Aus der mobilen Discobox auf dem Bollerwagen wummert die Mucke. Im Takt der Bässe klirren die Flaschen mit Kalt- und Ermunterungsgetränken. Golflehrer Felix Staudt wippt den Rhythmus mit, während er in die Runde und nach seinen Schäfchen schaut. „Tausend Mal berührt, tausend mal ist nichts passiert“: Unten läuft der Ball hin und her, immer wieder quer übers Grün, am Loch vorbei, übers Loch drüber. Irgendwann hat es doch „Zoom gemacht“, im zigsten Versuch mit Wedge und Putter. Ein spitzes „Yipeee!“ übertönt die Musik. Klingt anarchisch? Nennt sich „Actiongolf“ und ist eine Initiative des WINSTONgolf-Resorts in der Nähe von Schwerin.
„Unterweisung ist öde“
„Wir wollten“, sagt Staudt, „was gegen das verstaubte Image von Golf tun, einfach den Spaß vermitteln, den dieses Spiel bietet.“ Interesse generieren bei Leuten, die überhaupt noch keinen Zugang zum Golf hatten. Allerdings nicht als Schnupperkurs. Wenn einer keine Ahnung hat, ob Golf was für ihn sein könnte, dann ist „Unterweisung doch öde“, weiß der Pro: „So musst Du den Schläger halten, dies und das musst Du tun, lange Erklärungen… Nein, einfach Spaß haben!“
„Just for fun“ hat sich die WINSTONacademy einiges ausgedacht. Spielerisches Aufwärmen beim Soft-Hockey, die Konfrontation mit allen erdenklichen Schlägern auf der Driving Range, schließlich ein kleines Turnier auf dem Par-3-Platz. Alles unter dem Motto „Kein Handicap. Keine Regeln. Keine Kosten“.
Neue Golfer braucht das Land. Neue Zielgruppen sollen angesprochen werden. Am besten auch gleich auf neuen, unkonventionellen Wegen. Duplizität der Ereignisse: Ausgerechnet am Tag, als der Deutsche Golf Verband in Frankfurt einen neuen Präsidenten bekam und Herren in Nadelstreifen – mal wieder – über die Zukunft des Spiels debattierten, trafen sich bei WINSTONgolf 18 erwartungsvolle Menschen, von jung bis gesetzt, um einfach zu spielen. „Mit so einer Resonanz schon beim ersten Mal hatten wir nicht gerechnet“, resümiert Felix Staudt.
Die Bälle beginnen bei WINSTONgolf zu fliegen
Auf der Driving Range wandern er und seine Kollegen hinter den Golf-Novizen umher, die sich mit den Spielgeräten abmühen. Staudt und Co. haben ihnen Ball-Pyramiden aufgebaut und alles hingelegt, was ein Bag hergibt: Putter, Eisen, Driver, Linkshänder-Schläger. Sie greifen nur ein, wenn jemand tatsächlich Gefahr läuft, sich zu verbiegen. Die meisten Bälle hoppeln. Nach jeweils ein paar Minuten wird die Station gewechselt. Vom Eisen fünf zum Putter, vom Wedge zum Holz. Oder so. Eine Dame muss mal kurz durchschnaufen: „Mir ist warm, ich schwitze wie ein Schw…“ Ja, Golf ist Sport!
Allmählich ändert sich das Bild: Bälle erheben sich in die Luft. Manche Haltung hat sich tatsächlich in Richtung eines Schwungs entwickelt. Ohne Anleitung, gesteuert nur vom Instinkt des Körpers und dem wachsenden Gefühl für den ungewohnten Bewegungsablauf. Die Pros schmunzeln vielsagend und zufrieden. Schließlich wird – mit einem Zwischenhalt auf dem Putting-Grün – der Bollerwagen aufgerüstet. Ab zum „Kranich“-Parcours. Pitchen und Putten im Flight, immer von einem Golflehrer begleitet.
Kreative Ideen zur Golfer-Gewinnung
Dem Siegerteam winkt ein „Kranichmonat“: zwei Trainerstunden, 500 Rangebälle, Leihschläger und freier Zugang zum WINSTONkranich. Kostet normalerweise 125 Euro. Den Gewinnern sagt Staudt: „Einfach herkommen und Spaß haben.“ Die meisten anderen wollen auch noch mal kommen, zum nächsten monatlichen „Actiongolf“-Termin, zum Jugendtraining, zum „echten“ Schnupperkurs. Läuft!
Freilich, nicht nur bei WINSTONgolf gibt es kreative Ideen zur Golfer-Gewinnung. Gut Wissmannshof in Niedersachsen beispielsweise baut einen Abenteuer-Golfplatz für die ganze Familie neben den 27-Loch-Platz. In der Indooranlage „Arena79“ in Bottrop hat das Bildungswerk des Landessportbunds NRW unter dem Titel „WinterFun 2014/2015“ erstmals Golfkurse veranstaltet. In Hessen arbeitet der Verein „Limes – Jugend überwindet Grenzen“ mit dem Golfplatz Altenstadt zusammen, damit golfinteressierte Kinder den Sport erlernen können. Und im Haxterpark bei Paderborn üben sich Schüler mit Handikap im Umgang mit Schlägern und Ball. Das sind nur einige wenige Beispiele, die Liste erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.
Warum gibt es Phänomene wie „ActionGolf“ und das ganze Werbegedöns des DGV?
Weil zu viele „Unternehmer“ zu viele großkotzige Plätze gebaut haben und ihnen jetzt die Kosten derart davonlaufen, dass es ihnen letztendlich egal ist, was die Leute auf ihren Wiesen treiben, solange nur Kohle reinkommt.
Ich freue mich über jeden, der Golf lernen möchte und hoffe, dass Golf eines Tages ein Breitensport wird, aber wenn da, wo Golf drauf steht kein Golf drin ist, dann ist das Etikettenschwindel.
Golf ist nun mal eine Art Rasenschach, was Ruhe, Konzentration, Hingabe und spielerisches Können erfordert – da darf man sich nicht in die Tasche lügen. Wenn man beim Schach die Felder und die Bedeutung der Figuren ändern würde, wäre es auch kein Schach mehr.
„Golf“ erstmal nur um Spaß? OK. Aber nennt diese „Action“ dann meinetwegen Rasenhockey, GoGaga oder sonstwie – aber bitte nicht Golf.
Golf ist übrigens nicht verstaubt. Nur wurde der ursprüngliche »Geist des Golfspiels« vom Kommerz vertrieben, gerät immer mehr in Vergessenheit oder hat sich in einen Poltergeist verwandelt.
Deshalb hoffe ich, dass die Tradition unseres Spiels nicht gänzlich verloren geht, wenn die Mitgliedergewinnung um jeden Preis vielfältige Blüten treibt, von denen nicht alle nach Golf duften.
Golf ist ein Spiel, aber »Golf spielen« ist kein leichtes Unterfangen und wer nicht bereit ist, das Spiel so weit zu erlernen, wie es seine motorischen und geistigen Fähigkeiten zulassen, wird mit all den Problemen konfrontiert werden, die ich als bekennender Golfdilettant in meinem Büchern ausführlich karikiert habe.
Es grüßt
Eugen Pletsch
http://www.cybergolf.de
Das macht ja schon beim lesen Spaß.
bis denne
rebel