Adam Scott ist schuld. Mit der Botschaft „Denkt smarter, nicht länger“ hat der Australier nach der BMW Championship in Medinah erneut die Debatte um die Explosion der Drive-Distanzen im Profi-Zirkus angeheizt. Auslöser waren die niedrigen Scores und die Platzrekorde von Hideki Matsuyama und dann Justin Thomas auf dem über 7.000 Meter langen Parcours. „Sie kapieren nicht, dass Länge uns nichts bedeutet“, sagte Scott an die Adresse von Verbänden, Betreibern, Architekten und fürs Set-up Verantwortliche. „So lang könnt ihr gar nicht bauen, dass wir einen Platz nicht zerlegen können, wenn die Bedingungen stimmen.“ Prompt war alles wieder da, das Ballyhoo um den Ball, die Diskussion um die Distanzen und eine kürzere Kugel, ums Einbremsen der Profis mit ihrer Athletik und dem Weltraummaterial.
„Traditionelle Kurse sind wehrlos“
Auf „Golf.com“, manchmal so etwas wie das Boulevardblatt der Branche, hat Alan Shipnuck den Steilpass dankend aufgenommen, um im Bild vom Ball zu bleiben. Medinah sei nicht schuld, schrieb der Kollege: „Das moderne Golfspiel überrennt jeden Kurs auf dem Planeten. Traditionelle Plätze sind wehrlos, wenn der Wind ausbleibt und das Geläuf hart genug ist. Da kann man die Fairways noch so schmal und das Rough noch so hoch wachsen lassen – diese Typen bomben und stochern sich einfach zu guten Scores.“
Das deckt sich mit den Aussagen von Scott. „Der Driver ist heutzutage der fehlerverzeihendste und wichtigste Schläger im Bag. Den musst du nur lang das Fairway hinunter schlagen, notfalls über Bäume, Bunker und Winkel hinweg“, erklärte der Masters-Sieger von 2013. „Das ist nicht besonders anspruchsvoll. Wenn man uns aber Shot Making abverlangt, das ,Shapen‘ der Abschläge, dann bringt uns das in Schwierigkeiten. Daher fordere ich die Verantwortlichen auf, nicht längere, sondern vielmehr smartere Plätze zu bauen!“
Für Golf-Journalist Shipnuck („Wir haben einen entscheidenden Punkt erreicht“) ist überdies der „bifurcated ball“, die modifizierte Murmel unausweichlich und die „sauberste und schnellste Lösung“ des Power-Problems. Allerdings basiere die ganze Multimilliarden-Equipment-Industrie auf dem Prinzip „Fear of missing out“, auf der „Angst, etwas zu verpassen“. Will heißen: „Wir alle wollen in Sachen Ausrüstung den letzten Schrei, damit wir den Ball so schlagen können wie die Pros.“
„Längst nicht mehr dasselbe Spiel“
Aber genau da hockt der Hase im Pfeffer. „Wir spielen längst nicht mehr dasselbe Spiel“, sagte beim diesjährigen Internationalen Golffachkongress des Bundesverbands Golfanlagen(BVGA) im A-Rosa-Resort Bad Saarow auch Golfplatz-Architekt David Krause, der unter anderem am Bau der Ikone Valderrama mitgewirkt hat und in Deutschland Plätze wie Golf Valley, Gleidingen oder WinstonLinks konzipierte.
Ein Blick auf die Zahlen bestätigt das. In der Drivelängen-Statistik der PGA Tour führt aktuell Cameron Champ mit durchschnittlich 290,7 Metern vor Rory McIlroy mit 287,1 und Luke List mit 286,5 Metern. Der Bogey-Golfer mit einem Handicap rund um 20 hingegen bringt es laut R&A gerade mal auf 171 bis 186 Meter. Selbst Scratch-Golfer können da mit 220 Metern im Schnitt nicht mithalten.
Dilemma beim Design
Genau hier liegt das Dilemma. Für wen baut man den Platz, wo plant man Landezonen, Bunker und sonstige Hindernisse, erst recht Teiche? Wie steht es um die Variabilität der Schläge und die Vielfalt des zu benutzenden Schlagwerkzeugs, mit welchen Distanzen jongliert der Architekt? Wo platziert er vor allem die hinteren, die Championship-Abschläge? Wohin verschiebt er sie ggf., um das Layout den neuen Längen anzupassen? Wie viel zusätzlicher Flächenbedarf ergibt sich daraus, wie viel Erschließungs-, Bau- und Pflegeaufwand kommt hinzu? Was kostet all das? Vor allem: Was kostet es mehr?
