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Golf in Deutschland

Von Null auf Major: Der besondere Weg von Leonie Harm

27. Mai. 2021

Leonie Harm wird Anfang Juni zum ersten Mal in ihrer Karriere ein Majorturnier spielen. (Foto: Sunshine Ladies Tour)

Leonie Harm wird Anfang Juni zum ersten Mal in ihrer Karriere ein Majorturnier spielen. (Foto: Sunshine Ladies Tour)

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Für Leonie Harm ist die Teilnahme an einem Majorturnier der nächste große Schritt in einer Karriere, die anders verläuft als viele andere. Die Qualifikation folgt einer radikalen Schwungumstellung im Winter: „Ich habe alles über den Haufen geschmissen“, so Harm.

Vor gut einem Jahr arbeitete Leonie Harm noch als Praktikantin beim biopharmazeutischen Unternehmen CureVac in Tübingen an ihrer einen Leidenschaft – heute steht die 23-Jährige vor der Erfüllung eines Traum in ihrer zweiten, dem Golfsport. Am kommenden Freitag steigt die Stuttgarterin ins Flugzeug nach San Francisco, um sich vom 3. bis 6. Juni mit den besten Golferinnen der Welt bei der 76. US Women’s Open im dortigen The Olympic Club zu messen. Es ist ein langer Flug, dem eine viel längere Reise vorausgeht, eine sensationelle Entwicklung einer Athletin, die sich von noch so harten Schicksalsschlägen nicht unterkriegen ließ.

 

Leonie Harm hat bereits in jungen Jahren eine beeindruckende Karriere hinter sich. (Foto: Sunshine Ladies Tour)

 

Leonie Harm: „Die US Women’s Open spielen zu dürfen, ist wirklich ein Riesenschritt“

Harm ist volle Vorfreude im Hinblick auf ihr Major-Debüt als Profigolferin. „Es ist natürlich eine große Ehre, gegen die Elite meiner Sportart anzutreten, und ein wichtiger Meilenstein auf meinem Weg. Es ist aber nach allem, was war, auch eine wunderschöne Belohnung.“

Was war vorher? Zuletzt sah sich Leonie Harm ausnahmsweise Herausforderungen rein sportlicher Natur ausgesetzt. Im Winter beschloss sie, ihren Schwung komplett umzustellen und gefühlt bei null anzufangen. Sie wollte weniger abhängig vom Schwungtempo sein, weniger anfällig für extreme Fehlschläge. „Ich habe alles über den Haufen geschmissen“, erzählt sie. Bis März traute sich Harm nicht auf die Runde, zu schlecht das Gefühl, zu groß die Angst, völlig desillusioniert vom Kurs zu kommen. „Ich war nicht spielfähig“, sagt sie. „Das sicherlich schlechte Ergebnis hätte mich extrem verunsichert in meinem Prozess.“

 

 

Erst ab März spielte sie täglich mindestens eine Runde Golf, dazu kam intensives Krafttraining von mehr als zwei Stunden am Tag: „Ich wollte meinen Körper athletisch auf alle Anforderungen vorbereiten.“ Der positive Nebeneffekt: Sie gewann rund 15 Meter Länge mit dem Driver. Zudem arbeitete sie in ihrem Heimatclub in St. Leon-Rot intensiv an ihrem Putten, das sie rückblickend „ein Desaster“ nennt. All das gab ihr ein gutes Gefühl. Doch der Ernstfall sollte bis Mai auf sich warten lassen, als die Saison auf der Ladies European Tour in Südafrika endlich starten konnte.

Normale Vorbereitung auf US Women’s Open

Und Leonie Harm startete gleich hervorragend. Mit Rang zwei bei der Investec South African Women’s Open qualifizierte sie sich direkt für eines der prestigeträchtigsten und größten Turniere des Golfsports.

