Dass Martin Kaymer in der Lage ist, Majors zu gewinnen, ja sogar die US Open, den "toughest test in golf", das bewies er in der Vergangenheit bereits eindrucksvoll. Über die sechs sieglosen Jahre, die der Mettmanner seitdem durchgemacht hat, vergisst manch einer leicht, dass Deutschlands bester Golfer zweifacher Majosieger und ehemaliger Weltranglistenerster ist. Von Zeit zu Zeit scheint bei Martin Kaymer noch die Leistung durch, die ihn am Anfang der 2010er Jahre an die Weltspitze beförderte. Betrachtet man die aktuell erstarkte Form des 35-Jährigen, stellt sch die berechtigte Frage, welche Rolle er beim zweiten Major des Jahres in Winged Foot spielen kann?
Martin Kaymer und die dürren Jahre
Die Zeit seit seinem US-Open-Sieg war wahrlich nicht immer glamourös. Verpasste Cuts, lange Turnierpausen, langwierige Verletzungen. Wenige Chancen auf Titel, die er nicht für sich nutzen konnte. Auch der Versuch, die Lösung durch Veränderungen im Team zu finden, blieb erfolglos. Auf die Trennung von seinem langjährigen Erfolgscaddie Craig Connelly folgte Anfang 2020 die Wiedervereinigung - dann Corona.
Doch Martin Kaymer kam mit neuem Feuer aus der Corona-Pause zurück. Er genoss die Zeit abseits des Turnierzirkus mit seiner Familie. Das scheint ihm gut getan zu haben - seit er wieder auf dem Platz steht, spielte er mit neuem Elan und kämpfte mehr als einmal um den Sieg mit.
Inspiration aus vergangenen Tagen
Wahrlich, sein erster Auftritt bei der Barracuda Championship, dem Parallelevent zur WGC - FedEx St. Jude Invitational, war mit einem verpassten Cut nicht besonders glorreich. Umso unerwarteter sein Aufbäumen beim ersten Major des Jahres, der PGA Championship. Zwischenzeitlich die alleinige Führung, Platz 3 nach der ersten Runde - Begeisterung in Golf Deutschland. Er habe sich von seinem Sieg bei der US Open 2014 inspirieren lassen, sagte Kaymer nach der Runde. "Wie ich da gespielt habe, meine Einstellung, meine Haltung, mein Putten, das alles hat mich inspiriert." Diesen Teil von sich scheint er im TPC Harding Park wieder gefunden zu haben. Die Freude darüber nahm am zweiten Tag ein abruptes Ende mit einer 82er Runde und einem verpassten Cut, aber Kaymer nahm den Funken mit zurück nach Europa.
Nach sechs Monaten der Abstinenz vom europäischen Profigolf kehrte Martin Kaymer stärker zurück als noch Anfang des Jahres, wo er regelmäßig zu Gast in den Top 20 und Top 10 war. Zwei Turniere, zwei Mal der Kampf um den Sieg: Beim Finale des UK-Swings und in Valderrama, einer Herausforderung für jeden Golfer und einer vom Kaymers Lieblingsplätze. Zwei Mal fehlte nur das gewisse Extra. Die Siege musste er stattdessen dem 19-jährigen Rasmus Hojgaard und dem erstmaligen Sieger John Catlin überlassen.
Martin Kaymers Chancen bei der US Open 2020
Die Feldstärke dieser beiden Turniere war keinesfalls vergleichbar mit einer US Open. Die Bedingungen in Valderrama hingegen möglicherweise schon. Der Wind machte den Golfern das Leben so schwer, dass der Siegesscore bei zwei Schlägen über Par lag - und Martin Kaymer nur einen Schlag dahinter. "Für mich ist es ein ganz besonderer Ort. Ich wollte hier schon immer einmal gewinnen, und jedes Mal, wenn ich die Gelegenheit habe, hierher zu kommen und zu spielen und mich zu messen, nehme ich sie wahr."
Messen, dass kann er sich auch bei der US Open und zwar mit den besten Golfern der Welt. Dass er in guter Form ist, hat Kaymer gezeigt. In der Weltrangliste hat er sich seinen verlorenen Platz unter den besten 100 Golfern der Welt wiedererobert. Keine Verletzung steht ihm dieses Mal im Weg. Das macht ihn zwar, selbst durch die patriotische Brille betrachtet, nicht zu einem Favoriten um den Majortitel. Wenn er aber seine Einstellung aus England und Spanien mit nach Winged Foot nehmen kann, dann ist Martin Kaymer durchaus zuzutrauen, dass er für eine Überraschung sorgt.