Schon vor Jahren hat Gary Player es auf den Punkt gebracht. „Statt weltweit Hunderte von Millionen Dollar für Golfplatz-Umbauten auszugeben, bräuchte man bloß den Ball zu modifizieren und damit die erreichbaren Längen einzuschränken. Das eingesparte Geld könnte man prima in die Jugendarbeit investieren“, plädierte der neunfache Major-Sieger aus Südafrika.
Problematik betrifft uns doch alle!
Nun könnte man sagen: Was soll dieses Getöse? Was scheren mich die Profis und ihre Längen, zumal auf einer Handvoll Tour-Plätze? Was hat das mit meinem Heimatkurs zu tun? Warum muss man darüber ein Wort verlieren? Hauptsache Spektakel, ansonsten ein Luxusproblem, ganz sicher nicht meins. Weit gefehlt! Die Problematik der Längen-Diskrepanz und bei der Anordnung von Hindernissen oder Mähkanten fängt nämlich schon am eigenen Abschlag an.
„Der Einfluss von Hindernissen auf den Bogey-Golfer ist groß“, weiß David Krause. „Der Scratch-Golfer wiederum sieht die gar nicht. Sein Ball fliegt im Zweifelsfall drüber weg.“ Jedenfalls, sofern er nicht vom Champion-Tee abschlägt, die in der gelb-roten Teeboxen-Mehrheit hierzulande allerdings vergleichsweise dünn gesät sind. Das, im Übrigen, ist wieder eine andere Story.
„Der spielt einen anderen Platz als wir“
Neulich hörte der Autor beim Besuch einer Golf-Anlage Staunenswertes über einen „Young Gun“ im Club, der mit seinen Längen laut Aussage des Gesprächspartners „einen ganz anderen Platz spielt als wir“. So einen kennt sicher fast jeder aus dem eigenen Vereinsumfeld, oder? Was zu beweisen war …
Zudem: Obwohl es bloß die Tour-Stationen betrifft – schauen wir doch mal, wo die Profis überall spielen, angefangen beim Old Course in St. Andrews. Es ist eine grandiose Liste mit einer Menge Plätze, die unsereins auf der Bucket List hat. Nur ein Träumer glaubt, dass die oben beschriebenen Kosten nicht aufs allgemeine Greenfee umgelegt werden.
„Es macht so viele Plätze kaputt“
Mal ganz abgesehen davon, dass es doch echt unspannend ist, wenn ein Dustin Johnson nach einem Monster-Drive bloß noch mit dem Wedge das Grün anvisiert. Da wird Design ad absurdum geführt, und fast unspielbare Grüns sollen dann das Par verteidigen. Die Inflation der Distanzen nimmt dem Spiel seine Parameter. Sagt auch Green-Eagle-Patron Michael Blesch, der gerade in Winsen/Luhe den längsten Kurs auf der European Tour für die Porsche European Open Anfang September vorbereitet: „Der Unterschied zwischen Pro und Amateur wird zu groß. Die Bälle sollten nicht noch weiter fliegen, weil es so viele Plätze kaputt macht.“
„Augusta National muss das machen“
Für Golfplatz-Designer Krause ist auch klar, wer das Problem anpacken und ein Roll-back des Balls protegieren kann: „Augusta National muss das machen. Die haben mit ihrem Platz das größte Problem“, spielt er auf die Millionen-Ausgaben des Masters-Clubs für den Erwerb von Erweiterungsflächen an. Nicht wenige attestieren den Granden aus Georgia wegen der Strahlkraft ihres Turniers und der generellen, mit Alleingültigkeitsanspruch gepaarten Unabhängigkeit ohnehin mehr Durchsetzungskraft als den Verbänden. Krause: „Denen folgt man!“
Ich halte das für Quatsch. In jeder Sportart spielen Profis ein anderes Spiel als Amateure. Und das soll auch so sein. Warum sollen die Profis nicht unfassbar gut sein? Wo ist da das Problem? Das Handicap hat mit „Golf“ m.E. nichts zu tun, sondern ist ein Parameter, der sich an einer Variante der Sportart orientiert bzw. auf diese bezieht, die „Stableford-Golf“ heißen sollte. „Golf“ ist Zählspiel von den hinteren Abschlägen. Und das kann doch jeder so entscheiden, wie er möchte und wozu er sich in der Lage fühlt. Moderne Technologie kommt den Amateuren zugute, die dadurch mehr Spaß am Spiel haben. Die Profis würden auch mit Hickory-Schlägern und Balata-Bällen ganz andere Dinge machen, als Amateure mit modernem Equipment. Lasst doch die Pros die Plätze zerlegen, die messen sich untereinander und nicht mit den Amateuren.