„Vieles lief schon deutlich besser als gedacht“, verrät Leonie Harm. „Aber da ist natürlich noch viel Luft nach oben.“ Vielleicht klappt manches nun in den USA, wobei Harm das Major ohne Erwartungen spielen will. Der Platz soll schwer sein, habe sie gehört, aber explizit beschäftigt habe sie sich damit nicht. „Es ist nicht unbedingt meine Art, mich da voll reinzudenken in der Theorie. Ich muss auf dem Platz stehen und dann mein Ding machen.“ Das wird sie schon am Wochenende – und ab Donnerstag im Wettstreit mit den Weltbesten.

 

Mit der Schwungumstellung zum Erfolg. (Foto: Sunshine Ladies Tour)

 

Dann wird sie auch auf ihren steinigen Weg zurückschauen. Sie wird an ihren größten persönlichen Sieg denken nach einem folgenschweren Unfall 2013, als sie beim Joggen von einem 70 Stundenkilometer schnellen Auto erfasst wurde. „Der Notarzt hat damals meine Überlebenschance auf ein Prozent beziffert“, erzählt Harm. Sie wurde ins künstliche Koma versetzt – und kämpfte sich zurück.

Das tat sie noch einmal als im Frühjahr 2014 bei ihrer Mutter Brustkrebs diagnostiziert und sie im Sommer 2016 starb. Leonie Harm sagt heute: „Der Verlust war der Hauptgrund, warum ich Biochemie und Biophysik an der University of Houston studiert habe. Nach meiner hoffentlich erfolgreichen professionellen Golfkarriere möchte ich zu Ehren meiner Mutter, Großmutter und Urgroßmutter, die alle an der Krankheit gestorben sind, als Krebsforscherin arbeiten.“

„Ich möchte darüber definiert werden, was ich aus dem Leben mache“

So landete sie nach ihrem Studium in den USA in der ersten Corona-Pause im vergangenen Jahr als Praktikantin bei CureVac in Tübingen. „Auch wenn ich natürlich keine wichtige Position innehatte, ist es schon ein sehr schönes Gefühl, an Dingen zu arbeiten, die die Menschheit weiterbringen könnten“, sagt sie. „Und gerade in dieser Zeit, in der ich als Sportlerin eh zum Warten gezwungen war, war es perfekt, um dennoch weiterzukommen.“

Leonie Harm nimmt die Herausforderung an, vor der sie ihre Leidenschaften stellen. "Ich will nicht darüber definiert werden, was das Leben mit mir macht. Ich möchte darüber definiert werden, was ich aus dem Leben mache.“ Die nächste Chance, ihren besonderen Weg zu gestalten, ergibt sich in der kommenden Woche bei der US Women’s Open. Es wird nicht die letzte sein, das ist sicher.

Profil Leonie Harm

  • Geboren und aufgewachsen in Stuttgart
  • Begann früh mit dem Golfsport aufgrund der Golfleidenschaft der Eltern
  • Mehrmalige Deutsche Meisterin im Einzel und in der Mannschaft mit dem Golf Club St. Leon-Rot
    1. Platz German International Girls Open
    1. Platz 75. German International Ladies Amateur Championship (2015)
    1. Platz 78. German International Ladies Amateur Championship (2018)
    1. Platz 115. Ladies' British Open Amateur Championship (2018)
  • Mitglied des Junior Solheim Cup Teams Europe 2015 in ihrem Heimatclub St. Leon-Rot
  • Beste Platzierung im World Amateur Golf Ranking: 4 – deutscher Rekord
  • American Athletic Conference Female Scholar Athlete of the Year 2018/19
  • Academic All-American Athletic Conference Team 16/17, 17/18, 18/19
  • WGCA Academic All-American Team 16/17, 17/18, 18/19
  • University of Houston Female Scholar Athlete of the Year 18/19
  • Zweitplatzierte in der offiziellen Ladies European Tour Rangliste „Race to Costa Del Sol” (Stand: 26. Mai 2021)

 

(Text: SMA)

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