und Fertigkeiten berücksichtigt. „Das Spiel wird vereinfacht, realistisch erreichbare Erfolgserlebnisse werden ermöglicht“, sagt Overmann dazu, die nicht nur Spielführerin, sondern zudem amtierende Clubmeisterin ist: „Viel mehr Leuten hätten Spaß, beim Golf zu bleiben.“

Golf Post: Das Schlusswort hat die Präsidentin.
Wurnig: Dann nutze ich diese Gelegenheit gern, um darauf hinzuweisen, dass an der Pinnau eigentlich drei Frauen führen. Denn mit Marie-Luise Dietrich hat unser Mitgliederrat ebenfalls eine weibliche Vorsitzende.
Frau Wurnig, Frau Overmann, besten Dank für das Gespräch.

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